Fünf Jahre Waffenverbot: Jagdleiter Dornauer hat den Stutzen gegen Schaufel und Scheibtruhe getauscht.

Foto: Florian Lechner

Hundestreicheln statt Machosprüche – Dornauers Imagewandel als Bild.

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In der Rolle des Bürgermeisters hat Dornauer zuletzt Erfolge gefeiert.

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Sellrain – Das Gewehr hat Georg Dornauer gegen die Schaufel tauschen müssen. Für den passionierten Jäger sind die fünf Jahre Waffenverbot, die er aufgebrummt bekam, besonders schmerzhaft. Einspruch, um diese Höchststrafe etwas zu senken, habe er trotz hoher Erfolgsaussichten dennoch nicht eingelegt, erzählt er beim Rotwildfüttern in seiner Heimatgemeinde Sellrain, wo er Bürgermeister und Jagdleiter ist. "Sonst heißt es gleich wieder, der Dornauer hat sich’s gerichtet", antizipiert er. Die Posse um sein geladenes Jagdgewehr, das Polizisten im November 2019 im Parkhaus am Flughafen Innsbruck auf dem Rücksitz seines Porsches entdeckt haben, war eine der letzten, mit denen der Tiroler SPÖ-Chef österreichweit für Aufsehen gesorgt hat.

Seitdem ist es ruhig um ihn geworden. Das rote Enfant terrible aus den Bergen hat lange nicht mehr für Negativschlagzeilen gesorgt. Auch der Porsche ist weg, heute fährt Dornauer einen Allerwelts-Audi. Nur der Flakon Chanel Allure in der Mittelkonsole des Wagens erinnert an die Sturm-und-Drang-Zeit. Doch der Landesparteivorsitzende und Klubobmann der Tiroler SPÖ hat keineswegs sein politisches Engagement verloren, er ist vielmehr gereift. Auch äußerlich: Der Haaransatz ist sichtbar grau meliert, der Bart unterstreicht das väterliche Image, das jenes des Spitzbuben – er feierte am 4. März seinen 39. Geburtstag – auch optisch abgelöst hat.

"Der Schorsch" kommt gut an

Seit 2016 ist Dornauer Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Sellrain. In dieser Rolle geht er mittlerweile auf. Sein hemdsärmeliger Skilehrercharme kommt gut an im Ort. Aber "der Schorsch", wie er zu Hause genannt wird, hat auch inhaltlich überzeugt. Wer sich in der Gemeinde umhört, wird kaum Negatives über ihn erfahren. "Das Dorf ist nicht wiederzuerkennen, im positiven Sinn. Das muss man ihm schon anrechnen", erzählen die Damen beim örtlichen Nahversorger, den "der Schorsch" wieder zurückgebracht hat.

Und damit nicht genug, unter Bürgermeister Dornauer passierte viel: Nachmittagsbetreuung und Mittagstisch für die Kinder, leistbares Wohnen als erfolgreicher Anreiz für Zuzug, der Dorfbus für die Älteren, die in unzugänglichen Hanglagen leben, die Mehrzweckhalle für die Vereine und zwei Wasserkraftwerke für die Energiesicherheit. Bei der Runde durchs Dorf präsentiert er stolz, was geschaffen wurde. Selbstredend geht manches zurück auf Planungen seiner Vorgänger, doch Dornauer hat umgesetzt. Er hat als Roter die nötigen Finanzmittel für diese Projekte von den Schwarzen, die in Tirol auf Landesebene alles kontrollieren, lukriert. Das kommt an bei den Leuten. "Mich haben sogar schon ÖVP-Bürgermeister neidisch gefragt, wie ich das geschafft habe", grinst er spitzbübisch.

Bürgermeister in dritter Generation

Als roter Bürgermeister in einer 1400-Seelen-Gemeinde in einem der steilsten V-Täler Tirols zu reüssieren ist ein bemerkenswertes politisches Kunststück. Georg Dornauer hat 2016 in dritter Generation geschafft, woran sein Vater und Großvater gescheitert waren. Bei den diesjährigen Kommunalwahlen am 27. Februar quittierten die Sellrainerinnen und Sellrainer seine Arbeit. Dornauer wurde, ohne Gegenkandidaten, im Amt bestätigt, seine Liste gewann kräftig dazu und hält nun eine satte Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat.

Doch seine Tage im Bürgermeistersessel dürften gezählt sein, denn Dornauer will mehr. Im Februar 2023 stehen in Tirol Landtagswahlen an. Bei der regierenden grün-schwarzen Koalition ortet Dornauer "Endzeitstimmung". Er selbst könne sich eine "Exekutivrolle" auf Landesebene vorstellen, auch wenn er dafür das Bürgermeisteramt aufgeben müsste. Und selbst für die Bundesebene habe er "Ideen und Vorstellungen".

Dass Dornauer als Politiker von der Skandalnudel zum Verantwortungsträger mutiert ist, attestieren ihm auch parteiinterne Kritikerinnen. Gerade unter den SPÖ-Frauen und dem linken Flügel hatte er wenige Fans. Aussagen wie jene in Richtung der damals erkrankten grünen Soziallandesrätin, die er sich "nicht in der Horizontalen vorstellen" wollte, zementierten dieses Bad-Boy-Image. Seine Läuterung beschreibt er so: "2019 war ein Skandaljahr, daran gibt es nichts schönzureden. Das war manchmal auch lustig, aber heute überwiegt, was ich daraus gelernt habe."

Bekanntheit ist nicht alles

Die beiden Pandemiejahre nutzte er, um sein Image zu ändern. Beim Landesparteirat Anfang 2020 präsentierte er den überraschten Genossinnen und Genossen seinen umfassenden Plan für einen Kulturwandel in der Tiroler Politik. "Ihm wurde klar, dass es nicht nur wichtig ist, bekannt zu sein, sondern wofür man bekannt ist", erzählen Partei-Insider. Dornauer hat seine Dissertation zum Thema "Ursachen und Hintergründe für die Hegemonie der ÖVP in Tirol" verfasst. Genau dort will er nun politisch ansetzen. Vom nachhaltigen Tourismus, Kooperationen auf kommunaler Ebene, Ideen für Pflege, Bildung und Soziales reicht sein Programm. Dornauer will damit in Regierungsverantwortung, heißt es parteiintern.

Auch auf Bundesebene hat er eine Wandlung vollzogen. Einst dem rebellischen Doskozil-Flügel zugerechnet, stellt sich der Tiroler mittlerweile wie ein Fels hinter seine Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. "Sie war schon mehrmals zu Besuch bei uns in Sellrain", betont er stolz. Querschüsse des burgenländischen Landeshauptmannes verurteilt er heute: "Hans Peter Doskozil leistet im Burgenland hervorragende Arbeit. Aber er hat sich aus allen Bundesgremien verabschiedet, dann sollte er auch aufhören, von außen zu kommentieren." Dornauer selbst ist seit 2019 Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstands sowie des Bundesparteipräsidiums.

Wie bei der Jagd hat Dornauer auch politisch das Gewehr gegen die Schaufel getauscht. Statt auf Querschüsse setzt er auf konstruktive Arbeit. Ob er sich erneut selbst eine Grube gräbt, wird die Zukunft zeigen. (Steffen Arora, 6.4.2022)