Wer konnte, besuchte zuletzt häufiger Tankstellen über der Grenze – etwa in Ungarn, dort sorgt ein Spritpreisdeckel dafür, dass Konsumenten weiterhin günstig tanken können.

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Wien – Spritpreise jenseits von zwei Euro je Liter sorgen für Verärgerung unter Österreichs Autofahrern. Aber nicht nur das: Die enorm gestiegenen Energiepreise lassen auch Heizkosten spürbar in die Höhe schnellen. Türkis-Grün hat in den vergangenen Monaten zwar bereits eine Reihe an Entlastungsmaßnahmen – Stichwort Energiekostenausgleich, Klimabonus und Entfall der Ökostrom-Aufschläge – auf den Weg gebracht, nun will man noch einmal nachlegen.

Der Druck der Oppositionsparteien und Sozialpartner ist enorm. Sie echauffieren sich über die laue Gangart, der nächste Verhandlungstermin am Mittwoch nächster Woche ist ihnen zu weit weg. Wie genau Haushalte und Unternehmen zusätzlich entlastet werden könnten, darüber gab es nach dem Energiegipfel von Regierung, Wirtschaftsforschern und Abgesandten der Energieversorger keine Auskunft. Die Palette ist allerdings vielfältig, sie reicht von einer Halbierung des Mineralölsteuer-Satzes (MöSt), wie oe24 berichtete, bis zur Anhebung des Penderpauschales nach deutschem Vorbild.

Zu komplex für Schnellschuss?

Wie konkret sind diese Vorschläge? Fix ist offenbar nichts, wie ein Rundruf ergab. Die Verhandlungen zu den konkreten Maßnahmen laufen, heißt es. Dem Vernehmen könnte die Regierung bereits in den nächsten Tagen Details verkünden, um nicht täglich von Opposition und Sozialpartnern kritisiert zu werden. Noch führte der öffentliche Druck allerdings zu keinem kurzfristigen Effekt, mit den Sozialpartnern wurde ein Termin am Mittwoch, dem 23. März, vereinbart. Angesichts der Komplexität der Materie und der Umsetzungsprobleme bei der Ausfertigung des Gutscheins zum Energiekostenausgleich scheint ein Schnellschuss ohnehin nicht ratsam.

Die deutsche Ampelkoalition ist diesbezüglich nicht viel weiter. Auch dort vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Entlastungen gefordert werden. Bundesfinanzminister Christan Lindner (FDP) will die Autofahrer und Autofahrerinnen mit einem staatlichen Tankzuschuss entlasten. Dieser könnte 40 Cent pro Liter betragen und für drei Monate befristet ausgezahlt werden, was den Staat rund 6,6 Milliarden Euro kosten würde, sagte der FDP-Chef der "Rheinischen Post". "Wenn es nach mir geht, landen wir mit dem Tankrabatt bei unter zwei Euro je Liter Diesel und Benzin." Die konkrete Ausgestaltung sei in der Regierung aber noch offen.

Laut "Bild-Zeitung" sollte der Rabatt gleich an der Tankstelle beim Bezahlen abgezogen werden, die Tankstellenbetreiber könnten die Quittung dann bei den Finanzbehörden einreichen. Auch Spediteure fordern Entlastung, um Lieferketten zu erhalten. Laut dem Steuerexperten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Jens Boysen-Hogrefe, würde dies den Staat mindestens zehn Milliarden Euro kosten.

Weitere Vorschläge

Und es soll weitere Entlastungen geben. "Gerade die hohen Heizkosten erdrücken zahlreiche Familien", sagt der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne). In seinem Ministerium schätzt man, dass die Gasrechnung für eine Durchschnittsfamilie in einem unsanierten Einfamilien-Haus im Jahr 2022 um rund 2.000 Euro steigt. Er will Erleichterungen bei Strom, Wärme, aber auch marktwirtschaftliche Impulse nach dem Motto: "Je effizienter, desto geringer die Kosten." Dies könnte beim Austausch von Gasheizungen gelten. Lindners Vorschläge findet Habeck etwas zu kurz gegriffen. Das findet auch die oppositionelle Union, sie bezieht sich allerdings auf den Zuschuss bei den Spritpreisen. "Es müssen mindestens 40 Cent pro Liter sein, und es muss unbürokratisch sein", fordert Fraktionsvize Jens Spahn (CDU).

