Olaf Scholz zeigte sich vom Abstimmungsergebnis im Bundestag enttäuscht.

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Wenige Stunden nach seiner ersten Niederlage als Kanzler sah Olaf Scholz die Dinge recht nüchtern. "Es gibt im Bundestag keine Gesetzgebungsmehrheit für eine Impfpflicht", stellte er am Donnerstagabend, nach einem Treffen mit den Regierungschefs der 16 Länder, fest. Das hatten Scholz sowie andere Befürworterinnen und Befürworter der verpflichtenden Impfung gegen Corona kurz zuvor frustriert bei der Abstimmung im Bundestag selbst beobachten können: Dort war ein Gesetzesentwurf für eine Impfpflicht ab 60 Jahren gescheitert.

Er war vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen unterstützt worden, auch von Scholz und vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Und dieser Entwurf war ohnehin schon ein Kompromiss gewesen: Ursprünglich hatte Scholz für eine Impfpflicht ab 18 Jahren plädiert, doch damit konnte sich vor allem die FDP in der Ampelkoalition nicht anfreunden. Nun kommt gar keine Impfpflicht, was Scholz bedauert: "Ich bin unverändert davon überzeugt, dass es richtig wäre, wir hätten eine Impfnachweispflicht in Deutschland." Aber einen zweiten Anlauf soll es nicht geben, denn mit der Entscheidung im Bundestag sei eine "sehr klare Aussage des Gesetzgebers" getroffen worden.

Lauterbach in Erklärungsnot

Ernüchtert ist auch Lauterbach. "Das, was wir an Lockerungen machen konnten, haben wir verbraucht", sagte er am Freitag in Berlin. Es gebe nun "keinen Spielraum" für weitere Schritte. Mit "großer Wahrscheinlichkeit" werde es im Herbst zur Wiedereinführung der Maskenpflicht kommen. Lauterbach will nun die Werbung fürs Impfen verstärken und sagt: "Da müssen wir noch einen kreativen Aufschlag machen." Es gehe um jene, die sich bisher nicht hätten impfen lassen, aber im Prinzip dazu bereit seien.

Lauterbach ist in den vergangenen Tagen selbst schwer in Kritik geraten. Zunächst hatte er erklärt, die Isolation bei einer Corona-Erkrankung werde ab 1. Mai nur noch freiwillig sein, nicht mehr verpflichtend. Dies, so Lauterbach, diene der Entlastung der Behörden: "Hier geht es einzig und allein darum, die total überlasteten Gesundheitsämter so neu zu strukturieren, dass sie die Arbeit machen können, die jetzt am wichtigsten ist."

Nach heftigem Protest ruderte Lauterbach allerdings zurück und verkündete die Kehrtwende in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. Er werde die Freiwilligkeit "wieder einkassieren", sagte er. Denn es wäre ein "verheerendes Signal", wenn ein Infizierter "selbst entscheidet, ob er zu Hause bleibt oder nicht". Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) nennt dieses Vorgehen "kurzatmig" und erklärt: "Diese Art der Politik – rein und raus, vor und zurück, über Talkshows anzukündigen, was man macht und was man zwei Tage später wieder nicht macht –, den Weg gehen wir nicht mit." (Birgit Baumann aus Berlin, 8.4.2022)