Ugandas Präsident Yoweri Museveni meint zu wissen, wie Europa seine Abhängigkeit von russischem Erdöl verringern kann – mit Erdöl aus dem Herzen Afrikas. Am ugandischen Albertsee an der Grenze zum Kongo wurde bereits vor 16 Jahren ein riesiges Reservoir des schwarzen Goldes entdeckt: Sechs Milliarden Barrel sollen dort im Boden lagern.

Es sei "bizarr", dass Europäer diese Möglichkeit nicht mit größerer Leidenschaft verfolgten, klagte Museveni kürzlich: Mit den täglich 230.000 Fass Erdöl, die dort bald aus rund 500 Bohrlöchern quellen sollen, könnte zumindest Deutschland seine noch verbliebenden Erdölprobleme lösen.

Beheizte Leitung

Worauf der ugandische Präsident nicht zu sprechen kam: Die beiden Erdölfelder am Albertsee liegen fast 1.500 Kilometer vom tansanischen Küstenstädtchen Tanga am Indischen Ozean entfernt, in dem der Bodenschatz einmal auf Schiffe verladen werden soll. Die ugandische Regierung hat sich mit der tansanischen bereits auf den Verlauf einer Pipeline verständigt: Es soll die längste beheizte Rohrleitung der Welt werden. Weil das ugandische Erdöl einen geringen Schwefelgehalt aufweist, muss es konstant auf mindestens 50 Grad erwärmt werden, sonst würde der zähe Saft zum Stillstand kommen.

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Ugandas Präsident will Europa Erdöl aus Afrika schmackhaft machen.
Foto: REUTERS/Abubaker Lubowa

Die beiden Betreiber der Erdölförderung am Albertsee, der französische Mineralölriese Total Energies und die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC), unterzeichneten bereits am 1. Februar ein Investitionsabkommen mit dem ugandischen und tansanischen Staat zur Finanzierung des auf 3,5 Milliarden US-Dollar veranschlagten Projekts – die Bauarbeiten für die EACOP genannte Pipeline sollen bereits begonnen haben. Längst hat sich jedoch auch der Widerstand gegen das Megavorhaben formiert: Naturschutz- und nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen aus aller Welt suchen den Bau der Rohrleitung noch zu verhindern.

Um die 60 Zentimeter dicken Stahlrohre rund zwei Meter tief in die Erde versenken zu können, muss eine 30 Meter breite Schneise in die Landschaft geschlagen werden. In dieser Zone dürfen auch nach der Fertigstellung der Pipeline keine Häuser errichtet oder Bäume gepflanzt werden – auch die landwirtschaftliche Nutzung ist dort eingeschränkt. Auf der gesamten Strecke müssen außerdem 80 Kontrollstationen für die Pipeline errichtet werden, ferner sind sechs Pump- und Heizungsstationen nötig.

Umsiedelung im großen Stil

Tausende von Familien müssen dafür umgesiedelt und Zigtausende von Landnutzern entschädigt werden. Man habe bereits mit 58.000 ugandischen und tansanischen Anwohnern Entschädigungen ausgehandelt, teilte Total Energies mit. Allerdings werden in Uganda zahlreiche Klagen von Betroffenen laut, die sich nicht adäquat behandelt fühlen.

Kritisiert wird auch der Verlauf der Rohrleitung: Sie führt durch zahlreiche Wildreservate sowie am Ufer des Viktoriasees entlang. Auf das Wasser des in einem Erdbebengebiet liegenden Sees sind mehr als 40 Millionen Anwohner angewiesen: Eine schadhafte Rohrleitung könne eine Umweltkatastrophe auslösen, warnen Experten.

An dem Pipelineprojekt gibt es zunehmend Kritik. Mehrere Banken zogen sich bereits wieder zurück.
Foto: AFP/Luca Sola

Der Albertsee selbst ist von mehreren einzigartigen Wildreservaten umgeben, in denen außer Schimpansen, Elefanten, Löwen und Zebras auch vom Aussterben bedrohte Colobus-Affen und Berggorillas leben. Total Energies verweist auf eine in seinem Auftrag erstellte Studie zur Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Projekts: Sie sei von den Umweltbehörden Ugandas und Tansanias anerkannt worden. Die unabhängige niederländische Commission for Environmental Assessment (NCEA) kam nach der Bewertung der Studie zu einem anderen Urteil: Sie sei bei der Abwägung der negativen und positiven Folgen der Erdölförderung "unausgewogen", "vage" in der Frage des Landbesitzes und werde, was die Pipeline selbst angeht, "ihrer Aufgabe nicht gerecht".

Banken auf Rückzug

Angesichts der zunehmenden Kritik zogen sich mehrere Banken wie HSBC und BNP Paribas aus dem Projekt wieder zurück. Übrig blieben die japanische Sumitomo Mitsui Bank und die südafrikanische Standard Bank, die das Vorhaben nun alleine stemmen wollen. Unterdessen dringt die Internationale Energie Agentur in Paris darauf, keine neuen Quellen fossiler Brennstoffe mehr zu erschließen: Andernfalls werde die Erhitzung des Klimas um mehr als 1,5 Grad nicht mehr aufzuhalten sein. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 11.5.2022)