Es herrscht ein Wetterchen zum Eierlegen, als wir den Biohof des Ehepaares Markus und Katharina Sandbichler-Mühlparzer in Wien-Oberlaa besuchen, äußerster südlicher Wiener Stadtrand, hinter den Bäumen dreht sich ein Windrad. Der Prentlhof ist ein 300 Jahre altes Gebäude mit 67 verstreuten Hektar Grund, früher wohnten hier irgendwelche Adelige, eventuell sogar Verwandte von Metternich. Genaues weiß man aber nicht.

Sicher hingegen ist, dass bis 2003 links und rechts in den Stallungen 500 Schweine standen, um die sich Markus Sandbichlers Eltern kümmerten. "Das war aber viel zu viel Arbeit, und der Lohn war teilweise sehr gering", sagt seine Mutter. "Um Punkt sieben Uhr früh, wenn da wer durchgegangen ist, ging es los mit dem Geschrei." Die Schweine standen auf heute unüblichen Strohböden, von denen die neue Generation Schweine gar nichts mehr weiß. Die Ställe mussten jeden Tag in der Früh ausgemistet werden, was nie unter zweieinhalb Stunden Arbeitszeit zu machen war. Bei Tiefdruckwetter kriegten die Nachbarn den Gestank der Schweinegülle in die Nase, und dann war da auch noch der Ferkelbetrieb, was bedeutete: "Die Ferkel kamen verlässlich immer mitten in der Nacht oder am Sonntag zur Welt." Oder dann, wenn Frau Sandbichler, die Theaterabos für die Burg, für Baden oder die Volksoper hatte, nach der Vorstellung nach Hause kam.

Österliches Willkommen im Eierparadies auf dem Prentlhof.
Foto: Heribert Corn

Ihre Freundinnen wussten also, dass sie oft noch in der Abendgarderobe in den Stall musste, um den Sauen bei der Geburt zu helfen. Diese hätten am Ende mehr Ferkel werfen müssen, als sie Zitzen hatten, um den Betrieb wirtschaftlich zu führen. 2003 verkaufte sie alle Maschinen und sagte zum Buben, dass er was Gscheites lernen soll. Der heute 40-Jährige versuchte sich also zunächst als Eisschnellläufer und brachte es dabei sogar zu zwei Staatsmeistertiteln, bis er sich zweimal die Wadln aufschnitt mit den Kufen der eigenen Schlittschuhe, und das war es dann mit dem Traum von Olympia. Er schrieb sich doch noch auf der Boku ein, wo er seine heute 33-jährige Frau Katharina traf, deren Großmutter eine Subsistenzwirtschaft in der Steiermark führte, und die Cousine führte eine richtige in Bayern. Nach der Matura absolvierte sie ein freiwilliges ökologisches Jahr auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, und danach wusste sie: Das ist es für mich!

"Lohmann Brown Classic", so nennt sich der "Ferrari" unter den Henderln. Leistung: 320 Eier in zwölf Monaten.
Foto: Heribert Corn

Männer als ziemliche Gockel

Ohne natürlich zu wissen, was genau da auf sie zukommen würde, denn die Skepsis denen gegenüber, "die nicht von einem Betrieb kommen", wäre auf der Boku natürlich sehr groß, und als Frau werde man sowieso immer noch schräg angeschaut. "Das ist schon eine Männerdomäne", lacht sie, "und die Männer sind in diesem Business gerne ziemliche Gockel."

2016 fingen sie dann gemeinsam an, doch wieder auf dem Hof zu arbeiten, mit einem Traktor und einem Grubber. Sie stellten einen kleinen Henderlstall auf, und während einer zweijährigen Testphase klopften immer mehr Nachbarn ans Tor des Hofes und wollten gute Eier kaufen, von denen sie wussten, dass die legenden Henderln glücklich lebten. Also stallten sie schließlich "den Ferrari unter den Hybriden" ein, die Henne "Lohmann Brown Classic" mit einer Legeleistung von durchschnittlich 320 mittelgroßen braunen Eiern in zwölf Monaten, die sich sowohl für die konventionelle als auch die Freilandhaltung eignet. Natürlich gebe es auch alte Rassen, sagt Katharina, aber mit denen komme man nie auf eine Menge, mit der man wirtschaftlich arbeiten könne.

