Im ostafrikanischen Binnenland Ruanda finanzierte Oikocredit zwei Millionen Teesetzlinge für zwei Genossenschaften, von denen insgesamt 2000 Familien vor Ort profitieren.

Foto: Oikocredit

Ob Ebola, Dengue-Fieber oder nun eben Corona – man sei an den Umgang mit Plagen und Krankheiten gewohnt. Mit erstaunlicher Gelassenheit seien die Menschen im Globalen Süden, wie Helmut Berg vom Mikrofinanzierer Oikocredit Entwicklungsländer bezeichnet, mit dem Ausbruch der Covid-Pandemie umgegangen. "Nach einem anfänglichen Schock haben wir gemerkt, dass die Resilienz der Menschen in Ländern des Globalen Südens sehr gut war."

Oikocredit ist ein internationaler Impact Investor, der mit seinen Veranlagungen etwas bei Menschen aus ärmeren Erdteilen bewirken will. Dort kann ein Mikrokredit in Höhe von wenigen Hundert Euro bereits vieles möglich machen – etwa sich mit einer Nähmaschine oder Nutztieren selbstständig zu machen. Das ist das Hauptgeschäft von Oikocredit, nämlich Menschen Zugang zu Kleinstfinanzierungen zu ermöglichen, die sonst, als Analphabeten ohne Sicherheiten, keine bekommen würden.

Sonst nicht kreditwürdig

"Keine Bank will mit denen etwas zu tun haben", sagt Berg. Kredite würden diese Menschen in Afrika, Asien oder Südamerika sonst nur im sogenannten informellen Sektor bekommen. "Das ist ein schönes Wort für den lokalen Kredithai", erklärt er weiter. Diese würden jedoch Wucherzinsen verlangen, mit denen die Menschen nicht aus der Armutsspirale herauskommen könnten – und genau darum gehe es Oikocredit als Impact-Investor.

Zurück zur Corona-Krise, mit der sich die Menschen im Globalen Süden gut arrangiert hätten – die Ausgangsbeschränkungen seien dabei das größte Problem gewesen. "Die Menschen sind auf ihr tägliches Einkommen angewiesen", erklärt der Oikocredit-Experte. "Wenn sie drei Wochen nicht rauskommen, sind die mageren Reserven schnell aufgebraucht." Daher habe man Kreditnehmern Stundungen angeboten, damit sie über die Runden kommen.

Wieder Tritt gefasst

Es habe meist nicht lange gedauert, bis die meisten wieder Tritt gefasst hätten. "Dann ging alles relativ rasch wieder los", sagt Berg, "Dorfökonomien erwachen schnell wieder zu vollem Leben." Die Nachfrage nach Stundungen habe schnell abgenommen, und im Gegenzug sei jene nach Krediten wieder angestiegen. "Es erholt sich alles relativ rasch wieder", sagt der Experte – bereits nach der Finanzkrise 2008 habe man ähnliche Erfahrungen gemacht.

Dennoch hat die Pandemie vor allem im ersten Jahr bei Oikocredit Bremsspuren hinterlassen. Erstmals in der mehr als 40-jährigen Firmengeschichte konnte an die weltweit etwa 59.000 Anleger für das Jahr 2000 keine Dividende ausbezahlt werden. "Das Vorjahr war schon wieder deutlich besser", sagt Berg. Für 2021 werde die Generalversammlung wahrscheinlich wieder eine Ausschüttung beschließen. Vor der Pandemie wurde ein Prozent pro Jahr an die Anleger ausbezahlt.

Von den derzeit am Weltmarkt stark steigenden Lebensmittelpreisen, die durch den Ukraine-Krieg angefacht werden, würden die Kreditnehmer laut den Berichten der jeweiligen Partnerinstitute vor Ort recht wenig spüren. "In Dorfökonomien spielt sich alles in einem kleinen Kreis ab, und nicht im Bereich von Importen oder Exporten", erklärt Berg deren Unabhängigkeit von Weltmarktpreisen.

Agrar und Erneuerbare

Neben Mikrokrediten an Einzelpersonen konzentriert sich Oikocredit auf zwei weitere Säulen, nämlich die Finanzierung von Genossenschaften im Agrarsektor oder im Bereich erneuerbare Energien. Zusätzlich werde Bildung, vor allem in vielen Ländern Afrikas, zu einem weiteren Standbein. Realisiert werden die Projekte – es geht etwa um die Errichtung eines Solardachs auf einer Schule – der Hilfsorganisation Opportunity International. "Das wird sehr gut angenommen", berichtet Berg über diese Erweiterung des Kreditportfolios.

Insgesamt betreut Oikocredit 34 Millionen Endkunden in 33 Ländern über lokale Partnerinstitute, die Kredite vergeben und die Gläubiger beraten. Nach einem Aufflackern im ersten Corona-Jahr sei die Ausfallquote wieder auf die üblichen 1,2 Prozent pro Jahr gesunken. "Das ist ein guter Schnitt, über den manche Bank froh sein könnte", sagt Berg. Der Frauenanteil unter den Kreditnehmern beträgt übrigens 86 Prozent. Warum? "Es hat sich gezeigt, dass Frauen verlässlicher sind." (Alexander Hahn, 19.3.2022)