Der sizilianische Sternekoch Ciccio Sultano

Foto: The Ritz-Carlton, Vienna

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Artikel stammt aus dem RONDO Exklusiv "Dolce Far Niente", unserem Italien-Schwerpunktheft.

Foto: Getty Images

Getrockneter Fischrogen, der Bottarga genannt und über Spaghetti gerieben wird, dazu eine Sauce mit Mandeln, Orange und Zitrone – das serviert der sizilianische Sternekoch Ciccio Sultano gerne Ende Mai zum Fest der Madonna delle Milizie. Sie ist die Schutzpatronin seiner Heimatstadt Ragusa.

Der Legende zufolge unterstützte sie die Normannen im Jahr 1091 auf einem weißen Pferd reitend in einer Schlacht und beendete damit die arabische Herrschaft auf der Insel. Noch heute wird dessen in einem jährlichen Kostümfest gedacht, und da kommen traditionellerweise eben Spaghetti mit Bottarga auf den Tisch. Die oben beschriebene Interpretation der Festtagspasta ist eines der typischsten Gerichte im Repertoire Ciccio Sultanos, und der Mythos dahinter illustriert, was die sizilianische Küche ausmacht.

Wechselhafte Geschichte

Die italienische Insel hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Griechen, Römer, Araber, Normannen oder Bourbonen – sie alle herrschten im Laufe der Zeit über Sizilien und haben ihre Spuren hinterlassen. Die verschiedenen kulturellen Einflüsse spürt man noch heute – auch in der Küche. Beispielsweise in Form von Oliven, Honig, Mandeln oder Stockfisch.

Der kulinarische Reichtum der Insel würde auf der ganzen Welt geschätzt, sagt Ciccio Sultano bei einem seiner Besuche in Wien. Die Lage der 25.000 Quadratkilometer großen Insel mit guter Erde, vielen Sonnentagen, Bergen und Meer biete optimale Bedingungen für vielerlei Lebensmittel. Mit hochwertigen Zutaten, so der Koch, könne man auch einfache Rezepte zu besonderen Gerichten machen – wie das Sugo delle Feste, eine reichhaltige, rotbraune Fleischsauce auf Tomatenbasis, die zu Sultanos Lieblingsspeisen gehört und am besten im Kreis der Familie bei Grillereien auf dem Land serviert wird.

Michelin-Stern

Nach dem frühen Tod seines Vaters begann Ciccio Sultano mit 13 in einer Pasticceria Mehlspeisen zuzubereiten. "Es war nicht meine Wahl, ich wollte die Schule fertig machen. Aber ich musste arbeiten und die Familie unterstützen", erzählt er. Als glückliche Fügung kann man wohl bezeichnen, dass ihn die Gastrowelt sofort begeisterte.

Er blieb in der Branche und eröffnete 2000 schließlich ein eigenes Restaurant, das Il Duomo in Ragusa. Vier Jahre später wurde es mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Was das bedeutete, war ihm anfangs aber gar nicht so recht bewusst. "Ich hab das einfach hingenommen, weil ich den Guide Michelin nicht kannte.

Erst als mich von überallher Leute anriefen, um mir zu gratulieren, habe ich gemerkt: Das ist etwas Großes", lacht der Spitzenkoch. Danach habe er sich noch mehr ins Zeug gelegt, was 2006 mit einem weiteren Michelin-Stern prämiert wurde. "Über den konnte ich mich dann auch gebührend freuen."

Schritt ins Ausland

Nachdem er 2015 in Ragusa das Lokal I Banchi eröffnet hatte, wagte er Ende 2018 den Schritt ins Ausland. Im Hotelrestaurant Pastamara im Wiener Ritz-Carlton zeichnet er seither für die Speisekarte verantwortlich. Diese beschreibt er als eine Mischung aus gehobener und breitentauglicher Küche mit Streetfood-Elementen.

"Am Anfang war ich nervös, ob meine Gerichte im Ausland gut ankommen werden. Aber ich sehe das positiv. Es ist ein Zeichen dafür, dass einem etwas wichtig ist. Nach vier Jahren bin ich entspannt, weil sich gezeigt hat, die Leute schätzen, was wir hier tun", erzählt Sultano beim gemeinsamen Termin im Pastamara. Seit Anfang des Jahres verantwortet er außerdem das Giano im Hotel W in Rom. Außerdem ist geplant, diesen Sommer ein Lokal im türkischen Bodrum zu eröffnen.

Übersetzungsfreiheit

Egal ob Sterneküche oder Streetfood – wo Sultano draufsteht, ist Sizilien drin. Es sei ihm aber wichtig, das kulinarische Erbe seiner Heimat in die Moderne zu führen. Dazu müsse man sich trauen, von traditionellen Rezepten abzuweichen, und sich Spielraum für Interpretationen einräumen, sagt der Spitzenkoch.

Es sei wie bei Übersetzungen: Man könne nicht Wort für Wort am Original bleiben, es brauche eine gewisse Freiheit. So hat er eben auch die traditionsreichen Spaghetti mit Bottarga abgewandelt beziehungsweise modernisiert. Wer sie gerne kosten möchte, muss nicht extra nach Sizilien reisen. Das Gericht steht auch im Pastamara auf der Speisekarte – und das nicht nur zum Feiertag der Madonna delle Milizie. (Michael Steingruber, RONDO exklusiv, 1.7.2022)