Die Nachfrage nach Eiern sei schließlich enorm, weiß auch Michael Wurzer vom Geflügelverband. Durchschnittlich esse jeder Österreicher 235 Stück pro Jahr, allein sieben bis neun um Ostern herum, wenn österreichweit 90 Millionen Eier verkauft würden. Wiens berühmteste Konditorei Demel braucht das ganze Jahr über circa 3.100 Eier pro Tag für Kaiserschmarrn, Torten und Süßspeisen. Und der Figlmüller, Wiens stark nachgefragter Schnitzelwirt, braucht, so Geschäftsführer Harald Prochazka, bis zu 20.000 Eier pro Monat nur am Standort Bäckerstraße in der Innenstadt für die Volleierpanier. Und da werden die Eier nicht knapp, wie es jetzt überall heißt? Sein Zulieferer, lacht er, rede zwar schon seit Jahren davon, dass es irgendwann einmal eng werden könnte. "Aber bis jetzt funktioniert noch alles", und der Gast bekommt verlässlich seine Schnitzerln in der Panier.

Katharina und Markus Sandbichler machen ihre Vorstadthühner glücklich.
Foto: Heribert Corn

Auf dem Prentlhof bedienen sie die Nachfrage ihrer Ab-Hof-Kundinnen und Kunden mit knapp unter 1.000 Hennen, die in zwei autarken Mobilställen mit Herden von jeweils 350 Hennen und einem fixen Stall mit einer etwas kleineren Herde gehalten werden. Die kleinen Eier vermarkten sie im "Eikilo", einer praktischen Tragetasche mit Jauseneiern für Kinder, die sehr beliebt ist. Ansonsten legt der Automat, den sie wegen starker Nachfrage angeschafft haben, klassisch zehn Eier der Größe M, nachdem man ihn mit Münzen, Scheinen oder der Karte gefüttert hat. Circa 500 Eier pro Tag gehen so pro Tag raus. Die "Ferraris" sind 18 Wochen, wenn sie auf den Hof kommen, und bleiben bis zum 18. Lebensmonat. Ab der 21. Lebenswoche ungefähr fangen sie an zu legen, die drei Wochen bis dahin sind sie "am Übergang vom Teenager zur jungen Frau", sagt Katharina.

In der oberen Etage des Stalles machen die Henderln es den Vögeln nach und praktizieren das "Aufbäumen", sitzen dort nicht auf Ästen, sondern auf Sitzstangen und büseln nachts vor sich hin. Nach dem Einstallen achtet das Ehepaar darauf, dass die Henderln das Aufbäumen lernen, ansonsten wäre der Boden als Schlaf-, aber auch Legestelle zu verlockend, was schmutzige Eier bedeuten würde. Ab drei Uhr wird über ein Futterband das erste Mal gefüttert, jedes Hendl frisst circa zwölf Dekagramm pro Tag, und ab Sonnenaufgang wird über den "Lichtreiz" das Legen der Eier stimuliert, die sich dann in den Legenestern sammeln. Im unteren Bereich der Ställe vergnügen sich die Hennen im Scharrraum.

Ei, ei, ein Doppeldotter!

Markus bringt ein frischgelegtes, noch feuchtes und warmes XL-Ei. "Es gibt sehr fruchtbare Hennen", erklärt seine Frau diese Laune der Natur, "da schließen sich zwei Eier zusammen, und man hat meistens zwei Dotter und ungefähr die Menge zweier Eiklar." Das wolle man in der Regel aber nicht, weil man ja gesunde Hühner möchte. "Je stärker eine Henne aber dazu neigt, solch große Eier zu legen, desto größer ist die Gefahr von Verletzungen." Man dürfe nämlich nicht vergessen: Ein Ei zu legen sei für die Henne durchaus eine Leistung, und bei großen Eiern bestehe die Gefahr, dass der Eileiter verletzt werde oder sich bei der Kloake Risse bildeten. Da Hühner zum Kannibalismus neigten, würden verletzte Tiere oft Opfer von pickenden Hennen. "Und tote Tiere im Stall sind jedes Mal ein Schreckmoment", sagt Katharina. Aber auch Räuber seien eine ständige Gefahr. Von oben Habicht und Sperber, auf dem Boden Fuchs und Marder. "Wenn der Marder zehn Henderln tötet, ist nicht nur das angeschaffte Huhn weg, sondern es gibt auch 300 vermarktungsfähige Eier pro Monat weniger."

Man merkt Katharina den Ärger über den Räuber an, "weil der oft einfach die Henderln ohne Kopf liegen lässt, also nur ein Mörder ist, wohingegen der Fuchs das Henderl wenigstens mit in den Bau zu den Jungen nehme, wo sie es dann fressen." Zu Ostern würden die Kundinnen und Kunden verstärkt Eier mit weißer Schale nachfragen, welche die Hybridlinie "Sandy" liefern könnte, aber nicht zuletzt wegen der besseren Deckung vor den Räubern zieht sie hier ihre Braunen vor.

