Das Ziel der Maßnahme sei es, die Mehrbelastungen vor allem für ärmere Familien abzufedern und den Unternehmen, die besonders unter der Verteuerung der Treibstoffpreise litten, die Fortführung ihrer Produktion zu ermöglichen, begründete Italiens Ministerpräsident Mario Draghi das Regierungsdekret zur Senkung der Mineralölsteuer, das am Mittwoch in Kraft tritt.

Doch der Verweis auf die besonders von den Preissteigerungen Betroffenen vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die Regierung zur Gießkanne greift: Die Verbilligung des Treibstoffs an den Tankstellen kommt allen zugute, auch den gutbetuchten Fahrern von Ferraris und schweren Luxusgeländewagen. Dies war freilich im autoverrückten Italien kaum ein politisches Thema: Hauptsache, der Sprit wird endlich billiger.

Um Bürger und Unternehmen zu entlasten, greift die Regierung zur Gießkanne.
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Die große Frage ist bloß, ob die Senkung der Mineralölsteuer um 25 Cent durch den Staat in vollem Umfang an die Autofahrer weitergegeben wird. Die Vereinigung der Tankstellenbetreiber hat jedenfalls bereits zu bedenken gegeben, dass die Tanks unter den Zapfsäulen derzeit mit Benzin oder Diesel gefüllt seien, die sie noch vor der Senkung der Steuern bestellt und bezahlt hätten. Müssten sie diesen Treibstoff um 25 Cent billiger verkaufen, würden sie draufzahlen. Die Tankwarte sprechen denn auch bereits davon, dass es noch "einige Tage" dauern könnte, bis die Steuersenkung an die Kunden weitergegeben werde.

Befristeter Schnellschuss

Die Senkung der Mineralölsteuer ist außerdem ein befristeter Schnellschuss: Das Dekret gilt nur bis Ende April, keine 40 Tage. Draghi begründet dies mit der starken Fluktuation der Preise und schloss nicht aus, dass die Regierung weitere Maßnahmen nachlegen könnte. Zumindest belastet die Maßnahme nicht den Staatshaushalt: Sie kostet zwar insgesamt 4,4 Milliarden Euro bis Ende April, aber die Kosten werden durch die höheren Einnahmen an Mehrwertsteuern weitgehend kompensiert, die sich durch die starken Preissteigerungen ergeben haben. Außerdem will der Staat nun die Extragewinne, die die Treibstoffkonzerne dank Preissteigerungen erzielt haben, mit einer Sondersteuer von zehn Prozent belegen.

Die Preissteigerungen und der Krieg in der Ukraine befeuern auch in Italien die Diskussion über einen Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen.
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Die Gewinnmaximierung der Treibstoffkonzerne ist in Italien zum Teil noch besser als in anderen Ländern zu beobachten: Wenn die Weltmarktpreise steigen, werden die höheren Preise umgehend an die Konsumenten weitergegeben – bei fallenden Preisen sinken sie an den Tankstellen dagegen nur sehr langsam. "Das können wir nicht mehr länger hinnehmen; es handelt sich hier um eine Frage der nationalen Sicherheit, um eine Notsituation", betonte Draghi vor einigen Tagen.

Möglicher Boykott

Die Preissteigerungen und der Krieg in der Ukraine befeuern auch in Italien die Diskussion um einen Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen. Die Regierung trat bei der Verhängung erster Sanktionen gegen Moskau bezüglich des Einbezugs russischer Energielieferungen zunächst auf die Bremse. Angesichts der drastischeren Kriegsverbrechen der russischen Armee würde sich Italien nun aber auch einem Boykott anschließen. Im Hinblick auf einen möglichen Importstopp für russisches Gas hat Draghi die Bevölkerung bereits auf mögliche Rationierungen eingestimmt. (Dominik Straub, 23.3.2022)