Im Gastblog macht Autor Christian Kreil einen Rundblick, warum in Österreich Wissenschaftsfeindlichkeit kein kleines Phänomen ist. 

Die Sciene Busters sollen es richten. Weil die österreichische Bevölkerung im europaweiten Schnitt ein dramatisch geringes Vertrauen in die Wissenschaft hat, kündigt Minister Martin Polaschek (ÖVP) ein Maßnahmenpaket an. Wissenschafter sollen in Schulen geschickt, politische Bildung und Medienkompetenz gestärkt und die Kabaretttruppe rund um Martin Puntigam in das Programm eingebunden werden. Was tunlichst nicht thematisiert wird: Der schludrige Umgang von Politik und Kammern mit Geschäftemacherei, die auf antiwissenschaftlicher Gaunerei beruht. Ein Rundblick.

Ein Bundesverdienstkreuz für Wissenschaft für: nichts

Man muss es einfach erneut erwähnen. Im Jahr 2001 wurde dem ehemaligen Tiroler Tankwart Johann Grander von der Republik Österreich das "Bundesverdienstkreuz für Wissenschaft" verliehen. Grander hatte einige Jahre zuvor die grandiose Idee, Wasser zu "beleben" und eine dementsprechende "Technologie" zu vermarkten. Die Technologie ist ungefähr so plausibel wie meine Behauptung, wonach ich mit dem rituellen Aufblasen eines alten Fahrradschlauches in meiner Badewanne den Vulkan Krakatau in Indonesien zum Ausbruch bringen kann.

Notabene, und das ist der wahre Skandal: Ein Antrag auf Aberkennung des Ordens für den Tiroler Wasserbeleber wurde sieben Jahre später durch Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) abgelehnt. Wir lernen: Wenn es politisch passt, geht in Österreich auch der Zauberer Tintifax als Wissenschafter durch. 

Mit viel "Nichts" machen auch Ärzte Geschäfte

Grander belebt ebenso wenig Wasser wie Homöopathie Krankheiten heilt. Während Grander lediglich Bobos mit einem Spleen für sinnlose Extravaganz das Geld aus der Tasche zieht, spielt Homöopathie mit der Gesundheit von Patienten. Die Verantwortlichen wissen natürlich vom Humbug und dem offenkundigen Betrugsmodell der Homöopathie, sie nehmen aber Zuflucht bei der Pragmatik: Der Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres brachte das unlängst gegenüber dem Magazin "Dossier" auf den Punkt: "Wir wollten verhindern, dass Homöopathie und Ähnliches von Nichtärzten angeboten wird."

Dass die Ärzte um Ihre Marktanteile kämpfen, ist zwar verständlich. Dass die Politik wegsieht, wenn das abseits der Wissenschaft passiert, befremdet. Für Installateure scheinen jedenfalls strengere Regeln als für die hohe Schule der Medizin zu gelten. Was würde mit dem Innungsmeister passieren, wenn er verteidigt, dass der Installateur dem Kunden bei einem Service der Gastherme auch mal rein spirituelle Dichtungen montiert? Weil ansonsten die Kunden beim Installations-Schamanen Zuflucht nehmen würden? 

Hinter Homöopathie lauert das große Geschäft.
Foto: Getty Images/iStockphoto/YakubovAlim

Doktorspiele für Schulabbrecher 

Es wäre allerdings nicht Österreich, würde das streng regulierte Gewerbewesen nicht auch eine eigene Sparte für Humbug führen. Das Gewerbe des "Humanenergetikers" wird von der Wirtschaftskammer so umrissen: Die Tätigkeit am Menschen sei etwa mit "Pendeln" oder mit "Spiritualität", mit "Numerologie" oder mit "sanften Körperberührungen" möglich. Der Zusatz "sanft" ist wichtig, um nicht mit dem Gewerbe der Masseure in Konflikt zu geraten, die fester zupacken dürfen. Noch sanfter ist freilich die Option für den Energetiker, "energetische Fernbehandlungen" durchzuführen. Chapeau Wirtschaftskammer! Das ist ein gelungener Konter im Match gegen die Ärzte, die als "Götter in Weiß" wohl gerne das Monopol auf Zuckerkugel-Kulte und vielen weiteren Humbug hätten.

Das Gewerbe der "Humanenergetik" ist frei, es öffnet auch den Menschen ohne Ausbildung die Option, ein wenig mitzunaschen am Markt für Pseudomedizin. Das ist etwas überspitzt formuliert, denn auch Akademiker fühlen sich dem Gewerbe zugetan. Die amtierende Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), eine studierte Ökonomin, führte ab dem Jahr 2010 einen Gewerbeschein für Humanenergetik. Das geschah lediglich aus Interesse, das Gewerbe habe sie nie ausgeübt. 2018 änderte sich alles: Schramböck ereilte die Berufung zur Wirtschaftsministerin. Und da zählen Zahlen, Daten, Fakten. Ein "Kaufhaus Österreich", das kann man schließlich nicht in der feinstofflichen Ebene realisieren.  

Mit "quantenphysikalischen" Mitteln in die Gecko

In der gegenwärtigen Pandemie hatten und haben wir mit Schwurblern und Wissenschaftsfeinden ein ziemliches Problem. Die Politik signalisiert mit der im Bundeskanzleramt angesiedelten Gecko, dass man auf Experten und Evidenz rund um Maßnahmen, Tests und Impfungen setzt. Ein Mitglied der Experten-Kommission ist Ulrike Mursch-Edlmayr. Die Pharmazeutin hielt in ihrer eigenen Apotheke im Vorjahr ein feines Mittel parat: "quantenphysikalisch informierte Salzlösungen". Diese dienten zur "Ausleitung" von unerwünschten Impfstoffen. Für allzu große Unruhe sorgte das nicht in der Profession der studierten Naturwissenschafter. Soeben wurde Mursch-Edlmayr als Präsidentin der Apothekerkammer im Amt bestätigt. Nebenbei bemerkt: Die Stiftung Gurutest wurde in den letzten Monaten zwei Mal in Disziplinarverfahren der Kammer als Zeuge geladen. In beiden Fällen ging es um Apotheken, die gegenüber Kunden zumindest suggerierten, dass es so etwas wie einen homöopathischen Impfstoffersatz gibt. Abzuwarten bleibt, ob es schlussendlich rechtliche Konsequenzen für die Kammerchefin, ob ihres surrealen Angebots aus der weiten Welt der Quantenphysik, geben wird.

Die Apotheke des Gecko-Mitglieds und der Kammerpräsidentin im oberösterreichischen Sierning schmückt die Bezeichnung "Gesundheitsgreisslerei". Österreichischer geht es kaum. Politik und Kammern haben in den letzten Jahrzehnten mit Verve dafür gesorgt, dass Wissenschaft von der Bevölkerung als Ramschladen wahrgenommen wird, den jeder Scharlatan beliefern und in dem sich jeder Schwurbler bedienen kann. Um das zu reparieren, werden ein paar Zusatzengagements der Science Busters nicht reichen. (Christian Kreil, 8.4.2022)      

Christian Kreil bloggt seit drei Jahren rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Im Vorjahr erschien sein Buch "Fakemedizin".

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