Hier bestimmen am Donnerstag 30 ORF-Publikumsräte sechs MItglieder des entscheidenden ORF-Stiftungsrats. Nicht alle sind laut Rundfunkrechtler Lehofer gesetzeskonform bestellt.

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Wien – Kommende Woche treten die 30 frisch bestellten Publikumsräte des ORF zusammen und erledigen gleich die gewichtigste Aufgabe ihrer vierjährigen Amtszeit: Sie bestimmen sechs Mitglieder für den entscheidenden ORF-Stiftungsrat – entscheidend für die absolute ÖVP-nahe Mehrheit dort. Doch nach dem Befund des renommierten Rundfunkrechtlers Hans Peter Lehofer ist ein Teil der Bestellungen zum Publikumsrat gesetzwidrig.

Solche Vorschläge dürften nicht von der Medienministerin berücksichtigt werden, schreibt Lehofer in seinem Blogeintrag. Susanne Raab entsandte aber elf solcher Vorschläge – von insgesamt 17 Mandaten im Publikumsrat, über die sie entscheidet. Und er zweifelt, ob die gesetzlichen Vorschriften für die Auswahl der Publikumsräte "überhaupt geeignet sind, um eine ausreichend repräsentative Beteiligung des 'Publikums' zu erreichen".

"ZIB"-Anchor Armin Wolf griff Lehofers Befund in seinem Blog auf und schrieb von "Publikumsräten, die es nicht geben dürfte". Wolf beschäftigt sich intensiv mit der Recht- und Verfassungsmäßigkeit der ORF-Aufsichtsorgane.

Lehofer ist einer der renommiertesten Rundfunkrechtler im Land, er arbeitet als Richter am Verwaltungsgerichtshof, unterrichtet an der Wirtschaftsuniversität Wien und hat zuvor ab Gründung über Jahre die Medienbehörde KommAustria geleitet.

Bundeskanzler oder, so vorhanden, Medienministerin bestellen 17 von 30 Publikumsräten aus Vorschlägen von Organisationen gesellschaftlicher Gruppen, von Jugend bis Seniorinnen, von Hochschulen bis Mobilität, von Umwelt bis Familie. Aber, so betont Lehofer in seinem Medien- und Telekomrechts-Blog e-comm wie zuvor auf Twitter: Diese Organisationen müssen laut Gesetz repräsentativ für den jeweiligen Bereich sein, und sie müssen dem Kanzleramt Dreiervorschläge für ihre Vertreter im Publikumsrat schicken.

Keine Dreiervorschläge

Nun haben elf von 17 Organisationen, deren Vorschläge von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) bei der Entsendung berücksichtigt wurden, keine Dreiervorschläge gemacht, sondern nur jeweils eine Person vorgeschlagen, moniert Lehofer – vom ÖVP-nahen Think-Tank "Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung" (Hochschulen) bis zum "Umweltdachverband + Kuratorium Wald" (Umwelt).

Nicht repräsentativ

Viele der zum Zug gekommenen Organisationen seien zudem nicht repräsentativ, wie das Gesetz es verlangt, schreibt Lehofer.

"Rechtlich jedenfalls relevant, wäre zu hinterfragen, ob alle Einrichtungen bzw. Organisationen, deren Vorschläge von der Medienministerin berücksichtigt wurden, für die jeweiligen Bereiche bzw. Gruppen repräsentativ sind", schreibt Lehofer auf die To-Do-Liste von Kanzlern und Medienministern. Und er liefert zur aktuellen Entsendung gleich die Antwort: "Dabei bestehen meines Erachtens ganz erhebliche Zweifel."

Der Rundfunkrechtler verweist auf das Beispiel von Markus Hengstschläger, den der ÖVP-nahe Linzer Verein "Academia Superior Gesellschaft für Zukunftsforschung" vorgeschlagen hat. Lehofer: "Nach allem, was ich von Wissenschaft verstehe, kann ich nicht erkennen, dass es sich bei diesem Verein, so ehrenwert und erfolgreich seine Bemühungen sein mögen, um eine für den Bereich Hochschulen repräsentative Einrichtung handeln würde", zudem keine überregionale.

Kleintierzüchter und Nobelpreisträger

Lehofer: "Daran ändert es auch nichts, dass der von ihm vorgeschlagene Markus Hengstschläger ein bedeutender Wissenschaftler ist, denn es kommt nicht auf die Qualifikation der vorgeschlagenen Person an, sondern allein darauf, dass diese von einer repräsentativen Organisation vorgeschlagen wird (auch wenn ein Kleintierzüchterverein eine Nobelpreisträgerin vorschlagen würde, dürfte diese nicht für den Bereich "Hochschulen" bestellt werden)."

Die unzweifelhaft für Hochschulen repräsentative österreichische Universitätenkonferenz indes sandte einen Dreiervorschlag – Informationsrechtler Nikolaus Forgó (Universität Wien), Kommunikationswissenschafter Thomas Steinmaurer (Universität Salzburg) und die Pressereferentin der Universitätenkonferenz Marion Gollner.

Ähnliche Zweifel an der Repräsentativität gelte etwa für den Leiter des Instituts für das Management von Non-Profit-Organisationen an der WU Wien, Michael Meyer, schreibt Lehofer. Er wurde für die Gruppe "Konsumenten" vom Fundraising Verband Austria vorgeschlagen: "Es gibt absolut keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieser Verein in irgendeiner Weise für die Gruppe der 'Konsumenten' repräsentativ sein könnte."

Meyer dürfte wie berichtet einer von drei den Grünen nahe stehenden Publikumsräten sein, die das Gremium am Donnerstag in den ORF-Stiftungsrat entsendet. Weitere drei ÖVP-nahe – Andreas Kratschmar, Petra Stolba und Sophie Matkovits – dürften die sechs Mandate des Publikumsrats im Stiftungsrat komplett machen.

Nicht erkennbar ist für Lehofer etwa auch, wie der Verein Sozialwirtschaft Österreich repräsentativ für Eltern und Familie wäre.

"Darf bei der Bestellung nicht berücksichtigt werden"

Lehofers Schluss: "Ein Vorschlag, der von einer für den jeweiligen Bereich beziehungsweise die jeweiligen Gruppe nicht repräsentativen Einrichtung bzw. Organisation erstattet wurde, darf bei der Bestellung der Publikumsratsmitglieder durch die Medienministerin nicht berücksichtigt werden."

Zweifel, ob Regelung überhaupt geeignet

In einem Post Skriptum zu seinem Blogpost äußert der renommierte Rundfunkrechtler auch grundlegendere Zweifel an der Regelung für den Publikumsrat selbst: "Eine ganz andere Frage ist es, ob die bestehenden gesetzlichen Vorgaben als solche überhaupt geeignet sind, um eine ausreichend repräsentative Beteiligung des 'Publikums' zu erreichen – also selbst wenn man annimmt, die geltenden Rechtsvorschriften würden eingehalten und die Medienministerin würde sich in der Auswahl der von ihr zu bestellenden Mitglieder des Publikumsrats von der Zielsetzung des Gesetzes (eben ein gewisses Maß an Repräsentativität im Publikumsrat zu gewährleisten) leiten lassen.