Manchmal muss man sich schon selbst gut einreden, dass es nun mal auf die inneren Werte ankommt. Also auch darauf, was in einem online bestellten Karton drin ist, und nicht, wie dieser aussieht, wenn er zu Hause ankommt. So mussten wir im Selbstversuch unfreiwillig feststellen, dass zuletzt Kartons mit diversen Dellen geliefert wurden und ein für den Mitbewohner intendiertes Geschenk sofort als solches enttarnt wurde, weil die früher übliche Überverpackung fehlte.

Eine leicht ramponierte Verpackung – aber immerhin kam das Produkt sicher an.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Was ist da los? Für Menschen, die eifrig die Nachrichten verfolgen, liegt es nahe, mal wieder Russland die Schuld zuzuschreiben – also konkret dem aus dem Krieg in der Ukraine entsprungenen Streit um das russische Gas und den entsprechenden Engpässen in der westlichen Papierproduktion.

Demnach würde die heimische Papierbranche bei einem kompletten Gaslieferstopp nach spätestens zwei Wochen stillstehen, wie der STANDARD berichtete. Weitere Preiserhöhungen schließen die Branchenvertreter nicht aus, einen Überblick der Wechselwirkungen zwischen dem Papierpreis und der aktuellen geopolitischen Gesamtsituation gibt auch das folgende Video.

DER STANDARD

Allerdings hängen die Papierpreise nur bedingt mit der Verpackungsreduktion zusammen, wie Harald Gutschi, CEO von Unito, gegenüber dem STANDARD sagt: Denn man habe die Verpackungen in den vergangenen Jahren ohnehin schrittweise eingespart, um Verpackungsmüll zu reduzieren – die Produkte wurden also auch dann nicht mit einer Überverpackung versehen, als die Papierpreise auf einem Tiefstand waren. Unito führt unter anderem den Onlinehandel für die Marken Otto, Quelle und Universal durch und ist somit laut Eigenangabe der größte heimische Player im Onlinehandel.

Die Vorgangsweise dürfte in der gesamten Branche gepflegt werden, denn Ähnliches liest man auch beim internationalen Branchenprimus: "Amazon erhöht auch die Anzahl der Produkte, die in der originalen Produktverpackung versendet werden können und lediglich mit einem Adressaufkleber versehen werden müssen", heißt es dort etwa in einem Blogposting.

Optimiert für den Onlinehandel

In den meisten Fällen, so Gutschi, werde die Reduktion der Verpackung von den Kundinnen und Kunden positiv aufgefasst, da auch sie Abfall reduzieren und die Umwelt nach Möglichkeit schonen wollen – einen Kollateralschaden gibt es dann eben nur, wenn ein als Überraschung geplantes Geschenk enttarnt wird.

In diesem Sinne gebe es auch ein Monitoring, um regelmäßig zu prüfen, welche Produkte unbeschadet ohne Überverpackung beim Kunden ankommen und welche zusätzlich verpackt werden müssen. Dabei profitieren die Händler davon, dass in den vergangenen Jahren ohnehin ein Shift vom Offline- zum Onlinehandel stattfand und die Hersteller ihre Produkte nun so einpacken, dass sie für den Onlinehandel und den entsprechenden Versand optimiert sind. Ausnahmen sind zum Beispiel Fernseher, die als Sperrgut mit "besonderer Sorgfaltspflicht" verschickt werden.

Nachhaltige Verpackungen

Gutschi betont zudem, dass man zunehmend auf wiederverwertbare Verpackungen mit möglichst wenig Kunststoff setzt. Auch mit diesen Plänen ist Unito freilich nicht alleine. So verweist etwa Amazon auf Anfrage unter anderem darauf, dass man beim Versand aus deutschen Logistikzentren künftig auf Einweg-Plastikverpackungen verzichte – stattdessen will der Konzern auf Papier und Karton setzen. Außerdem sollen Plastikumverpackungen durch Papiertüten ersetzt werden.

Bei Zalando wiederum hat man sich das Ziel gesetzt, bis 2023 die Verpackungen so zu gestalten, dass man auf Einwegplastik vollständig verzichten und Materialien weitgehend weiterverwenden kann. Hier werden die Kartons derzeit zu 100 Prozent aus recycelter Pappe gefertigt – und wer dort bestellt, dem entgeht ohnehin nicht, dass die Kartons nach Retouren nicht selten mindestens ein weiteres Mal verwendet werden.

Kleidung im Karton

Was ein weiteres Thema aufwirft: Denn während bereits im Karton verpackte Produkte oft keinen Überkarton brauchen, muss Kleidung so gut wie immer ein weiteres Mal verpackt werden, wie Gutschi aus Erfahrungen mit der Otto Group berichtet. Hier sind nachhaltige Verpackungen entsprechend wichtiger.

Und auch bei den Retouren – und den damit verbundenen CO2-Ausstößen – ist Fashion im Vergleich mit den anderen Segmenten kein Musterschüler: Liegt die Retourenquote bei Technikprodukten bei sieben und bei Möbeln bei neun Prozent, so sind es bei Kleidung über 40 Prozent. Diese Zahl ist zuletzt aber auch gesunken, wie Gutschi ausführt: Früher lag die Quote bei über 50 Prozent.

Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Produkte im Web immer realitätsnaher dargestellt werden und sich die Kundinnen und Kunden somit ein besseres Bild davon machen können – auch bei Zalando setzt man unter anderem auf Produktvideos und 360-Grad-Videos. Ein anderer Grund ist, dass Kunden zunehmend ein Umweltbewusstsein entwickeln und daher seltener Produkte bestellen, die sie sonst wahrscheinlich zurückschicken würden.

In Summe, so Gutschi, spüre die Branche natürlich die externen Kostenfaktoren, wie etwa die Papierkosten oder auch die höheren Benzinpreise, die man angesichts von versprochenen Gratislieferungen aber nicht an die Kundschaft abwälzen könne. Allerdings, so der CEO, verzeichne die Branche seit Jahren einen Boom und könne dies somit gut verkraften. Ein anderes Thema ist, dass die Kaufkraft angesichts der Inflation immer weiter sinkt – aber das betrifft den stationären ohnehin ebenso wie den digitalen Handel. (stm, 3.5.2022)