Andrij Melnyk, der sehr präsente ukrainische Botschafter in Deutschland, hat klare Vorstellungen, wie die Hilfe der deutschen Regierung für sein Land aussehen sollte. "Wir glauben, dass die Bundeswehr nach wie vor fähig wäre, uns die Waffen zu liefern, die wir gerade benötigen", sagt er.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz will noch immer lieber Geld statt Waffen geben.
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Dabei denkt er konkret an den Schützenpanzer Marder. Melnyk: " Die Bundeswehr hat nach unseren Angaben über 400 an der Zahl. Und nur ein geringer Teil davon ist in Missionen eingebunden, in Litauen zum Beispiel."

Doch in Berlin stoßen Melnyks Überlegungen auf Widerstand. Würde Deutschland der Ukraine schwere Waffen zur Verfügung stellen, dann würde dies die Einsatzfähigkeit innerhalb der Nato-Verpflichtungen mit derzeit 13.000 und im nächsten Jahr 16.000 deutschen Soldaten beeinträchtigen. "Wir hätten keine Möglichkeit mehr, auf Eventualitäten zu reagieren, und das würde die Verteidigungsfähigkeit doch erheblich schwächen", sagt der stellvertretende Bundeswehr-Generalinspekteur Markus Laubenthal.

Ein Großteil, etwa eben der Panzer Marder, werde auch herangezogen, um Ersatzteile für den Einsatz bereitzustellen. "Das heißt, wir bedienen uns sozusagen aus der Flotte, damit wir den Teil, den wir dann wirklich einsetzen in unseren Nato-Verpflichtungen und an der Ostflanke der Nato zurzeit, auch betreiben können", so Laubenthal.

Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte nach einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten sowie den Spitzen von Nato und EU mit Blick auf Waffenlieferungen aus eigenen Beständen: "Hier müssen wir inzwischen erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen."

Scholz sagte der Ukraine aber finanzielle Unterstützung zu, damit sie sich selbst eindecken könne: "Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann. Die Ukraine hat sich nun von dieser Liste eine Auswahl zu eigen gemacht."

"Erhebliche Auswirkung"

Darunter seien, wie schon bisher, Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrgeräte, Munition "und auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann". Es gehe um Waffen "mit erheblicher Auswirkung", so Scholz. Eine direkte Lieferung schwerer Waffen – etwa der von der Ukraine geforderten Leopard-Panzer, Gepard-Panzer oder Marder – erwähnte der Kanzler nicht.

Dementsprechend enttäuscht fiel die Reaktion Melnyks aus. Er erklärte, in Kiew begrüße man zwar die finanzielle Unterstützung, aber ansonsten seien die Aussagen in Deutschland mit "großer Enttäuschung und Bitterkeit" aufgenommen worden.

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wurde bei ihrem Besuch in Lettland am Mittwoch gefragt, warum Deutschland keine schweren Waffen liefere. Sie erklärte, die Bereitstellung gepanzerter Fahrzeuge sei "kein Tabu". Derzeit sei aber in Deutschland "nichts vorhanden, was wir jetzt wirklich schnell und unverzüglich liefern können".

"Ringtausch"

Sie betonte, man habe sich mit den europäischen Partnern auf einen "Ringtausch" verständigt, "bei dem die Partner, die Waffen aus sowjetischer Produktion haben, diese schnell liefern können, und wir sichern dann den Ersatz entsprechend zu". Baerbock sagte auch, dass nicht alles über Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine an die Öffentlichkeit gelange. Deutschland wolle die Ukraine außerdem durch Ausbildung und Wartung von Artillerie unterstützen.

Kritik am Vorgehen der Regierung kommt von Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende klagt über Scholz: "Er spricht jetzt von Listen, die abgearbeitet werden. Aber diese Listen gibt es seit Wochen." (Birgit Baumann aus Berlin, 20.4.2022)