Das Ringsystem des Uranus ist weit weniger erforscht als jenes des Saturn. Forschende wollen dem Eisriesen, der 84 Jahre für eine Sonnenumrundung braucht, endlich mehr von seinen wissenschaftlichen Geheimnissen entlocken.

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In der Nacht auf den 14. März 1781 machte der deutsch-britische Astronom William Herschel eine ungewöhnliche Entdeckung. Mithilfe eines selbstgebauten Spiegelteleskops fiel ihm im Sternbild Zwillinge ein rätselhaftes Objekt auf, "ein seltsamer nebulöser Stern oder vielleicht ein Komet", wie er in seinem Tagebuch vermerkte.

Tatsächlich handelte es sich um nicht weniger als eine astronomische Sensation, wie sich bald herausstellte: Herschel hatte einen unbekannten Planeten erblickt, der um unsere Sonne kreist. Georgium Sidus nannte er seine Entdeckung, der Name sollte sich aber nicht durchsetzen. Heute kennen wir den siebten Planeten des Sonnensystems als Uranus, benannt nach dem griechischen Himmelsgott Uranos.

Planetare Konkurrenz

Doch der eisige Riesenplanet, der für einen Umlauf um die Sonne 84 irdische Jahre benötigt und 14 Erdmassen hat, trat nie so recht aus dem Schatten seiner planetaren Kolleginnen und Kollegen. Die schon viel länger bekannten inneren Planeten übten aufgrund ihrer Nachbarschaft zur Erde seit jeher eine besondere Faszination aus.

Aber auch weiter draußen hat Uranus attraktive Konkurrenz: Mit Jupiter und Saturn gibt es noch größere Planeten, Saturn musste mit seinem atemberaubenden Ringsystem sowieso nie um Aufmerksamkeit bangen. Und mit der Entdeckung des Neptun 1846 sorgte bald ein achter Planet für Aufregung, der noch dazu mit einem viel kräftigeren Blauton besticht als Uranus. Und der kleine Pluto schafft es ohnehin regelmäßig in die Schlagzeilen, nicht erst, seit ihm 2006 offiziell der Planetenstatus wieder aberkannt worden ist.

Besuch für Nummer sieben

Uranus wurde im Vergleich deutlich weniger Aufmerksamkeit zuteil. Dass auch er Ringe hat, vermutete schon William Herschel, doch es sollte bis 1977 dauern, ehe das bestätigt werden konnte. Nach und nach wurden auch immer mehr Monde um die Nummer sieben entdeckt und Details über die Zusammensetzung des Planeten und seiner Atmosphäre bekannt. Direkt Nachschau wurde bisher aber erst ein einziges Mal gehalten, und da nur ganz kurz: 1986 flog die Raumsonde Voyager 2 bei Uranus vorbei und machte einige Messungen und Aufnahmen, ehe sie Richtung Neptun und dann weiter in den interstellaren Raum flog, von wo aus sie bis heute Daten sendet. Immerhin entdeckte sie dabei zwei weitere Uranusringe und gleich zehn zusätzliche Monde um den Planeten – insgesamt 13 Ringe und 27 Trabanten sind heute bekannt.

Dass Uranus wissenschaftlich noch sehr viel mehr zu bieten hat, steht für Forschende außer Frage – doch bisher fehlte es an Mitteln zur Erkundung des fernen Planeten. Nun scheinen die Bemühungen um eine nähere Erforschung des Eisriesen aber gehörig Fahrt aufzunehmen: Ein Expertengremium der US-Wissenschaftsakademien legte kürzlich ein umfangreiches neues Strategiepapier für die weitere Erkundung des Sonnensystems in den nächsten zehn Jahren vor. Darin findet sich zum ersten Mal der blassblaue Riesenplanet an prominenter Stelle.

Eisige Empfehlung

Die US-Weltraumbehörde Nasa orientiert sich üblicherweise sehr stark an den strategischen Empfehlungen dieses Gremiums. Und der Tenor der Expertinnen und Experten lautet diesmal klar: Uranus soll endlich eine eigene Mission bekommen. Umgerechnet etwa vier Milliarden Euro seien nötig, dann könnte schon 2031 eine Sonde zum siebten Planeten aufbrechen. Bis zur Ankunft am Ziel würde es 13 Jahre dauert.

"Diese Mission wird absolut revolutionär", sagte Amy Simon vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Greenbelt zum Fachblatt "Nature". Die Planetenforscherin, die selbst am neuen Strategiepapier mitgearbeitet hat, argumentiert ihre Empfehlung für eine solche Mission nicht nur mit den zahlreichen offenen Forschungsfragen rund um Uranus: etwa wie seine Ringe und Monde entstanden sind und was die starken Winde antreibt, die in seiner Atmosphäre wüten. Sie führt auch ins Treffen, dass die genauere Erforschung von Uranus Aufschlüsse über Exoplaneten geben könnte.

Schnellere Machbarkeit

Mehr als 5.000 Planeten, die um ferne Sterne kreisen, wurden inzwischen nachgewiesen. Jeder dritte davon zählt wie Uranus zu den Eisriesen. Das trifft zwar auch auf Neptun zu, doch der äußerste Planet des Sonnensystems hat aufgrund seiner noch größeren Entfernung im Strategiedokument das Nachsehen: "Uranus erhielt den Vorzug, weil eine Mission dorthin technisch schneller machbar ist", sagte Simon. So könnte eine umfangreiche Uranusmission mit einer Falcon-Heavy-Trägerrakete des US-Unternehmens Space X befördert werden, die bereits im Einsatz ist. Für den weiteren Flug zum Neptun wäre eine größere Rakete vonnöten.

Konkret wird daher vorgeschlagen, eine Raumsonde mit Space X in eine Uranus-Umlaufbahn zu bringen, von wo aus sie bisher unerreichte Messungen und Aufnahmen machen könnte. Zum ersten Mal könnten viele Vorstellungen, die Forschende über Uranus aus Modellen gewonnen haben, überprüft werden. Vielleicht lässt sich auch Licht ins Dunkel der merkwürdigen Lage des Planeten bringen: Als einziger Planet im Sonnensystem zeigen Uranus‘ Pole nicht nach oben oder unten, sondern zur Sonne und beziehungsweise von ihr weg. Der Planet "rollt" gewissermaßen auf seiner Bahn um die Sonne.

Mondbrösel im Ringsystem

Die vorgeschlagene Mission soll sich aber nicht auf den Planeten konzentrieren, sondern das ganze Uranussystem in den Blick nehmen. So sollen auch einige seiner Monde genauer untersucht werden, die teilweise flüssiges Wasser unter ihren Eispanzern beherbergen könnten. Das Material der Ringe um Uranus dürfte wiederum aus dem Material von Monden stammen, die einst miteinander kollidierten.

Um den ambitionierten Vorschlag realisieren zu können, muss auch angesichts der klaren Empfehlung der Expertinnen und Experten erst einmal die Finanzierung stehen. Auf der Suche nach Partnern für die wissenschaftliche Großunternehmung dürfte die Nasa auch in Richtung Europa schauen – die europäische Weltraumorganisation Esa hat im Vorjahr die Erforschung der Eisriesen ebenfalls als langfristiges Ziel benannt. (David Rennert, 30.4.2022)