Die Busse bewegen sich", sagte Sergej Orlow, der Vizebürgermeister von Mariupol. Die 45 Gefährte sollten die angekündigte kurze Feuerpause nach knapp einem Monat Artilleriebeschuss nutzen, um sich von Saporischschja ausgehend über das russisch kontrollierte Berdiansk in die eingekesselte südukrainische Hafenstadt aufzumachen. Maximal 2000 Menschen, glaubte Orlow, könne man wohl herausholen. Privatautos könnten sich dem Konvoi anschließen.

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Mariupol bietet ein Bild der Verwüstung.
Foto: REUTERS / Alexander Ermochenko

Moskau und Kiew sagten jedenfalls zu, die Feuerpause einhalten zu wollen, das Internationale Rote Kreuz übernahm die Koordination. Alle 20 Kilometer bespreche man die Sicherheitslage mit den Busfahrern aufs Neue, erklärte Orlow. Dass sich Wladimir Putins Ziele künftig vermehrt auf den Osten und Süden der Ukraine beschränken könnten, dafür würde zumindest die begonnene Umstrukturierung von Truppen und Gerät weg von Kiew in Richtung Donbass deuten.

Auch dass Russland die Verlängerung der OSZE-Beobachtermission in der Ostukraine blockiert, die bis kurz nach Kriegsbeginn die Waffenstillstandslinie zwischen staatlichen Truppen und separatistischen, pro-russischen Rebellen überwachte, spricht für eine bevorstehende weitere Eskalation im Osten. 20 Prozent der Streitkräfte rund um die Hauptstadt wären bereits in den Osten des Landes abbeordert worden, hieß es aus dem Pentagon. Der Druck auf Kiew bleibe aber aufrecht, warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg anlässlich der Präsentation des Jahresberichts des Verteidigungsbündnisses. Er rechne mit noch mehr Angriffen und viel Leid, so Stoltenberg.

Referenden geplant

Rund 400 Kilometer westlich von Mariupol, in der eroberten Großstadt Cherson, soll laut ukrainischen Infos ein "Referendum" über die Errichtung einer moskaufreundlichen "Volksrepublik" vorbereitet werden. Und in der südkaukasischen, von Georgien abtrünnigen Region "Südossetien" soll gleich über den Beitritt zu Russland abgestimmt werden, verkündete der lokale Machthaber Anatoli Bibilow.

Für einen vorübergehenden Waffenstillstand in der Ukraine seien die Bedingungen jedenfalls noch nicht reif, habe Russlands Präsident Putin dem italienischen Premierminister Mario Draghi in einem Telefonat klargemacht. Für ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj brauche es überhaupt einen Entwurf zum Verhandeln, hieß es.

Selenskyj weilte am Donnerstag via Liveschaltung in den Parlamenten Australiens und der Niederlande und forderte dort neue Sanktionen und ein Ende der Handelsbeziehungen sowie Energieimporte aus Russland. Den russischen Befehlshabern legte er auch gleich einen Umzug in die Niederlande nahe – nach Den Haag, wo gegen Kriegsverbrecher prozessiert wird.

Westliche Geheimdienste beharren indes darauf, dass Putin von seinen engsten, aber ängstlichen Beratern falsch über den Kriegsverlauf informiert werde. Das schüre laut US-Informationen gar tiefe Spannungen zwischen dem Oberbefehlshaber und seinen Offizieren.

Man verstehe weder Putin, die Mechanismen oder "den Stil unserer Arbeit", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dazu. Dieses "völlige Missverständnis" sei schade und besorgniserregend, warnte er. Es könne zu "leichtsinnigen und folgenschweren Entscheidungen" führen. (Fabian Sommavilla, 31.3.2022)