Henderlwohlfühlfaktor

Jedes weidende Tier übe auf Menschen eine Anziehung aus, sagt sie. "Wenn ich sehe, es geht ihm gut, geht es mir selbst auch gut." Die Eier einzusammeln sei "medit-ativ und entschleunigend", vorsichtig suche sie die zerbrechlichen Stücke im "Familiennest" und schaue gleichzeitig, ob die Tiere gesund und zufrieden seien oder hungrig und hysterisch. Hühner seien sehr intelligent und müssten ständig beschäftigt werden, damit sie sich nicht auch aus Langeweile an den Artgenossinnen vergehen. Daher streuen sie unten im Scharrraum Stroh ein, in dem sie nach Weizenkörner suchen können.

Um Ostern herum beginne auch für die Henderln die schönste Zeit, wenn es noch nicht zu warm sei und sie keinen Hitzestress hätten, wenn sie bald mit dem mobilen Stall aufs Feld fahren könnten, wo die Tiere eine Kleegrasmischung vorfänden. Dort rennen sie herum, scharren und suchen nach Würmern und Insekten, sie pflegen das "Komfortverhalten" und machen Sandbäder, "sie leben intensiv". Sobald aber ein Jumbojet Richtung Schwechat über den Hof hinwegfliegt, rennen sie hektisch unter die aufgestellten Sicherheitshütchen, weil sie das Flugzeug für einen sehr großen Habicht halten.

Hauptfeinde: Fuchs und Marder. Wenn Flugzeuge über den Biohof fliegen, gehen sie in Deckung, weil sie die Jets für Habichte halten. In ihrer Freizeit nehmen sie gerne Sandbäder und laben sich an einer Kleegrasmischung.
Foto: Heribert Corn

Nach 18 Monaten schließlich ist auch die beste Legehenne mit ihrer Leistung am Ende, dann warte auf sie der Suppentopf, für den man sie tiefgefroren auf dem Hof kaufen kann. "Das Suppenhuhn ist ein ganz wertvolles Produkt, das es immer seltener zu kaufen gibt, sogar aus dem 19. Bezirk kommen Kunden, um eines zu holen." Danach werden wieder 350 Junghennen eingestallt, in einen mehrmals gereinigten und desinfizierten Stall, damit nicht die Krankheitserreger der vorherigen Herde auf die neue übertragen werden.

Extraplätze für Spezialhenderln werden dann aber nicht vergeben. Gerade vor Ostern gebe es nämlich immer wieder Versuche in Privathaushalten, mit sogenannten Balkonhenderln Küken selbst ausbrüten zu lassen. "Und zehn Wochen nach Ostern", sagt Markus, "kriegen wir verlässlich Anrufe, ob wir nicht einen kleinen Junghahn übernehmen wollen, weil er den Kindern auf die Nerven geht." Katharina nervt diese Praxis verantwortungsloser Eltern, die Übernahme solcher Tiere lehnt sie daher kategorisch ab, denn: "Erstens nehmen wir nur Biotiere, und zweitens: Warum hat jemand überhaupt ein Huhn auf dem Balkon?" Weiter weg von artgerechter Haltung könne ein Henderl nicht leben.

Das Ehepaar begleitet uns noch hinaus aus dem Hof, Investoren entdeckten gerade dieses Stadtrandparadies. Gegenüber hat ein irischer Developer ein Haus geschleift und wird dort "Townhouses" hochziehen, ab 5.000 Euro pro Quadratmeter wird man mit dabei sein.

Selbstverzicht

Jeden Monat bekommen auch sie Angebote für ihren Hof, aber die lehnen sie natürlich ab. Der Sohn, dessen Geburtstermin für Karsamstag berechnet wurde, soll hier auch noch aus der Nähe erleben, was ein Henderl ist und woher die Eier kommen. Die Sache mit dem Marder wird die Mutter ihm aber vielleicht erst erzählen, wenn er schon größer ist.

Ob er sich vielleicht in ihrem Bauch schon auf das erste Ei freut, weil sie, die werdende Mutter, ständig welche isst? Katharina lacht: "Nein, alles mit Maß und Ziel!" Es stehe bei ihnen nicht jeden Tag in der Früh ein Teller mit einem Haufen Eierspeis auf dem Tisch, im Gegenteil sei es öfter so, dass sie selbst auf Eier zugunsten ihrer Kunden verzichten würden. Gerade jetzt vor Ostern, wo der Automat quasi nonstop gefüttert wird, um im Gegenzug Eier auszuwerfen. (Manfred Rebhandl, 16.4.2022)