Nicht jeder, der eine Lebensversicherung abschließt, ist mit dem Ergebnis zufrieden. Vor allem ist nicht immer nachvollziehbar, wie investiert wird.

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Das Angebot für die fondsgebundene Lebensversicherung klang verlockend. Was der Berater vorgerechnet hatte, überzeugte Herrn M. Er schloss das Produkt bei einer österreichischen Versicherung im Jahr 2013 ab. Eine Kapitalgarantie hatte das Produkt auch enthalten, auch das war für Herrn M. ein Argument.

Acht Jahre später wollte M. wissen, wie es um seine Versicherung steht. Er hat die bisher einbezahlten Prämien zusammengerechnet und mit den jährlichen Mitteilungen der Versicherung verglichen. Dieses Ergebnis war für Herrn M. nicht nur weniger schön als die Modellrechnungen beim Abschluss – er konnte die Werte auch nicht nachvollziehen und suchte Rat bei einem Profi.

Prüfung des Vertrags

Seinen Vertrag brachte er zu Rechtsanwalt Robert Haupt mit der Bitte, diesen zu überprüfen. Dabei wurden mehrere Dinge für M. klar. Erstens hat er die Versicherung für eine Laufzeit von 35 Jahren abgeschlossen – das ist die maximale Laufzeit. Das heißt umgekehrt aber auch, dass die beträchtlichen Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit hochgerechnet werden. Die Kosten dafür werden aber in den ersten fünf Jahren der Laufzeit abgerechnet. Das ist insbesondere der Grund, warum die einbezahlten Prämien nicht eins zu eins in die ausgewählten Fonds fließen.

Auch die Modellrechnungen stießen dem Anwalt sauer auf. Der Kalkulation – die sich auf den Ablaufwert der Versicherung bezog – lagen mehrere Modelle zugrunde, die sich auf unterschiedliche Performanceentwicklung beriefen. Ein Korridor von null, drei und sechs Prozent war damals die Vorgabe der Finanzmarktaufsicht FMA, die allerdings nicht verbindlich anzuwenden war.

Nullzinsumfeld

Besagte Versicherung rechnete sogar mit einer Wertentwicklung von neun Prozent, was vom damaligen Zinsumfeld weit entfernt war. 2013 lag der Leitzins der EZB im Mai bei 0,5 Prozent, im November bei 0,25 Prozent, und seit 2014 befindet sich Europa im Nullzinsumfeld. Konservative Fonds für die Kapitalgarantie lagen nicht weit darüber. Nun möchte Herr M. von seiner Versicherung wissen, wie diese auf die Werte in der Modellrechnung gekommen ist und mit welcher Annahme die Wertentwicklung seines Produkts wirklich errechnet wurde. Eine Hürde, wie sich herausstellte.

Die Versicherung will das nämlich nicht offenlegen und beruft sich darauf, dass Kunden von fondsgebundenen Lebensversicherungen kein Recht auf die sogenannte Rechnungslegung hätten. Im Zuge derer muss die Versicherung dem Kunden offenlegen, was von seinen bisher einbezahlten Prämien in den Fonds veranlagt wurde, wie der Stand der Gewinnbeteiligung ist und wie hoch die Abschluss- und Verwaltungskosten sind.

Urteil vom Handelsgericht

Hier hält Anwalt Haupt aber dagegen und verweist auf ein Urteil des Handelsgerichts von November 2018 (60 R 107/18t). In dem Fall, der damals vor dem Handelsgericht Wien landete, ging es darum, dass Inhaber fondsgebundener Lebensversicherungen diese rückkaufen (also kündigen) wollten und von der Versicherung im Zuge der Rechnungslegung wissen wollten, wie genau die Rückkaufswerte sich errechneten. Die Versicherung wollte diese Auskunft damals nicht erteilen und argumentierte, dass Versicherungsnehmer kein Recht auf diese Rechnungslegung haben. Eine höchstgerichtliche Klärung durch den OGH ließ die Versicherung damals ziehen.

Dass kein Anspruch auf die Rechnungslegung besteht, ist im Fall von klassischen Lebensversicherungen richtig. Hier haben Kunden nicht den Anspruch, über die jährliche Gewinnmitteilung hinaus eine Rechnungslegung zu fordern. Der Grund dafür ist, dass bei klassischen Lebensversicherungen ein Aktuar eingesetzt ist, der – vereinfacht gesagt – auf den sorgsamen Umgang mit den Prämien achtet. Bei fondsgebundenen Produkten gibt es diesen Aktuar nicht.

Nachvollziehbarkeit

Das Handelsgericht stellte dazu fest: "Dass die Höhe der Rückkaufswerte in der fondsgebundenen Lebensversicherung maßgeblich von der Fondsperformance abhängt und daher nur prognostizierbar, nicht aber exakt vorhersehbar ist, entbindet das Versicherungsunternehmen nicht von der Verpflichtung, die den Versicherungsnehmer treffenden Gesamtkostenbelastung offenzulegen." Der Versicherungsnehmer müsse – anhand Standardisierter Tabellen (Modellrechnungen) aber klar nachvollziehen können, welcher Teil der Prämie veranlagt, also in die Fonds investiert wird.

Haupt will M. nun dabei unterstützen, dass die Versicherung die Rechnung vorlegt. Auch wenn vonseiten des Beraters darauf hingewiesen wird, dass es sich bei diesen Modellrechnungen nur um Annahmen handelt, "so geht die Berechnung über den damals von der FMA empfohlenen Korridor hinaus", sagt Haupt. Für den Kunden sei die Modellrechnung aber wesentlich gewesen, um sich für dieses Produkt zu entscheiden.

Am Markt vorbei

Anderen Versicherungshäusern sei laut Haupt 2013 bereits klar gewesen, dass in einem Niedrigzinsumfeld das Garantiefondskonzept nicht mehr funktioniere, weil das für die Versicherungsnehmer dazu führe, dass jede weitere Prämie, die sie einzahlen, aufgrund des regelmäßigen Abzugs der Kosten voraussichtlich einen Verlust bedeutet. "Versicherungsnehmer zahlen damit mehr in das Produkt ein, als sie dafür am Ende der Laufzeit – trotz Kapitalgarantie – wieder zurückbekommen", sagt Haupt.

Sollte das auch bei Herrn M. von Anfang an der Fall gewesen und die Modellrechnung maßlos überzogen sein, so würde diese zur Anfechtung des Vertrags berechtigen. Das hätte zur Folge, dass die einbezahlten Prämien samt Zinsen zurückgefordert werden können. "Die Frist dafür beträgt 30 Jahre", erklärt Haupt. (Bettina Pfluger, 18.4.2022)