Kanzler Karl Nehammer hat etwas bewegt: Der Verbund-Konzern gibt einen Teil seiner unverdient verdienten Gewinne in Form einer Sonderdividende her. Dass ein Teil dieser 400 Millionen Euro an private Aktionäre fließt, die noch weniger zu ihrem Glück beigetragen haben, scheint für die Anhänger einer Gewinnabschöpfung bei Energieunternehmen keine Rolle zu spielen. Erstaunlich: Sonst werden Konzerne für hohe Dividendenzahlungen eher gescholten als gelobt.

Der Verbund will mit diesem Schritt wohl eine Sondersteuer abwenden, wie sie in Italien eingeführt und in anderen Staaten diskutiert wird. Auch das wäre in Österreich populär, wobei man sich dann fragen müsste, auf Basis welcher Kriterien Zusatzsteuern auferlegt werden sollten. Die normale Körperschaftsteuer beträgt 25 Prozent; bei höheren Unternehmensgewinnen nimmt der Fiskus ohnehin mehr ein und profitiert auch von der Besteuerung ausgeschütteter Dividenden. Wer Sondersteuern fordert, tritt für eine Art progressives Körperschaftsteuersystem ein, in dem der Steuersatz – wie bei Privatpersonen – mit wachsender Profitabilität steigt.

Der Verbund-Konzern gibt einen Teil seiner unverdient verdienten Gewinne in Form einer Sonderdividende her.
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Das erscheint auf den ersten Blick fair. Aber würde das auch für die Voestalpine gelten, wenn sie dank höherer Stahlpreise in ein paar Jahren wieder Rekordgewinne einfährt? Oder gar für Bauern, wenn der Milchpreis deutlich steigt? Und müsste jedes Start-up, das mit einem innovativen Produkt hohe Gewinne einfährt, mehr Steuern bezahlen? Eine solche Abschöpfung auf Zufallsprofite zu beschränken würde nicht funktionieren. Denn Unternehmensergebnisse beruhen immer auf einer Mischung aus Leistung und Glück. Man kann sich vorstellen, wer noch in einem Land investieren würde, in dem der Staat Erfolg mit Strafsteuern belegt.

Finanzielles Sorgenkind

Doch die vorherrschende Meinung in Europa ist, dass Energiekonzerne als Kriegsgewinnler bluten müssen – und ganz besonders der Verbund, der ja seinen Strom aus der Wasserkraft billig produziert, ihn aber dank hoher Gaspreise teuer verkaufen kann. Vergessen wird, dass noch vor ein paar Jahren die Wasserkraft wegen teurer Investitionen und billigen Gases ein finanzielles Sorgenkind war. Es gehört zu den Grundregeln der Betriebswirtschaft, dass sich der Preis in einem kompetitiven Markt nach den Kosten des teuersten Anbieters richtet; wer billiger produziert, hat höhere Gewinne. Das bietet einen Ansporn für alle, in die effizienteste Produktion zu investieren, und tatsächlich haben Österreichs Stromkunden von dieser Liberalisierung jahrelang profitiert. Jetzt, wie es manche fordern, den Gaspreis zu subventionieren, damit Strom billiger wird, läuft jeder Klimastrategie zuwider, die das Land ja von Gas entwöhnen soll.

Gewinnabschöpfung bei der Energiewirtschaft – egal wie es geschieht – ist kurzfristiger Populismus. Beim Verbund wäre es das Beste, wenn die Gewinne im Unternehmen bleiben und der Mehrheitsaktionär Bund verfügt, dass mit ihnen der Ausbau der Wasserkraft – sofern die Umweltschützer dies zulassen – und andere erneuerbare Energiequellen finanziert werden. Dann würden Strompreise gemeinsam mit der Abhängigkeit von fossiler Energie aus Russland längerfristig am ehesten sinken. Ja, teure Energie ist schmerzhaft, aber es gibt kein Menschenrecht auf billigen Strom und billiges Gas. Für jene Menschen, die wirklich leiden, muss der Staat sorgen, aber nicht, indem er ein paar Konzerne zur Kasse bittet. (Eric Frey, 27.5.2022)