Anstrichschäden, Pilzbefall, Balkonleckagen: Wer in einem Altbau lebt, kennt die Vielfalt an Schäden, die an Gebäuden entstehen können. In Zeiten des Klimawandels rückt nun ein Schadensprozess in den Fokus, der vor allem durch hohe Feuchtigkeitsbelastung an Wänden bedingt wird: die Zunahme von Salzkristallisationszyklen an historischen Gebäuden und deren Auswirkung auf die mikrobielle Besiedelung.

In einem Forschungsprojekt der Akademie der bildenden Künste zusammen mit dem Institut für Bioengineering und Bioinformatik der FH Campus Wien wird nun untersucht, welche Mikroorganismen sich in der salzigen Umgebung besonders wohlfühlen und wie davon betroffene Gebäude geschützt werden können. Der Vorgang, der durch Starkregen begünstigt wird, lässt sich an den meisten älteren Gebäuden feststellen.

Die Virgilkapelle vor dem Wiener Stephansdom wurde bei Bauarbeiten für die U-Bahn entdeckt. Die Mauern des heute rund zwölf Meter unter der Oberfläche liegenden Bauwerks leiden unter der Tätigkeit von Mikroorganismen.
Foto: APA / Wien Museum / Kollektiv Fischka / Kramar mit Sabine Wolf

Über Regen oder Luftfeuchtigkeit trifft Nässe entweder direkt auf die Bausubstanz oder wird über den Boden in die Wände gesogen. Die darin enthaltenen Salze sind unterschiedlich löslich, schwerere Salze bleiben im Boden, die leichteren können mit dem Wasser aufsteigen. Das Problem ist Restauratoren und Restauratorinnen sowie Denkmalpflegern und Denkmalpflegerinnen wohlbekannt, erklärt Guadalupe Piñar, die Koordinatorin des Forschungsprojekts, von der Akademie der bildenden Künste.

Salzliebhaber in Rosa

Wenn die Wände nach der Feuchtigkeitsbelastung abtrocknen, kristallisiert das Salz und löst sich bei Wasserkontakt wieder. "Die Abwechslung der Salzkristallisations- und Auflösungszyklen übt Druck auf die Poren der architektonischen Oberfläche aus und führt zu mechanischen Schäden", sagt Piñar. Vor allem die Instandhaltung historischer Gebäude wird dadurch zunehmend aufwendiger.

Neben möglicher Rissbildung und Materialauflockerung in den Wänden lässt sich ein weiteres Phänomen der Biodeterioration beobachten, sagt Piñar, eine rosa- bis pinkfarbene Verfärbung der betroffenen Wände. Dafür verantwortlich sind salzliebende Mikroorganismen, die sich auf der Salzkruste besonders wohlfühlen. Wo andere Mikroorganismen keine Überlebenschance haben, profitieren diese Extremophilen von ihrer Umgebung.

Unerwünschte Verfärbungen

In einigen dieser Mikroorganismen sind Carotinoide enthalten, die die Verfärbungen verursachen, die von Salzausblühungen begleitet werden. "Bei diesen Mikroorganismen handelt es sich um Umweltmikroorganismen, die für den Menschen völlig unbedenklich sind", erklärt Piñar. Jedoch seien diese Verfärbungen ein zusätzliches ästhetisches Problem, das insbesondere Wandmalereien gefährdet.

Geforscht wird an zwei historischen Gebäuden, die vor allem wegen ihrer konträren Lage ausgewählt wurden, erklärt Alexandra Graf vom Institut für Bioengineering und Bioinformatik der FH Campus Wien. So liegt die Virgilkapelle als unterirdische Gruft zwölf Meter unter dem Stephansdom, die Kartause Mauerbach wiederum, ein ehemaliges Kloster der Kartäuser, ist ein freistehendes Gebäude – und beide Gebäude leiden unter der Salzbelastung und den darauf angesiedelten Mikrobengemeinschaften.

Auch die Kartause Mauerbach leidet unter den Mikrobengemeinschaften.
Foto: Dr. János Korom

Klimaanlage im Untergrund

Die Virgilkapelle ist vor allem Wassereinbrüchen, ausgelöst durch Starkregen, ausgesetzt. Ihre unterirdische Lage bedingt ein feuchtes Klima, das Wasser werde vor allem durch den Boden in die Wände gezogen, erklärt Graf. In der Kapelle, die auch Besuchern und Besucherinnen offensteht, wurde deshalb eine Klimaanlage installiert. Das Problem dabei sei aber, dass das Wasser trotzdem stark durchsickert und bei der Trocknung wieder Salz entsteht, was die Bildung von Salzkristallisationszyklen besonders unterstütze.

Die Kartause Mauerbach ist vor allem für die an dem Projekt beteiligten Restauratoren und Restauratorinnen ein Übungsplatz, sagt Graf. An den vielen Wänden des großen barocken Gebäudes lassen sich Methoden zur Entsalzung ausprobieren. Der Fokus liegt dabei auf natürlichen und nachhaltigen Materialien, die als Entsalzungskompressen an den Wänden angebracht werden.

"Es muss eine Methode gefunden werden, welche die Salzkristallisation senkt, aber gleichzeitig andere schädliche Mikroorganismen nicht anzieht", sagt Graf. Eine weitere Idee ist, eine Mikroben-Community an den Wänden anzusiedeln, die normalerweise auf Steinen lebt und keine Farbstoffe herstellt. Wie diese Mikrobengemeinschaften in unterschiedlichen Zusammensetzungen reagieren, wird in einem Klimaschrank an der Akademie der bildenden Künste erforscht.

Methoden für die Zukunft

Grundsätzlich lässt sich das Phänomen an allen Gebäuden finden, die feucht werden und wieder trocknen, vor allem an alten Ziegeln, Steinwänden und Putz. Jedoch finden die Salzkristallisationszyklen in Gegenden mit konstanten Luftfeuchtigkeitswerten weniger statt als in Umgebungen mit stark schwankenden Werten. Der Klimawandel wird jedenfalls häufiger derartige Zyklen bedingen, ist Graf überzeugt.

"Natürlich lässt sich nicht exakt vorhersagen, wie die Klimaänderung abläuft, aber sicher ist, dass starke Regenfälle öfter stattfinden werden, und damit werden auch die Salzkristallzyklen häufiger auftreten, da sich mehr Trockenperioden mit Perioden starker Regenfälle abwechseln werden", sagt Graf. Dementsprechend wird es dann auch mehr Bedarf geben, zu restaurieren und zu renovieren. "Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um Methoden dafür zu entwickeln." (Lea Weinberg, 22.5.2022)