Handelt es sich hierbei um einen Rechenrochen? Seine Verwandten im Experiment konnten offenbar einfache Aufgaben nach etwas Training lösen.
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Nicht jeder kann von sich behaupten, eins und eins zusammenzählen zu können. Buntbarsche und Stachelrochen sind dazu jedoch in der Lage, wie eine aktuelle Studie der Universität Bonn zeigt: Den Experimenten zufolge können die untersuchten Tiere im Zahlenraum bis fünf addieren und subtrahieren. Die Studie ist bereits am 31. März in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" erschienen, disqualifiziert sich also für einen Aprilscherz.

Die Bonner Zoologin Vera Schlüssel ließ beide Arten einfache Additionen und Subtraktionen vornehmen. "Dabei mussten sie einen Ausgangswert um eins erhöhen oder vermindern", erklärte Schlüssel. Dazu nutzten sie und ihr Team bereits bei anderen Tierarten erprobte Methoden zum Test der mathematischen Fähigkeiten: Forschung an Bienen etwa hat bereits gezeigt, dass sie auf diese Weise auf die Lösung einfacher Rechnungen trainiert werden können – und sie öfter, als es der Zufall erlauben würde, richtig liegen.

Gutes Zahlenverständnis

Schlüssel und ihr Team zeigten den Fischen eine Ansammlung geometrischer Formen, etwa vier Quadrate. Wenn diese blau gefärbt waren, bedeutete das "addiere eins". Gelb gefärbte Quadrate bedeuteten "subtrahiere eins". Danach seien die Aufgaben ausgeblendet und den Tieren neue Abbildungen gezeigt worden – eine mit fünf und eine mit drei Quadraten. Schwammen sie zum richtigen Bild – also bei der Addition von vier und eins zu den fünf blauen Quadraten –, wurden die Fische mit Futter belohnt. Bei der falschen Antwort bekamen sie nichts.

Sind die geometrischen Formen blau, muss eins dazugezählt werden, gelbe stehen für Subtraktion.
Foto: Esther Schmidt

Um zu testen, ob die Fische ihre Erkenntnis auch auf neue Aufgaben anwenden konnten, veränderten die Forschenden ihre Aufgaben nach der Lernphase. Dabei habe sich gezeigt, dass die Fische nun meistens auch die Aufgaben drei plus eins und drei minus eins lösen konnten. Auch in einer Kombination mehrerer geometrischer Formen wie Quadrat, Dreieck und Kreis hätten die Fische richtig gerechnet.

Das Klassenzimmer eines Stachelrochens: So testete die Forschungsgruppe, wie es um die Rechenkünste von Rochen bestellt ist. Durch eine herabsinkende Schiebetür lässt sich der Einblick in den Nebenraum sperren. Dort werden Karten mit farbigen geometrischen Formen gezeigt – das Tier muss zeigen, wann die "richtige" Antwort erscheint.
Foto: Schlüssel et al. 2022

Unterschätzte Tiere

Die Forschenden waren auch deshalb von der Leistung der Barsche und Rochen überrascht, weil diese keine Großhirnrinde haben. Dieser Gehirnteil ist beim Menschen für die meisten komplexen kognitiven Aufgaben zuständig. Außerdem sei auch nicht bekannt, dass die beiden Fischarten ein gutes Zahlenverständnis in ihrem Alltag benötigen. Andere Arten müssen vielleicht darauf achten, dass ihre Sexualpartner die richtige Streifenzahl haben.

Studienleiterin Schlüssel sieht in dem Ergebnis ihrer Arbeit eine Bestätigung dafür, dass der Mensch dazu neige, andere Spezies zu unterschätzen. Insbesondere bei Tieren wie Fischen, die auch nicht durch weiches Fell oder Gefieder bei Menschen punkten können, prägt das die Art des Zusammenlebens. Dabei zeigen sie – und auch beispielsweise Oktopoden – oft erstaunliche Fähigkeiten, die vielen Menschen gar nicht bekannt sind. "Entsprechend wenig scheren wir uns darum, wenn sie etwa im industriellen Fischfang qualvoll verenden", sagt Schlüssel. (APA, red, 1.4.2022)