Kritik und Reformen zur Media-Analyse.

Foto: Harald Fidler

Wie viele Menschen lesen welche Tageszeitung täglich, welche Wochenzeitung und welches Magazin wöchentlich oder monatlich?

Diese Frage beantwortet die Media-Analyse zweimal im Jahr. Die Umfrage ist die größte Printreichweitenstudie in Österreich mit mehr als 15.000 Interviews pro Jahr. 2021 haben die österreichischen Tageszeitungen demnach täglich rund 4,2 Millionen Leserinnen und Leser erreicht. Das entspricht einer Reichweite von 55,4 Prozent. 2020 kamen noch 58,3 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren mit einer Tageszeitung in Kontakt. Damit liegt eine Veränderung außerhalb der Schwankungsbreite gegenüber dem Vorjahr vor – der Rückgang ist also signifikant.

DER STANDARD entwickelte sich gegen den Trend

Wenngleich sich die österreichische Branche damit international in bester Gesellschaft befindet, sind das insgesamt wenig erfreuliche Nachrichten. So mussten zahlreiche Titel des Landes laut den Anfang April veröffentlichten Daten zum Teil sogar signifikante Verluste hinnehmen. DER STANDARD entwickelt sich als einzige Tageszeitung gegen den allgemeinen Trend und kam 2021 auf 7,2 Prozent Tagesreichweite (2020: 7,0 Prozent).

Als Reaktion auf die jüngsten Ergebnisse kam prompt Kritik an der Media-Analyse selbst. VÖZ-Präsident und Styria-Manager Markus Mair sagte etwa zuletzt im "Horizont", er sehe "großen Reformbedarf" bei der Media-Analyse. "Kurier"-Geschäftsführer Thomas Kralinger vermutete im Branchenblatt "Medianet", viele Befragte würden nicht unterscheiden, ob sie Artikel in Print oder online lesen. "Tele"-Geschäftsführer Hans Metzger hält die Fragebögen für "viel zu lang". Für VGN-Eigentümer Horst Pirker misst die Media-Analyse mit "weit überschießendem Aufwand. Was genau, weiß längst niemand mehr." Sowohl VGN als auch "Kurier" sind im Vorstand des Vereins der Media-Analyse – Helmut Hanusch von "News" als Präsident, Kralinger als einer der Vizepräsidenten.

Reform 2019

Reformen hat die Media-Analyse bereits einige hinter sich. Seit Mitte 2017 fragt sie etwa dezidiert nach der E-Paper-Nutzung. Seit 2019 präzisiert sie diese Frage und definiert E-Paper als "völlig gleiche elektronische Kopie der Printausgabe", "nicht die Internetseite einer Zeitung/Zeitschrift".

Die Frage nach den Zeitungen, die man "in der Hand gehabt hat, um sie zu lesen oder durchzublättern", heißt im Wortlaut so: "Denken Sie daran, es geht sowohl um die auf Papier gedruckte wie auch um die elektronische Ausgabe, das sogenannten E-Paper. Das E-Paper ist die völlig gleiche elektronische Kopie der Papierausgabe und hat auch die gleichen Inhalte. Das E-Paper sieht so aus wie die gedruckte Ausgabe und wird z. B. auf dem Computer, Smartphone, Tablet etc. gelesen. Es handelt sich dabei NICHT um die Internetseite (bzw. Homepage/Website) einer Zeitung/Zeitschrift."

Arbeitsgruppe arbeitet Reformen aus

Diese Präzisierung dürfte sich auf die Angaben über die Zeitungsnutzung ausgewirkt haben, insbesondere beim online sehr stark genutzten STANDARD, wie Kritiker der Media-Analyse vermuten. STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker entgegnet auf die Kritik: "Die Media-Analyse misst für alle gleich, somit gehe ich davon aus, dass die Ergebnisse für alle gleich richtig bzw. gleich falsch sind. Insofern würde ich davon ausgehen, dass man definitiv aus den Ergebnissen die Verhältnisse der einzelnen Titel zueinander ablesen kann."

Innerhalb der Media-Analyse beschäftigt sich seit zwei Monaten eine Arbeitsgruppe mit einer Reform. Sämtliche Print-Mitglieder der Media-Analyse wurden eingeladen, an der Reformgruppe mitzuwirken. In Summe sind das 13 Personen, die sich teils aus der Führungsebene, teils aus Fachbereichen, teils aus den Marktforschungsabteilungen zusammensetzen. Sie behandelt Fragen zu Nutzungsmöglichkeiten, Treffsicherheit und Methodik nach deutschem und schweizerischem Vorbild und soll 2023 Ergebnisse bringen. Maximilian Dasch, Geschäftsführer der "Salzburger Nachrichten" und Mitglied der Reformgruppe, will auf STANDARD-Anfrage nicht näher auf Details eingehen, nur so viel: "Die Media-Analyse ist die bedeutendste Studie zur Messung von Printreichweiten in Österreich – ich bin mir sicher, dass sie auch die aktuellen Fragen der Zeit und daraus resultierende Rückschlüsse professionell und zukunftsorientiert erarbeiten und ziehen wird." Die Reformarbeit sieht er auf "einem längeren Weg", von dem "ein Drittel" bewältigt sei. (Doris Priesching, 12.4.2022)