Ein Schreiben an das Gericht im Zusammenhang mit dem Drogenverfahren gegen Julian Hessenthaler löste in Wien ein Privatanklageverfahren aus.

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Wien – Es war ein Zufallsfund im Zusammenhang mit dem Drogenprozess gegen Julian Hessenthaler in St. Pölten, der den selbsternannten "Ibiza-Aufdecker", Pensionisten und Unternehmer Gert Schmidt mit einer Privatanklage wegen übler Nachrede vor Richter Gerald Wagner gebracht hat. Das sagt zumindest Schmidts Verteidiger Heinz-Dietmar Schimanko, als er selbst als Zeuge auftritt.

Konkret geht es um einen Artikel, der am 4. März auf der Internetseite eu-infothek veröffentlicht wurde. Darin wurde Privatankläger Thomas S., seit Jahren ein Intimfeind des 77-jährigen Schmidts, vorgeworfen, er habe "wider besseres Wissen" dem Landesgericht Sankt Pölten geschrieben, jemand habe im Auftrag Schmidts versucht, Drogen im Auto von S. zu deponieren, habe Spionagesoftware auf dem Laptop des Privatklägers installieren lassen und versuche ganz allgemein, S. im Auftrage Schmidts "wirtschaftlich fertigzumachen".

Kontrahent sieht sich als Lügner dargestellt

Nur: Das glaubt S. bis heute. Er habe das von Herrn W., der im Auftrag Schmidts tätig gewesen sein soll, sagte er auch am ersten Verhandlungstag vor Richter Wagner. Deshalb habe er sowohl Schmidt persönlich als auch das Medium geklagt, S. sieht sich zu Unrecht als Lügner dargestellt. Allerdings hat W. in mehreren Aussagen die Behauptungen wiederholt und bei anderer Gelegenheit widerrufen.

Der Angeklagte und sein Verteidiger beteuern, dass Schmidt, der auch als Chefredakteur von eu-infothek firmiert, die inkriminierte Geschichte nicht geschrieben habe. Bei der Frage nach dem Verfasser oder der Verfasserin beruft man sich allerdings auf das Redaktionsgeheimnis. "Der Artikel stammt definitiv nicht von Herrn Professor Schmidt", betont Verteidiger Schimanko als Zeuge. Woher er das wisse? Da er selbst auf das Schreiben von S. an das Gericht in Sankt Pölten gestoßen sei, als er Einsicht in den Hessenthaler-Akt nahm. Und diese Unterlagen habe der anonyme Verfasser dann für den Artikel verwendet. Wer der Autor sei? Schimanko beruft sich auf die anwaltliche Schweigepflicht.

Faszinierendes mediales Geschäftsmodell

Auch eine Mitarbeiterin des Angeklagten schließt aus, dass ihr Arbeitgeber den Artikel verfasst habe. Und offenbart zur leichten Verblüffung des Richters das faszinierende Geschäftsmodell von eu-infothek: Schmidt sei zwar Chefredakteur, mache aber nach Darstellung der Zeugin eigentlich nichts. Im Gegenteil, sie redigiere die von Schmidt diktierten oder gemailten Geschichten und stelle sie dann online. Angeblich gäbe es zwar eine "Redaktion", aber keine festangestellten Journalisten. Externe Autoren, die bereits etwas veröffentlicht haben, sollen ohne weitere Kontrolle neue Texte auf die Website stellen können.

Das glaubt Richter Wagner am Ende nicht. Er verurteilt Schmidt wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 600 Euro, zehn Tagessätze, also 6.000 Euro, sind unbedingt. Das Medium muss S. 3.000 Euro Entschädigung zahlen, das Urteil veröffentlichen und die inkriminierten Passagen aus dem Artikel löschen.

"Herr W. ist KEIN verlässlicher Zeuge", stellt Wagner in seiner Urteilsbegründung allerdings klar. Es gebe keinerlei Beweise, dass der Angeklagte W. tatsächlich irgendwelche Aufträge erteilt habe, die S. belasten sollten. "Sie glauben einfach das, was Sie glauben wollen", meint der Richter zum Privatankläger. Und Schmidt scheine sowohl für S. als auch W. die Verkörperung des Bösen zu sein, dem man alles zutraue.

Richter glaubt Angeklagtem nicht

Allerdings habe der Angeklagte nicht beweisen können, dass S. tatsächlich "wider besseres Wissen" an das Landesgericht Sankt Pölten geschrieben habe. Und der Richter ist auch überzeugt, dass Schmidt zumindest vor der Veröffentlichung über den Artikel informiert gewesen sei. "Dass ein Artikel zur Ehrenrettung des Angeklagten ohne Wissen und Wollen von ihm veröffentlicht wird", kann Wagner sich absolut nicht vorstellen. Die Seite des Privatanklägers gibt keine Erklärung ab, Verteidiger Schimanko meldet Berufung an, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 18.5.2022)