"I didn’t punch you, I was hitting you, you are such a baby!", hörte man es durch den Gerichtssaal in Fairfax hallen. Dieses Verharmlosen von Gewalt jagt wahrscheinlich einigen Frauen kalte Schauer über den Rücken – Frauen mit Gewalterfahrungen, Frauen, die von ihren Partnern, im besten Fall Ex-Partnern, misshandelt wurden. Denn in den allermeisten Fällen sind es Frauen, die häusliche Gewalt durchleben und mitunter nicht überleben.

Doch der eben zitierte Satz von einer der vielen Tonbandaufnahmen, die im Verleumdungsprozess abgespielt wurden, in dem sich Amber Heard und ihr Ex-Mann Johnny Depp gegenseitig beschuldigten, kam nicht von Depp, sondern von Heard. Dass Heard den Prozess am Mittwoch verlor, hing aber sicher nicht an dieser einen Tonbandaufnahme.

Heard schadete ihrer eigenen Glaubwürdigkeit

Die Schauspielerin wurde im Verlauf des Prozesses immer wieder dabei ertappt, sich zu widersprechen und die Unwahrheit zu sagen. Sie bezichtigte dutzende Zeuginnen und Zeugen wie auch Gutachter de facto der Lüge, weil sie ihre Darstellung nicht untermauerten. Sie unterstellte ihnen allen, von Depp bezahlt zu werden. Sie log wiederholt darüber, dass sie sieben Millionen Dollar aus ihrer Scheidungsvereinbarung längst an wohltätige Organisationen gespendet habe. Vor Gericht gab sie nun zu, dass sie das erst vorhatte. Das schließt natürlich nicht aus, dass sie trotzdem ein Opfer häuslicher Gewalt wurde, doch es schadete ihrer Glaubwürdigkeit.

Depp bestritt nicht, randaliert zu haben, aber Frauen will er nie geschlagen haben.
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Depp hingegen bestritt weder, dass er massive Drogenprobleme hat, noch, dass er mitunter randaliert. Geschmacklose Gewaltfantasien in Nachrichten an Freunde beschrieb er als schwarzen, seiner Frustration geschuldeten Humor. Nur: Frauen will er nie geschlagen haben. Für seine Verletzungen konnte er – anders als Heard – auch ärztliche Atteste vorlegen.

Wie sollen Geschworene mit so einer Beweislage umgehen? Fest steht: Frauen sind viel öfter Opfer häuslicher Gewalt, und Frauen wird sehr oft nicht geglaubt. Doch was tun, wenn einmal tatsächlich eine Frau lügt und zudem selbst gewalttätig wurde? Muss man dann an ihrer Unschuld festhalten, weil es anders nicht sein darf? Feminismus war stets ein Kampf um Gerechtigkeit. Außerhalb des Gerichtssaals wurde Heard diese nicht zuteil. Sie wurde vorverurteilt und frauenfeindlich beschimpft. Doch das heißt nicht, dass die Geschworenen ein unrechtes Urteil fällten. Nicht jeder Mensch, der Amber Heard nicht glaubt, tut das aus Sexismus – oder gar gerne. (Colette M. Schmidt, 2.6.2022)