Backstage in Rimini: ein in die Jahre gekommener Entertainer (Michael Thomas) auf dem Weg zur Arbeit, die da heißt Vergnügen.

Foto: Stadtkino Verleih

Italienisch ist eine Sprache mit vielen Selbstlauten. Nehmen wir nur den Namen Rimini. Drei Silben, maximal effizient auf sechs Buchstaben konzentriert, und gleich drei Mal ein i-Tüpferl drauf. Von den Selbstlauten könnte man direkt auf Selbstbewusstsein schließen. Was aber, wenn einer das Italienische als Fremdsprache spricht? Einer wie Richie Bravo, der auf der Spur der Schlager und über die Strada del Sole nach Rimini gekommen ist, wo er als Entertainer eine Existenz hat. Oder eher ein Ausgedinge.

Stadtkino Filmverleih

Im Sommer ist Rimini vermutlich der Wahnsinn, im Winter kann es aber ganz schön trostlos werden. Richie Bravo ist einer, der auch im Winter singt. Ein Saisonarbeiter quasi, der auch noch weitere Formen der Bespaßung pflegt. Mit seiner Mähne, seiner Wampe, vor allem aber mit seinem Organ macht er immer noch so viel her, dass er zumindest älteren Damen das schlagerselige Herz erwärmt. Und auf Wunsch oder Bestellung gibt es auch noch weitere Liebesdienste.

Ulrich Seidl gilt als ein Meister der Trostlosigkeit. Er schafft es immer wieder, Wirklichkeiten so aussehen zu lassen, als wären sie ihre eigene Karikatur. Sein neuer Film Rimini schließt in vielerlei Hinsicht bei seinem früheren Werk an. Hauptdarsteller Michael Thomas hatte in Import Export (2007) eine seiner wichtigsten Kinorollen. Das Thema käuflicher Sex zieht sich bei Seidl durch, so verwundert es nicht, wenn sich Rimini bei Richie Bravo auch ein bisschen auf Gigolo reimt.

Fragen einer Frau

Dass bei Seidl alles tendenziell zu einer Inszenierung wird, wird in Rimini allerdings einer Kritik unterzogen, die durchaus neue Aspekte erkennen lässt. Denn Richie Bravo wird mit einer jungen Frau konfrontiert, die ihm Fragen nach Verantwortung und nach einem Leben jenseits der Show stellt. Das ambivalente Vergnügen an einer Figur, die zugleich Star und Kasperl ist, wird gebrochen in Momenten einer zumindest angedeuteten Reflexion.

Weniger überzeugend sind einige dramaturgische Vorentscheidungen. Richie Bravo ist, so kann man es deuten, vor einem harten Vater nach Italien geflohen. Hans-Michael Rehberg spielt in seiner letzten Rolle diesen Patriarchen mit zwei Söhnen, der noch aus der Demenz heraus faschistisches Zeug verbreitet. Richie Bravo und sein Bruder Ewald (Georg Friedrich) stammen aus der österreichischen Schuldgeschichte – zu Ewald wird es unter dem Titel Sparta einen weiteren Film geben. Insgesamt ist Rimini also der eine Flügel eines Diptychons, das empfiehlt, mit der Einschätzung noch ein wenig zu warten.

Dass mit Richie Bravo ein ausgeprägtes Männerkörperbild auch auf schwarz gekleidete, weitgehend ins Abstrakte verschobene Geflüchtete trifft, die in Rimini auf dem Weg nach Europa gestrandet sind, bleibt dagegen leeres Zeichen. Und Seidl bleibt mit diesem Werk irgendwie auch auf halber Strecke zwischen Werkrecycling und neuem Aufbruch hängen. (Bert Rebhandl, 6.4.2022)