Bild nicht mehr verfügbar.

Janine Wissler war zur Zeit der mutmaßlichen Missbrauchsfälle Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Hessen.

Foto: Reuters / ANNEGRET HILSE

Wiesbaden – Bei der Linkspartei in Hessen soll es sexuelle Übergriffe gegeben haben. Einem Bericht des Spiegels zufolge liefern Chatverläufe, Fotos, E-Mails sowie eidesstattliche Versicherungen von zehn Betroffenen Hinweise, dass in der hessischen Landesgruppe "mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur" stattfanden bzw. vorherrschten. Unter anderem soll ein nach wie vor aktiver Fachreferent Fotos und Videos einer minderjährigen Frau in sexuellen Posen aufgenommen haben. Sie habe den Politiker später wegen Nötigung und Beleidigung angezeigt.

Die Betroffenen die in dem Spiegel-Bericht zu Wort kommen, berichten, dass sie sich nach den Vorfällen an Parteifunktionäre oder -funktionärinnen gewandt hätten, es sei aber nichts unternommen worden. Mittlerweile haben sich mehr als 20 weitere Betroffene aus mehreren Landesverbänden bei der mit der Linkspartei verbundenen Jugendorganisation Solid gemeldet. Zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Missbrauchsvorfälle waren die meisten Betroffenen Mitglieder dieser Jugendorganisation.

#LinkeMeToo

Zur Zeit der mutmaßlichen Fälle von sexualisierter Gewalt in der hessischen Landesgruppe war die jetzige Bundesvorsitzende Janine Wissler Fraktionsvorsitzende in Hessen. Sie soll laut Spiegel damals mit jenem Referenten liiert gewesen sein, dem nun sexuelle Gewalt vorgeworfen wird. Wissler erklärte gegenüber dem Spiegel, die betroffene Minderjährige habe sich zwar an sie gewandt, die Vorfälle aber nicht als sexuellen Übergriff dargestellt und sie auch nicht gebeten etwas zu unternehmen. Der Altersunterschied von 24 Jahren sei ihr aber aufgefallen.

In die Gänge kam die Affäre erst, nachdem sich im November 2021 mehrere Betroffene unter dem Hashtag "#LinkeMeToo" via Instagram an die Öffentlichkeit wandten. Nachdem Spiegel-Bericht vom vergangenen Freitag erklärte die der geschäftsführende Landesvorstand der Linkspartei Hessen nun: "Wir nehmen die aufgeworfenen Anschuldigungen sehr ernst und haben, seit wir ab Ende November 2021 davon Kenntnis erlangt haben, begonnen, diese auf allen Ebenen aufzuarbeiten."

"Sexualisierte Gewalt und Sexismus dürfen in unserer Partei keinen Platz haben", hieß es in einer Stellungnahme des Landesvorstands. Der Vorwurf des Täterschutzes werde zurückgewiesen. So seien Betroffenen Gespräche angeboten und "ein umfangreicher Verhaltenskodex" beschlossen worden. Der Kreisverband Wiesbaden organisiere einen Workshop zum Thema "Sexismus-Sensibilisierung". Zur nächsten Sitzung des Landesvorstands am 30. April sei die Berufung einer oder mehrerer Vertrauenspersonen geplant. (APA, red, 17.4.2022)