Weitere Schritte notwendig?

Die Ampel-Koalition hat bereits ein Paket in Höhe von 16 Milliarden Euro geschnürt, das die Streichung der Erneuerbaren-Umlage, einen Heizkostenzuschuss für Bedürftige und die Anhebung der Pendlerpauschale enthält.

In Österreich wurde der Energiekostenausgleich (je nach Einkommen 150 oder 300 Euro) bereits beschlossen und auch der Klimabonus (100 bis 200 Euro pro Person je nach Wohnort und Öffi-Versorgung, Kinder bekommen die Hälfte), der im August ausbezahlt werden soll. Nun diskutiere man über mehrere Varianten einer weitergehenden Entlastung, heißt es aus Verhandlerkreisen.

Im grün-geführten Klimaschutzministerium wollte man die Gerüchte über eine geplante MöSt-Senkung sowie eine Erhöhung der Pendlerpauschale nicht kommentieren. "Die Menschen in Österreich spüren aktuell schmerzlich was hohe Energiepreise bedeuten – von der Heizung, über die Miete bis hin zu den Lebensmitteln", heißt es aus dem Ressort von Ministerin Leonore Gewessler. "Jetzt werden wir weitere Gespräche führen und ein passendes Paket schnüren."

In welche Richtung könnte es gehen?

  • Pendlerpauschale: Eine mögliche kolportierte Maßnahme, um Bürgerinnen und Bürger angesichts der hohen Energiepreise zu entlasten, wäre eine Anhebung des Pendlerpauschale.
    Die Maßnahme wäre auf jeden Fall treffsicherer als das Herabsetzen von Steuern, würde aber nicht gleich wirksam sein. Außerdem könnte der Schritt die eigentlichen Pläne der Regierung, das Pauschale zu ökologisieren, konterkarieren.
    Das Pendlerpauschale gilt laut Experten als klimaschädliche Subvention par excellence. Es gibt es in zwei Varianten, wobei die Höhe der Auszahlung immer davon abhängt, wie weit der Arbeitsort vom Wohnort entfernt ist. Anspruch auf die große Pauschale hat ein Arbeitnehmer, wenn sein Arbeitsplatz mit Öffis nicht erreichbar ist bzw. deren Benutzung "nicht zumutbar" ist. Das Problem aus grüner Sicht: Bei der Pauschale gibt es gar keinen Anreiz, das Auto nicht zu nützen, das Autofahren wird subventioniert. Auch bei der kleinen Pauschale spiet es keine Rolle, ob tatsächlich mit Öffis gependelt wird oder nicht: Es gibt immer gleich viel Geld. Und: Von der Pauschale profitieren wegen ihrer Ausgestaltung überdurchschnittlich stark Besserverdiener.

  • Senkung der Mineralölsteuer: In welche Richtung es noch gehen könnte, zeigte eine Äußerung von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Montag: Er hat auf EU-Ebene mehr Spielraum für die Senkung der Mineralöl- und Mehrwertsteuer für Treibstoffe gefordert. Er will mit seinen EU-Amtskollegen über Möglichkeiten beraten, die festgelegten Mindeststeuersätze "temporär flexibler" zu gestalten.
    Eine Senkung der Mineralölsteuer kommt für die Grünen – wenn überhaupt – nur temporär infrage, wie zu hören ist. Im Grunde ist der Juniorpartner aber gegen den Schritt. Eine allgemeine Steuersenkung würde nicht treffsicher wirken, so das Argument. Unterm Strich würden also Wohlhabendere mehr profitieren. Dass gerade die Grünen die erste Partei wären, die einer Senkung der Mineralölsteuer zustimmt, dürfte auch bei der eigenen Wählerschaft nicht sehr gut ankommen.
    Eine Möglichkeit wäre, die Umsatzsteuer auf Benzin und Diesel temporär zu streichen oder zu halbieren. Laut Rechnung der Arbeiterkammer würde Letzteres für das Gesamtjahr 2022 den Staat etwa 1,3 Milliarden Euro kosten. 500 Millionen wären durch höhere Einnahmen des Staates bei Umsatzsteuer auf Treibstoffe gedeckt.

