Boris Johnson ist auf wichtiger diplomatischer Mission. Der britische Premier traf am Mittwoch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien ein. Er will die Regierungschefs der ölproduzierenden Länder davon überzeugen, ihre Förderung von fossilen Brennstoffen signifikant zu erhöhen, um die Abhängigkeit des Westens von russischem Gas und Öl zu mindern.

"Wir können so nicht weitermachen", hatte Johnson in einem Meinungsbeitrag für den "Daily Telegraph" geschrieben. "Solange der Westen wirtschaftlich abhängig von Putin ist, wird er alles tun, um diese Abhängigkeit auszunutzen." Die Welt müsse sich, argumentierte er, "von russischen Kohlenwasserstoffen entwöhnen", und verglich Putin mit einem Drogendealer. Nur wenn die Welt "ihre Abhängigkeit von Putins Öl und Gas beenden kann, können wir ihm den Geldhahn zudrehen, seine Strategie zerstören und ihn in die Schranken weisen".

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Boris Johnson bei Kronprinz Mohammed bin Salman.
Foto: Reuters

Russland ist der größte Gasproduzent der Welt und nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Ölproduzent. Während Russland jeden Tag rund 500 Millionen Barrel Erdöl exportiert, hat Saudi-Arabien eine zusätzliche Förderkapazität von zwei Millionen Barrel pro Tag, in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind es zusätzlich eine Million Barrel. Johnson will erreichen, dass beide Länder jetzt ihre Kapazitäten ausnutzen und den Ölhahn kräftig aufdrehen.

Gute Verbindungen

Johnson sieht sich in der Pflicht, weil der US-Präsident Joe Biden für diese Mission nicht in Frage kommt. Die USA ist zum Königreich im Golf auf Distanz gegangen. Joe Biden hatte Saudi-Arabien als einen "Paria" bezeichnet, hält den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman verantwortlich für die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi und ließ kurz nach Amtsantritt einen einschlägigen Geheimdienstbericht veröffentlichen. Jetzt weigert sich bin Salman, einen Telefonanruf von Biden entgegen zu nehmen.

Boris Johnson dagegen hat einen guten Draht zum Kronprinzen. Als er noch Außenminister war, rühmte Johnson die Reformagenda von Mohammed bin Salman und beteiligte sich auch nicht an dem nach der Ermordung Khashoggis verhängten Waffenembargo gegen Saudi-Arabien. Die beiden Männer, berichtete die "Times", sollen sich regelmäßig über Whatsapp austauschen. Großbritannien, meinte der Publizist James Forsyth, sei daher bestens aufgestellt für eine diplomatische Intervention: "Kein G7-Land hat bessere Beziehungen zum Kronprinzen." Johnson solle, so Forsyth, gegenüber seinen Gesprächspartnern argumentieren, dass eine Zurückhaltung nicht als Neutralität, sondern als eine Wette auf Putin und somit als unkluges Wagnis verstanden würde. Andererseits könnten Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate wieder ihre Rolle als unverzichtbarer Gesprächspartner des Westens auf dem Ölmarkt bekräftigen.

Die Reise des Premierministers in die Golfregion hat innenpolitisch für Kritik gesorgt. "Unterwürfig von einem Diktator zum anderen zu gehen ist keine Energiepolitik", sagte der Labour-Chef Keir Starmer. Er verwies auf die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Erst am Samstag hatte das Königreich in einer Massenexekution 81 Menschen hinrichten lassen. Ein Missbrauch der Menschenrechte, wandte dagegen die "Times" ein, würde die internationale Ordnung nicht so sehr gefährden, wie es der russische Angriffskrieg tue.
(Jochen Wittmann aus London, 16.3.2022)