Der neue ORF-Publikumsrat konstituierte sich am 5. Mai 2022. Nun beschwert sich die Universitätenkonferenz gegen die aus ihrer Sicht rechtswidrige Zusammensetzung.

Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Wien – Die jüngste Bestellung der ORF-Gremien kommt vor die Medienbehörde Komm Austria: Die Universitätenkonferenz hat Beschwerde bei der Behörde eingelegt. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) habe "rechtswidrig" Mitglieder für den ORF-Publikumsrat bestellt, erklärt die Universitätenkonferenz. Die Medienbehörde bestätigt das Einlangen einer solchen Beschwerde.

Die Medienministerin sucht 17 der 30 Mitglieder des ORF-Publikumsrats aus, eines von zwei Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie muss dafür Vorschläge von Organisationen einholen, die repräsentativ für bestimmte, vom Gesetz vorgegebene Gesellschaftsgruppen sind. Zudem sieht das Gesetz Dreiervorschläge dieser Institutionen vor. Auf diese Punkte verwies zuletzt auch der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer in einem Blogeintrag, auch er konstatierte Gesetzwidrigkeit. Lehofer war der erste Leiter der Medienbehörde Komm Austria, er ist inzwischen Richter am Verwaltungsgerichtshof.

Für den Vertretungsbereich Hochschulen schickten zwei Organisationen Vorschläge: Der oberösterreichische Verein Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung schlug alleine den Wissenschafter Markus Hengstschläger vor (statt eines Dreiervorschlags). Und die Österreichische Universitätenkonferenz schickte einen Dreiervorschlag mit dem renommierten Digitalrechtler Nikolaus Forgó, dem Medienwissenschafter Thomas Steinmaurer und der medienerfahrenen Pressereferentin Marion Gollner.

Die Medienministerin bestellte in diesem Frühjahr Hengstschläger (neuerlich) in den ORF-Publikumsrat.

Die Universitätenkonferenz moniert nun in ihrer Beschwerde, dass der Verein Academia Superior für den Bereich Hochschulen nicht repräsentativ sei. Es fehlten Bezüge, sein Wirkungsbereich sei zudem auf Oberösterreich beschränkt und schon damit für Österreichs Hochschulen nicht repräsentativ. Damit habe Medienministerin Raab den "einzigen gesetzeskonformen Vorschlag" nicht berücksichtigt.

Nähe zur ÖVP

Die Universitätenkonferenz sieht zudem einen weiteren Widerspruch der Bestellung zu gesetzlichen Regelungen: Die Academia Superior habe eine deutliche parteipolitische Nähe zur von der ÖVP gestellten Medienministerin. Obfrau des Vereins ist laut dessen Homepage Christine Haberlander, die von der ÖVP gestellte Landeshauptmann-Stellvertreterin in Oberösterreich. Vorsitzender des Kuratoriums des Vereins ist Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), moniert die Universitätenkonferenz.

Die Medienbehörde entscheidet als erste Instanz über solche Beschwerden, ein Instanzenzug bis zu Höchstgerichten ist möglich.

Bürgerliche Mehrheit

Die Medienministerin bestimmt mit 17 von 30 Mitgliedern die Mehrheit im Publikumsrat. Mit dieser Mehrheit bestimmt der Publikumsrat sechs Mitglieder für den gewichtigeren ORF-Stiftungsrat, der über ORF-Management, -Budgets und große unternehmerische Fragen entscheidet.

Je drei der Mitglieder aus dem Publikumsrat sind der ÖVP und den Grünen zuzurechnen. Die Entsendung unterstützt die Mehrheit der ÖVP und die Zweidrittelmehrheit der Regierungskoalition im ORF-Stiftungsrat. (fid, 1.6.2022)