Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) muss sich immer wieder erklären und Kritik abwiegeln. Noch steht Bundeskanzler Olaf Scholz hinter seiner Parteifreundin.

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Es ist ganz klar, wer im deutschen Kabinett gerade einen richtigen Lauf hat: Robert Habeck, grüner Klimaschutz- und Wirtschaftsminister. Er spricht und agiert so, dass immer wieder die Frage auftaucht: Wäre er nicht der bessere Kanzler?

Genauso klar aber ist, wer sich in der Ampelregierung auf der Beliebtheitsskala am anderen Ende wiederfindet: Christine Lambrecht (SPD), die Verteidigungsministerin. Sie spricht und agiert so, dass immer wieder die Frage auftaucht: Wie lange denn noch?

Der jüngste Fauxpas: Die Sozialdemokratin erklärte, dass ihre Partei- und Kabinettskollegin, Innenministerin Nancy Faeser, bei der 2023 anstehenden Landtagswahl in Hessen aktiv wird.

"Ich setze darauf, dass Nancy Faeser nicht nur Spitzenkandidatin wird, sondern auch die erste Ministerpräsidentin in Hessen", sagte Lambrecht in der Bild am Sonntag. Das klingt harmlos, ist aber ein politisches No-Go. Man versucht nicht, Ministerinnen wegzuloben und Karrierepläne für sie zu entwerfen, wenn diese sich noch nicht selbst geäußert haben – außer man spitzt vielleicht auf ihren Job.

Das wurde Lambrecht auch gleich unterstellt, nach dem Motto: Sie wäre wohl lieber selbst Innenministerin als Chefin des Verteidigungsressorts. Dort nämlich hat sie sich seit ihrem Amtsantritt im Dezember nicht mit Ruhm bekleckert.

Ruf nach Entlassung

"Trennen Sie sich von dieser Ministerin so schnell wie möglich. Sie werden es sowieso irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten machen müssen. Also machen Sie es bald", forderte Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) dieser Tage Kanzler Scholz im Bundestag auf.

Augenrollen gab es schon wenige Tage nach ihrem Amtsantritt. Da erklärte Lambrecht auf die Frage der Bild-Zeitung, ob sie schon einen Oberleutnant von einem Oberstleutnant unterscheiden könne, sie sei die "zivile Führung des Verteidigungsministeriums" und müsse "nicht sofort jeden mit Dienstgrad ansprechen". Es reiche "Herr oder Frau plus Nachname".

Vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, im Jänner, verkündete Lambrecht voller Begeisterung, dass Deutschland die Ukraine unterstützen und daher als Zeichen der Solidarität 5000 Schutzhelme liefern werde. Witali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, sprach von einem "absoluten Witz" und fragte, was Deutschland als Nächstes zur Unterstützung liefern werde: "Kopfkissen?"

Seither klebt das Image der Pannenministerin an Lambrecht. Es wurde nicht besser, als die Ministerin Mitte März in Brüssel erklärte, Deutschland wolle die neue EU-Eingreiftruppe mit bis zu 5000 Soldaten im ersten Einsatzjahr 2025 stellen". Im Ministerium wusste man von solchen Plänen nichts, Deutschland hätte das auch nicht stemmen können. Kurz darauf erfolgte die Korrektur: Es gehe nur um den "Kern" der Truppe.

Mit Pumps in Mali

In Mali, wo die Bundeswehr im Antiterroreinsatz ist, trat die 56-Jährige in Pumps auf. "Null-Bock-Ministerin" nennt der Spiegel die SPD-Politikerin, von "Frau Fettnapf" spricht das Nachrichtenportal T-online. Immer wieder dringen Indiskretionen aus dem Verteidigungsministerium, etwa dass Lambrecht kurz nach Beginn des Einmarschs in die Ukraine im Nagelstudio war und ihren Dienst vor neun Uhr nicht antritt.

Das Maß war für viele voll, als Lambrecht ihren 21-jährigen Sohn im Regierungshubschrauber mitnahm. Sie erklärte, dies sei korrekt abgelaufen, der Flug werde – wie vorgesehen – privat bezahlt. Doch es kam nicht gut an, dass der Sohn die Fotos auf Instagram postete.

"Ich muss mich überhaupt nicht rechtfertigen. Ich muss deutlich machen, wofür ich stehe und welche Entscheidungen ich auch treffe – das ist meine Aufgabe, und das mache ich auch", sagt sie nun zu den Vorwürfen, sie führe ihr Haus nicht energisch genug.

Bundeswehr ausstatten

Im Kabinett von Angela Merkel war Lambrecht Justizministerin gewesen. 2021 wollte sie eigentlich aus der Politik ausscheiden. Doch dann brauchte Scholz sie als Verteidigungsministerin. Noch steht er hinter Lambrecht und sagt, sie werde am Ende der Legislaturperiode als diejenige gelten, "die dafür gesorgt hat, dass die Bundeswehr endlich ordentlich ausgestattet ist".

Zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine informiert allerdings Scholz selbst gern, das ist eigentlich seine Chefsache. Die Kritik daran gilt auch ihm. So warf ihm gerade CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter vor, bei den schweren Waffen auf Zeit zu spielen. Denn: "Ich befürchte, dass der Bundeskanzler nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt." (Birgit Baumann aus Berlin, 23.5.2022)