Ein Brand in einem Öldepot von Aramco.

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Das Hinterherfahren wurde leichter gemacht.

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Die Formel 1 stand an diesem Wochenende beim Großen Preis von Saudi-Arabien an einem richtungsweisenden Punkt. Aber die Entscheidung, wohin es gehen soll, war schon zwei Jahre zuvor getroffen worden. Was seither passiert war, wollen die Veranstalter ignorieren.

Dazu zählt ein Anschlag auf einen Ölspeicher nahe dem Jeddah Corniche Circuit am vergangenen Freitag. "Dieses Land macht riesige Fortschritte", sagte etwa Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali noch vor Rennstart am Sonntag. "Wir werden niemals eine Organisation sein, die die Sicherheit ihrer Leute nicht garantieren kann." Lewis Hamilton hingegen beschloss das Wochenende mit den Worten: "Ich bin so froh, dass alle in Sicherheit sind. Ich will einfach nur heim."

Nach dem Drohnenangriff jemenitischer Huthi-Rebellen auf eine Raffinerie des Hauptsponsors Aramco gab es keine Verletzten, aber große Verunsicherung im Fahrerlager. Die Piloten drohten mit einem Boykott. Erst nach einer vierstündigen Notfallsitzung entschied man sich dazu, das Rennwochenende durchzuziehen.

Aufregung gab es in Jeddah auch am Sonntag. Das hatte aber mit dem zweiten Saisonrennen zu tun, denn zum zweiten Mal in diesem Jahr lieferte die Formel 1 ein packendes Event. Max Verstappen im Red Bull setzte sich knapp gegen Charles Leclerc im Ferrari durch. Die Formel 1 ist beliebt und spannend wie lange nicht. Wie hat sie das geschafft?

Perfekte Show

Vor knapp sechs Jahren übernahm Liberty Media aus den USA die Formel 1 mit dem Versprechen, die Vermarktung über digitale Medien voranzutreiben. Es wurde gehalten. Kein anderer Sport hat einen besseren Youtube-Kanal, mit Highlights und Analysen für Gelegenheitsfans. Der Streamingdienst F1TV wiederum wurde für eingefleischte Beobachter gemacht.

Mit Drive to Survive hat die Formel 1 zudem ein Dokuformat für Netflix mit Reality-TV-Charakter kreiert. Dabei lernt man Fahrer und Teamchefs etwas kennen, Namen und Startnummern bekommen ein Gesicht. Durch Drive to Survive nahm vor allem in den USA das Interesse erheblich zu. Im vergangenen Jahr stiegen die Einschaltquoten um knapp 60 Prozent. Die Formel 1 wird nicht mehr belächelt, sondern ernsthaft analysiert.

Die TV-Übertragung der Rennen wurde auf Perfektion getrimmt. Die Bilder kommen steril daher. Über Inserts kommt eine Flut an Zahlen. Zuschauer wissen zu jedem Zeitpunkt alle Platzierungen und Zeitabstände. Die neue Kamera, die auf Augenhöhe direkt im Helm der Piloten installiert wurde, liefert vor allem bei Nachtrennen surreale Bilder.

Der Aufschwung ist sportlich gerechtfertigt. Das dramatische Saisonfinish im vergangenen Jahr war ein Glücksfall. Doch die Formel 1 änderte ihre Autos, um noch mehr Zweikämpfe zu ermöglichen. Das Hinterherfahren ist nun tatsächlich leichter, das haben die ersten beiden Rennen gezeigt. Wie schon in Bahrain kämpften auch in Saudi-Arabien Verstappen und Leclerc über mehrere Runden um den Sieg. Das hat auch mit mehreren DRS-Zonen zu tun, in denen sich der wenig aerodynamische Heckflügel flach stellen lässt. Die gibt es zwar schon seit 2011, doch erst heuer gelingt es öfter und länger, unter einer Sekunde hinter dem Vordermann zu bleiben.

Teurer Vertrag

"Cash is king", brachte es Rekordweltmeister Hamilton im März 2020 auf den Punkt, als die Formel 1 die Corona-Pandemie ignorieren und den Saisonstart in Australien durchdrücken wollte. Das machte sich Saudi-Arabien zunutze, die Show der Formel 1 muss finanziert werden. Zum Saisonbeginn 2020 stellte die Formel 1 Aramco als neuen Hauptsponsor vor. Die größte Ölfirma der Welt bezahlt rund 36 Millionen Euro, um in und mit der Rennserie werben zu dürfen. Der Deal mit dem Unternehmen aus Saudi-Arabien steigerte auch die Chancen auf einen Grand Prix im Land, und dann ging es schnell. Im Dezember 2020 stand der Rennkalender für das Folgejahr fest: Jeddah kam neu hinzu.

Ab 2023 soll nicht mehr in Jeddah gefahren werden. Das bedeutet freilich nicht das Ende eines Großen Preises von Saudi-Arabien in der Formel 1. Vielmehr soll das Rennen in der Nähe der Hauptstadt Riad am Qiddiya Circuit stattfinden. Die Rennstrecke wird als Teil eines Entwicklungsprojekts gebaut, das laut eigenen Angaben zur "Hauptstadt für Entertainment, Sport und Kunst" werden möchte.

Rennsieger Verstappen sagte, man werde nach dem Wochenende mit der Formel 1 über die Zukunft sprechen. Fest steht, Saudi-Arabiens Vertrag mit der Formel 1 läuft bis 2030. Dafür soll das Land mehr als 800 Millionen Euro zahlen. "Wir spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Modernisierung dieses Landes", sagt Formel-1-Chef Domenicali, trotz der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Land. Das nächste Rennen steigt in zwei Wochen in Australien. (Lukas Zahrer, 28.3.2022)