Die ersten Vorboten trafen manche Reisende Anfang Mai. Die niederländische Fluggesellschaft KLM musste in Amsterdam über 50 Flüge streichen. Der Boulevard echauffierte sich über den "Wartewahnsinn am Flughafen Schiphol" – und beklagte das "totale Chaos". Tausende Reisende stauten sich in den Terminals, die Feuerwehr rückte aus – nicht um einen Brand, sondern um Durst zu löschen: An die Wartenden wurde Wasser verteilt. Autobahnabfahrten wurden gesperrt, Reisende aufgerufen, den Flughafen nicht mehr anzusteuern.

Was war passiert? Unangekündigt hatte das Bodenpersonal die Arbeit niedergelegt – und das just zu Beginn der Frühjahrsferien. Der Flughafen zog die Notbremse und rief die Airlines auf, Flüge zu streichen. Die Überlastung von Schiphol, einem wichtigen internationalen Drehkreuz, erklärte das Management mit Mangel an Bodenpersonal. Mitte Mai ein ähnliches Bild in Düsseldorf oder Köln-Bonn: bis zu 300 Meter lange Warteschlangen, Wartezeiten von mehr als 40 Minuten.

Lange Schlangen, Wartezeiten am Flughafen Stuttgart.
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Es ist wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was heuer im Sommer wieder im großen Stil drohen könnte. Die Airlines fliegen noch auf Sparflamme. Viele Beschäftigte haben während des Corona-bedingten Stillstands die Branche verlassen. Weil sie wegen Kurzarbeit zu wenig verdienten, weil sie grundsätzlich beim Gehalt Abstriche machen mussten, vielleicht auch weil ihr Job gestrichen worden ist. Europaweit mussten Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber und ihre Dienstleister die Gürtel enger schnallen. Manche hielten sich nur dank üppiger Staatshilfen über Wasser.

Die Reiselust ist zurück

Jetzt fährt die Branche wieder hoch und jubelt über erfreuliche Buchungszahlen. Die Corona-bedingten Reisebeschränkungen sind weitgehend aufgehoben – und nach den Jahren der erzwungenen Enthaltsamkeit ist die Reiselust zurück. Die Kapazitäten sind es noch nicht. Mühsam rappeln sich die meisten aus der Verlustzone. Alle mussten kräftig Federn lassen – an allen Ecken und Enden wurde gespart. Jetzt ist alles auf Kante genäht.

Der britische Billigflieger Easyjet schrumpfte jüngst sein Sitzplatzangebot – wegen Personalnot. In den 60 in Großbritannien stationierten Airbus A319 können nur noch 150 statt 156 Sitze reserviert werden – dafür kommt man mit weniger Bordpersonal aus. Arbeitskräfte sind auch in Großbritannien rar in der Branche. Aber nicht nur dort.

Außerdem gab Easyjet am Samstag bekannt, in den kommenden zehn Tagen 200 Flüge zu streichen. Dies sei notwendig, um einen verlässlichen Service aufrechterhalten zu können, teilte das Unternehmen mit. Als Gründe wurden verschiedene Probleme wie Verzögerungen an den Flughäfen, Bauarbeiten sowie Einschränkungen in der Flugüberwachung genannt.

Die Umstellung vom Krisenmodus in den Vollbetrieb ist eine Herausforderung. Ob sie gelingt, wird sich weisen.
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Bei Gernot Fieber schlagen die damit verbundenen Probleme der Fluggäste auf. Hatte er vor zwei Jahren in der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer Oberösterreich vielfach mit Stornierungen zu tun, schlagen nun vermehrt Annullierungen und Umbuchungen bei ihm auf. "Sie nehmen schon wieder zu", sagt er. Ähnlich sieht das Oskar de Felice vom Fluggastrechteportal Flightright: "Wir merken jetzt schon den Personalmangel an einigen Flughäfen in Deutschland und Europa." Zu Pfingsten könnte es seiner Einschätzung nach ungemütlich werden. "Die Airlines und Flughäfen versuchen gerade, so schnell es geht, aus dem Krisenmodus auf Volllast umzustellen. Da geht immer wieder etwas schief", so der Experte.

Auch in Wien sind die einen oder anderen unkomfortablen Reiseerlebnisse zu erwarten. Weniger beim Homecarrier AUA. Da könnte es allenfalls beim Kabinenpersonal eng werden. Das Nadelöhr wird eher beim Sicherheitspersonal oder bei der Flugsicherung befürchtet. So schlimm wie in Deutschland wird es aber nicht kommen, ist Flughafen-Arbeiterbetriebsratschef Thomas Faulhuber überzeugt: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den Sommer überstehen – mit der einen oder anderen Schramme."

Die üblichen Verdächtigen

Die könnte auch so manchen Reisenden drohen, sagt Konsumentenschützer Fieber. Vor allem Kunden von Billigfliegern wie Ryanair und Wizzair berichten wieder von allerlei Ungemach – etwa einem deutlich vorverlegten Flug, ohne dass die Fluggäste informiert wurden. Im schlimmsten Fall ist der Urlaub in so einem Fall komplett versaut. An das Geld für sein Ticket zu kommen, falls ein Flug nicht zustande kommt, ist in den meisten Fällen auch kein Honigschlecken. Fieber bereitet sich jedenfalls auf einen heißen Sommer vor. (Regina Bruckner, 25.5.2022)