In Schutzanzügen wird in Schanghai Essen an die Bewohner verteilt – das funktioniert aber nur bedingt.

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Verwirrung, Chaos, Ärger – das sind derzeit die vorherrschenden Emotionen bei den rund 25 Millionen Einwohnern von Schanghai. Zweimal vier Tage, hatte es geheißen. Zunächst hatte am Montag vor einer Woche der Ostteil der Stadt, Pudong, in einen strikten Lockdown gehen müssen. Ab vergangenem Freitag war dann der Westteil Puxi dran. Stattdessen herrscht nun seit Freitag eine strikte Ausgangssperre in der gesamten Stadt. Wie lange? Niemand weiß es, die Behörden schweigen sich aus und testen und testen.

13.345 Neuinfektionen wurden am Montag gemeldet – nur 268 von ihnen zeigten überhaupt Symptome. Trotzdem müssen sich alle in eilig errichtete Quarantäneeinrichtungen begeben. Aufnahmen davon werden schnell zensiert, aber einige schaffen es doch täglich ins freie Internet. Zu sehen sind dort Hallen mit tausenden aneinandergereihten Betten. Dort sollen diejenigen, die positiv auf das Virus getestet wurden, von den Gesunden abgesondert werden. Immer wieder kommt es zu Protesten wegen der hygienischen Bedingungen – Duschen gibt es oft keine – und schlechten Verpflegung.

Lieferdienste rasch ausgebucht

Nahrung und Trinkwasser sind mittlerweile für viele Einwohner Schanghais ein Problem geworden. Die wenigen verbliebenen Lieferdienste sind nach Öffnung sofort ausgebucht. Die Regierung verteilt unterdessen täglich Plastiksackerln mit Gemüse und etwas Fleisch, die an den Eingängen der Wohngebäude abgeliefert und verteilt werden.

Das aber scheint nicht gut zu funktionieren. Bei vielen kommen die Nahrungsmittel verspätet oder gar nicht an. Und beim Trinkwasser scheiden sich die Geister an der Frage, ob das Schanghaier Leitungswasser trinkbar ist oder nicht. Immer wieder ist von darin enthaltenen Schwermetallen die Rede. Wer es sich leisten kann, kauft deswegen meist abgefülltes Wasser – das aber ist Mangelware.

Eltern von Kindern getrennt

Belastend ist die Situation auch für zahlreiche Haustierbesitzer. Da nicht einmal Gassigehen erlaubt ist, bekommen viele Hunde gesundheitliche Probleme. Die meisten Sorgen haben wohl derzeit junge Eltern. In den vergangenen Tagen wurden mehrfach Kinder von ihren Eltern getrennt, weil diese oder die Eltern positiv getestet worden waren – manche von ihnen waren keine drei Jahre alt. Nach immer mehr Protesten gegen das Vorgehen machte die Stadtregierung zunächst einen Rückzieher. Die brisante Botschaft dahinter aber lautet: Eltern und Kinder könnten zusammenbleiben, sofern alle positiv seien.

Die Stimmung in der ausländischen Community wird zudem immer angespannter. Das französische Konsulat machte eine Umfrage unter den verbliebenen Landsleuten, ob diese evakuiert werden wollten. Auch unter den deutschen Expats tauchte diese Frage auf. Die Zahl der Ausländer in Schanghai hat sich seit Beginn der Pandemie halbiert.

Angst massiv geschnürt

Unterdessen gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Regierung von ihrer rigorosen Zero-Covid-Strategie abrückt. Nachdem die stellvertretende Premierministerin Sun Chunlan am Montag die Stadt besucht hatte, hat die Zentralregierung auch die Seuchenbekämpfung der Stadtverwaltung übernommen. Unter Präsident Xi Jinping wurde in den vergangenen Jahren die Angst und Panik vor einer Corona-Infektion massiv geschürt, und gleichzeitig auf vermeintlich chaotische Zustände im Ausland verwiesen.

Gleichzeitig schottete sich China rigoros vom Ausland ab, sodass das Leben größtenteils normal weiterlief. Mit der milden, aber sich schnell ausbreitenden Omikron-Variante ist diese Strategie gescheitert – für die Partei aber bleibt es schwierig, dort gesichtswahrend herauszukommen. (Philipp Mattheis, 6.4.2022)