  • Langfristig ökologisieren: Bei den Verhandlungen dürfte mehr auf dem Tisch liegen als nur kurzfristige Maßnahmen. Wie am Montag zu hören war, wird über ein Energie-Gesamtpaket diskutiert. In dem Bereich gibt es durchaus noch offene Streitpunkte zwischen den Koalitionspartnern, die nun aufs Tableau gebracht werden. Dazu zählen etwa das Erneuerbaren-Wärmegesetz und das seit mehr als einem Jahr ausständige Klimaschutzgesetz. Dabei geht es unter anderem um die gesetzliche Festlegung, bis wann alle Öl- und Gasheizungen im Land ausgetauscht werden müssen, sowie ein fixes Enddatum für Gasheizungen im Neubau.
    Nicht vom Tisch ist die von der Wirtschaftskammer (WKO) aufgebrachte Verschiebung des Startzeitpunktes der CO2-Bepreisung. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte dazu in der ORF-Pressestunde am Sonntag erklärt, dass man natürlich auch über den CO2-Preis reden könne, dieser sei aber sein sehr wichtiger Teil der ökosozialen Steuerreform. Ganz anders klingt das bei den Grünen: Vizekanzler Werner Kogler bekräftigte vergangene Woche, dass an dem geplanten Startdatum im Juli nicht gerüttelt werde.

  • Förderungen aufstocken: Als einfachste Art der Entlastung gilt unter Ökonomen die Erhöhung der bereits beschlossenen Zuschüsse. Der Klimabonus wird vom Umweltministerium frühestens im August ausbezahlt, die dafür notwendige Bürokratie wird gerade erst aufgebaut. Bis dahin sei Zeit genug, bei der Höhe nachzujustieren, heißt es in Kreisen der Regierungsverhandler. Nachsatz: Sollten die Sprit- und Energiekostensteigerungen tatsächlich so stark bleiben, wie dies aktuell der Fall ist.
    Gleiches gilt für den Energiekostenausgleich, der frühestens im April als Gutschein verschickt und beim jeweiligen Energieversorger eingelöst werden kann. Pro Haushalt gibt es 150 Euro, die untersten Einkommensschichten bekommen 300 Euro. Ausgenommen sind Besserverdiener jenseits der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage von 5670 Euro brutto, sie dürfen ihren Energie-Gutschein nicht einlösen.
    Außerdem fallen Ökostrompauschale und -förderbeitrag weg, auch das senkt Strom- und Gasrechnung ein wenig.
    Die Regierung dürfe kein Signal geben, dass fossile Energie billiger wird, sagt Wirtschaftsforscher Karl Aiginger von der Europaplattform. "Energie wird teuer und soll teuer werden", sonst komme es nicht zur dringend notwendigen Energiewende.

  • Hilfe beim Energiepreis: Die energieintensive Industrie setzt alle Hoffnungen auf die "Toolbox" der EU gegen steigende Energiepreise. Mit ihr wurde den Mitgliedsstaaten ein Instrumentenkoffer für kurz- und mittelfristige Maßnahmen gegen Preisanstiege in die Hand gegeben, darunter Hilfen für besonders belastete Industriezweige, etwa Metallverarbeitung oder Glaserzeuger. Davon hat die Regierung auch Gebrauch gemacht, etwa bei den Abgaben und Steuern, die auf Energie eingehoben werden. Diese Energieabgabenrückvergütung wurde Ende Jänner von 0,5 Prozent des Nettoproduktionswertes auf 25 Prozent drastisch erhöht.
    Das entlaste allerdings nicht bei den hohen Energiekosten, die in Gießereien, der Schweißtechnik, in der Galvanik oder in der Glasindustrie anfallen. "Ohne Gas geht nichts bei uns", stöhnt man in der Industrie, so hohe Temperaturen bringe man nur mit Erdgas zusammen. Die hohen Preise schlagen auf so gut wie alle Waren und Güter durch, höhere Endkundenpreise sind also programmiert, die Inflation wird steigen bzw. hoch gehalten. Die Rechnung bekomme man spätestens bei den Lohnverhandlungen, so die Warnung. Geld sollte man bei den Versorgern abschöpfen. (Nora Laufer, András Szigetvari, Birgit Baumann, Luise Ungerboeck, 14.3.2022)