Wer ist wer? Bei der Verhandlung am Dienstag sprach Anwalt Georg Zanger (mit dem Rücken zum Fotografen) in der Ich-Form über seinen Mandanten Wolfgang Fellner, der sich von Zanger als Machthaber vertreten ließ.

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Als Anwalt Georg Zanger am Mittwoch in der Mitte des Saals am Straflandesgericht Wien Platz nahm, hätte dort eigentlich Medienmacher Wolfgang Fellner sitzen sollen. Fellner wurde von seinen Ex-Mitarbeiterinnen Raphaela Scharf und Katia Wagner wegen übler Nachrede geklagt, ließ sich von Zanger als Machthaber vertreten.

Seinem Anwalt schien die Rolle des Medienmachers gut zu passen: In seiner Befragung als Fellner wechselte er häufig in die Ichform, um die Klage abzuwehren, Fellner hätte in einem Artikel von Anfang September 2021 Wagner und Scharf der Lüge bezichtigt. Vielmehr sei der Artikel als "Gegen-Rufmord-Kampagne" zu werten, er bekannte sich nicht schuldig.

Vorwürfe mehrerer Frauen

Raphaela Scharf und Katia Wagner sind zwei von mehreren Frauen, die Fellner sexuelle Belästigung vorwerfen. Fellner bestreitet alle Vorwürfe vehement. Auch in den Zeitungen seiner Mediengruppe Österreich berichtete er darüber mehrmals. Im inkriminierten Artikel in der Tageszeitung "Österreich" und in "Oe24" bezeichnete er die Vorwürfe als "frei erfunden", will dies aber als "frei empfunden" gemeint haben, rechtfertigte Zanger als Fellner vor Gericht.

Richter Christian Noe schenkte dem wenig Glauben und verurteilte Fellner wegen übler Nachrede. Der Tatbestand sei "ganz klar" verwirklicht, sagte er. Das Urteil ist nicht rechtskräftig*, keine der beiden Parteien gab eine Erklärung ab.

Zweite Verurteilung

Fellner wurde bereits einmal rechtskräftig wegen übler Nachrede strafrechtlich verurteilt. Geklagt hatte damals Wagner wegen ähnlicher Aussagen zu ihren Vorwürfen, die im STANDARD veröffentlicht wurden. Auf dieses Urteil nahm Richter Noe Bedacht, sah jedoch trotz "weiterer Erschwernisgründen" von einer zusätzlichen Strafe ab. Fellner habe bereits "erhebliche Nachteile" durch die erste Verurteilung erlitten, seine Stellung in der Öffentlichkeit sei beeinträchtigt worden, begründete Noe.

Zudem verurteilte er die Mediengruppe Österreich zu einer Entschädigungszahlung von insgesamt 20.000 Euro. Auch das Urteil muss in den Medien veröffentlicht werden.

Fellner klagt Wagner wegen Tonaufnahmen

Im ersten, bereits rechtskräftigen Verfahren wegen übler Nachrede legte Wagner als Beweis Tonaufnahmen von jenen Gesprächen vor, in denen Fellner sie 2015 unter anderem fragte, ob er ihr Kleid "aufzippen" könne. Bis zur Vorlage der Tondokumente bei Gericht bestritt Fellner die Aussagen vehement.

Am Mittwoch fand auch am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein Prozess statt: Fellner klagt Wagner auf Unterlassung der Verbreitung der Tonaufnahmen wegen Datenschutzbedenken. Das Verfahren wurde geschlossen, das Urteil erfolgt schriftlich.

Raphaela Scharf und Katia Wagner sind nicht die einzigen Frauen, die Fellner der sexuellen Belästigung bezichtigen. Auch die Radiomoderatorin Angela Alexa sagte bereits vor Gericht aus, dass Fellner sie bei einer Weihnachtsfeier begrapscht habe. Fellner bestreitet, ging jedoch bislang nicht gegen Alexa juristisch vor.

Entlassungsverfahren anhängig

Anders bei Wagner und Scharf: Als Scharf Fellner eines Po-Grapschers bei einem Fotoshooting im Mai 2019 bezichtigte, feuerte er sie fristlos. Sie bekämpft ihre Entlassung vor dem Arbeits- und Sozialgericht, Fellner klagte sie auf Unterlassung der Behauptung, er habe sie begrapscht. Die Klage wurde bereits rechtskräftig abgewiesen, das Entlassungsverfahren geht am Montag in die finale Runde.

Abseits davon sind mehrere medienrechtliche Verfahren in der Causa anhängig. Fellner ließ in seinen eigenen Medien über die Vorwürfe berichten, mehrmals nachweislich falsch und irreführend, so einige Urteile. Auch im Strafverfahren am Mittwoch stellte die Fellner-Seite die Vorwürfe der sexuellen Belästigung als "Intrige" der "Kronen Zeitung" dar. Fellners Konkurrenz am Boulevardmarkt versuche bereits seit 15 Jahren, den Erfolg von Österreich zu verhindern, die Vorwürfe seien nur ein "neues Spielfeld" in dieser Auseinandersetzung, argumentierte "Österreich"-Anwalt Peter Zöchbauer am Mittwoch.

Dichand und "Krone" klagen

Scharf und Wagner arbeiten mittlerweile freiberuflich für die "Krone" und werden von deren Anwalt Michael Rami vertreten. Scharf klagte gegen ihre Entlassung, bevor sie Aufträge von Fellners Konkurrenz annahm.

In den etlichen Artikeln in den Fellner-Medien über die Belästigungscausa wird auch "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand beschuldigt, hinter den Vorwürfen zu stecken. Dagegen wehren sich Krone und Dichand juristisch, teils mit Erfolg.

Weitere mutmaßliche Opfer

Laut Anwalt Rami sind in der gesamten Causa mehr als 40 Verfahren anhängig, 16 davon hätten Fellner oder seine Medien verloren, eines gewonnen. Die meisten Verfahren sind noch anhängig, inklusive jene im Fall Wagner und Scharf, die vor der Gleichbehandlungskommission geführt werden.

Im Zuge der etlichen Verfahren wurden weitere mutmaßliche Opfer Fellners bekannt, die jedoch noch nicht an die Öffentlichkeit getreten sind. Unter anderem eine ehemalige Moderatorin, die bezeugte, dass Fellner auch ihr einmal "spaßhalber" auf den Po geklapst haben soll. Gegen Fellner wurde 2016 wegen sexueller Belästigung ermittelt. Er bestritt damals jedwede Belästigung und erstattete Gegenanzeige wegen Verleumdung. Beide Ermittlungsverfahren wurden mangels Beweisen eingestellt. (Laurin Lorenz, 20.4.2022)