Foto: imago stock&people

Die Karriere von Oskar Lafontaine als "einzigartig" zu bezeichnen ist keine Übertreibung. Es gibt sonst keinen Politiker in Deutschland, der Chef zweier Parteien – der SPD und der Linken – war und auch beide Parteien im Streit verlassen hat. 23 Jahre nach seinem Austritt aus der deutschen Sozialdemokratie hat sich Lafontaine nun auch von der Linken abgewandt und ist aus der Partei ausgetreten.

"Ich wollte, dass es im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit gibt, deshalb habe ich die Partei Die Linke mitgegründet. Die heutige Linke hat diesen Anspruch aufgegeben", heißt es in seiner am Donnerstag veröffentlichten Erklärung – zehn Tage vor der Landtagswahl im Saarland. Lafontaine beklagt auch: "Normal- und Geringverdiener oder auch Rentner fühlen sich von der Partei nicht mehr vertreten." Die Linke habe sich zu einer Partei gewandelt, "die ähnliche Ziele verfolgt und sich um dasselbe Wählermilieu bemüht wie die Grünen". Zudem seien viele Vertreter mittlerweile dafür, der Ukraine Waffen zu liefern, und würden steigende Rüstungsausgaben gutheißen. Dies ist für ihn nicht akzeptabel.

Mit Sahra Wagenknecht ist Oskar Lafontaine verheiratet.
Foto: imago stock&people

Einer Meinung mit seiner Ehefrau

Fehlenden Einsatz für die finanziell Benachteiligten in Deutschland hatte Lafontaine schon länger kritisiert. Auch seine Ehefrau, die Linken-Politikern Sahra Wagenknecht, wirft der Linken-Führung vor, die falsche Politik zu machen. In ihrem jüngsten Buch "Die Selbstgerechten" hatte sie "Lifestyle-Linken" vorgehalten, sich lieber um Genderfragen zu kümmern als um die Nöte von Arbeitern und Arbeiterinnen.

Lafontaine beendet mit diesem Schritt eine lange und erfolgreiche politische Karriere in Deutschland. Er war Bürgermeister von Saarbrücken, SPD-Landesvorsitzender und Ministerpräsident, SPD-Kanzlerkandidat (1990) und wurde 1998 Finanzminister im rot-grünen Kabinett des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (1998 bis 2005). Doch es kam zwischen dem linken Lafontaine und dem wirtschaftsfreundlicheren Schröder immer öfter zum Streit. Am 11. März 1999 legte Lafontaine überraschend das Amt des Finanzministers und auch den SPD-Parteivorsitz zurück und zog sich aus der Politik zurück.

Lafontaine im Wahlkampf 1990. Bei einem Auftritt in Köln wurde er von einer psychisch kranken Attentäterin mit einem Messer lebensgefährlich verletzt.
Foto: imago stock&people

Protest gegen Hartz-IV

2005 gab er auch sein SPD-Parteibuch zurück – aus Protest gegen Schröders massive Einschnitte im Sozialbereich (Agenda 2020, "Hartz-IV"). Im gleichen Jahr trat er der neu gegründeten Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) bei und zog für diese in den Bundestag ein. Dort teilte er sich den Fraktionsvorsitz mit Gregor Gysi, der mit der ostdeutschen Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) ins Parlament gelangt war. Lafontaine und Gysi waren es auch, die die Fusionierung von WASG und PDS vorantrieben. Im Jahr 2007 war es so weit, die Linke entstand. Deren erste Chefs waren Lafontaine und der aus der PDS stammende Lothar Bisky.

Mit Gerhard Schröder (rechts) geriet er in Streit.
Foto: imago/Jürgen Eis

Als er gefragt wurde, ob er einen Feldzug gegen die Sozialdemokratie führe, antwortete Lafontaine im "Spiegel": "Ich führe einen Feldzug gegen diejenigen, die Löhne, Renten und soziale Leistungen kürzen und sich an Kriegen beteiligen. Und dennoch: Das Verhältnis zwischen SPD und Linken war jahrelang schwer beeinträchtigt, nicht nur wegen des abtrünnigen Lafontaine. Viele SPD-Politiker hatten sich ihm angeschlossen. 2010 legte Lafontaine wegen einer Krebserkrankung sein Bundestagsmandat und den Parteivorsitz der Linken nieder. Er blieb aber in seiner Heimat, dem Saarland, politisch aktiv und war bis zuletzt Fraktionschef im Landtag.

Mit seinem Parteiaustritt kommt er nun aber auch einem möglichen Parteiausschluss bevor. Denn Lafontaine liegt mit dem Chef der Saar-Linken, Thomas Lutze, im Clinch. Er wirft ihm vor, Listen zu manipulieren. So erklärt Lafontaine auch in seiner Rücktrittserklärung: "Im Saarland ließ die Bundespartei seit Jahren zu, dass ein Betrugssystem installiert wurde, bei dem auf der Grundlage manipulierter Mitgliederlisten Bundestags- und Landtagsmandate vergeben werden. Ein normales Parteimitglied, das nicht in das Betrugssystem eingebunden ist, hat keine Chance, ein Mandat zu erhalten." Das Parteiausschlussverfahren hat sich nun mit Lafontaines Austritt allerdings erledigt. (Birgit Baumann aus Berlin, 17.3.2022)