Eine bunt bemalte Tür zu einem Behandlungszimmer an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH. Die Station der Uniklinik ist bereits überbelegt, könnte aber in wenigen Monaten am Wochenende die einzige Anlaufstelle in Wien für kinderpsychiatrische Notfälle sein.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Ab Sommer könnte nur mehr eine einzige kinder- und jugendpsychiatrische Spitalsabteilung in ganz Wien sieben Tage die Woche geöffnet sein: jene des Allgemeinen Krankenhauses (AKH). Denn an der Klinik Hietzing besteht, wie DER STANDARD berichtete, ein eklatanter Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten, weshalb die Abteilung ab Juli von Freitagnachmittag bis Montagfrüh schließen soll. "Wir könnten das nicht auffangen", warnt Paul Plener, Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH.

Aufgrund von Kündigungen und Personalnot soll es, sobald alle derzeit noch laufenden Kündigungsfristen ausgelaufen sind, aber nur mehr vier fachärztliche Vollzeitäquivalente in Hietzing geben. Daher soll die Abteilung zur Wochenklinik umfunktioniert werden – was nach STANDARD-Informationen bereits als fix kommuniziert worden ist, beim Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) spricht man von einem "möglichen Szenario".

Großteil der Betten in Hietzing

An der Abteilung am AKH werden laut Plener derzeit 44 Prozent der jungen Bevölkerung aufgrund der regional verteilten Zuständigkeit psychiatrisch versorgt, bei 41 Prozent der Betten dafür. Für mehr als die Hälfte ist also die Klinik Hietzing vorgesehen. Weitere bettenführende kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen gibt es in Wien nicht – an der Klinik Floridsdorf wurde eine solche bisher wegen Fachärztemangels nicht gestartet. Trotzdem können auch am AKH nicht alle psychiatrischen Betten belegt werden, es mangelt vor allem an Pflegepersonal. "Wir haben eine sehr hohe Auslastung, im Grunde regelhaft eine Überbelegung", sagt Plener.

Andere Arbeitsbedingungen

Das AKH verfügt aber über ausreichend fachärztliches Personal. An der Uni-Klinik gelten andere Dienstzeiten und Gehaltsschemata. Und nicht zuletzt gibt es auch ein besetztes Primariat: In Hietzing ist der Chefposten seit rund zwei Jahren vakant.

Wenn keine kinder- und jugendpsychiatrische Station akut junge Patienten aufnehmen kann, müssen diese an Transitionspsychiatrien (Stationen für Jugendliche ab 16 Jahren, wo Psychiaterinnen und Psychiater tätig sind) und wohl auch an Erwachsenenstationen überwiesen werden.

Ausbau auf 15 Kassenstellen

Konfrontiert mit den Problemen verweist man im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) auf den Ausbau des niedergelassenen Bereichs in dem Fach. So wurde 2020 von ursprünglich sieben auf zehn Kassenplanstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien erhöht. Und bis 2025 sollen 15 Kassenplanstellen besetzt werden. Das verhindere, "dass Patientinnen und Patienten in die stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie ausweichen müssen", heißt es aus Hackers Büro. Dies solle zu einer Spitalsentlastung führen.

Plener vom AKH und auch Helmut Krönke, selbst Wahlarzt und Fachgruppenobmann in der Ärztekammer, warnen beide davor, dass dadurch die Spitäler personell kannibalisiert würden. Fertige Fachärzte würden dann in den niedergelassenen Bereich abwandern.

"Kassenstellen sind gut. Aber wenn das die Lösung ist, haben die Verantwortlichen das Problem nicht verstanden", sagt Krönke. Es brauche einen Gesamtplan für die Zukunft der psychiatrischen Versorgung junger Menschen in Wien. "Es wurde seit Monaten davor gewarnt, dass das System kollabieren wird", sagt Krönke. Aber nichts sei geschehen. Dabei müsse man in den Spitälern "dringend jene (Ärzte, Anm.) halten, die noch da sind".

Mit Gefährdungsanzeige gewarnt

Wegen des Personalmangels hat die betroffene Abteilung in Hietzing bereits vor einigen Wochen eine Gefährdungsanzeige an ihre Vorgesetzten verfasst, was Anfang Februar bekannt wurde. Darin warnten Ärztinnen und Ärzte vor absehbaren weiteren Kündigungen und möglichen Gefahren für Patientinnen und Patienten sowie das Personal aufgrund des Ressourcenmangels. Die Lage spitzte sich seither aber offenbar weiter zu. (Gudrun Springer, 1.4.2022)