Erst im Dezember verließ Sebastian Kurz dort die politische Bühne, wo sich Karl Nehammer schon wenige Stunden später als neuer Kanzler und ÖVP-Chef präsentierte: auf dem Gelände des Springer-Schlössls. Das betagte, von einem Park umringte Gebäude im zwölften Wiener Gemeindebezirk ist nicht nur ein Seminarhotel, es beheimatet auch die türkise Parteiakademie. Dieser Akademie gehört zur Gänze die Betriebsgesellschaft des Hotels, wie aus dem Firmenbuch hervorgeht. Und diese Gesellschaft hat Corona-Hilfen beantragt und auch überwiesen bekommen. Das berichtet das Ö1-Morgenjournal.

Konkret gehe es um 185.000 Euro als Umsatzersatz Ende 2020 – von einem Teil davon berichtete bereits der STANDARD. Darüber hinaus geht es um weitere 220.000 Euro aus dem sogenannten "Non-Profit-Organisation – Unterstützungsfonds" (NPO-Fonds), der als finanzielle Stütze für gemeinnützige Organisationen gedacht ist. Das ist übrigens jener Beihilfentopf, der derzeit speziell den oberösterreichischen Seniorenbund beschäftigt. Dieser hat fast zwei Millionen Euro daraus kassiert, obwohl Parteien und ihre Teilorganisationen davon ausgeschlossen sind. Doch der Seniorenbund verweist darauf, dass die Förderung nicht als Parteiorganisation beantragt worden sei, sondern über eine parallel laufende Vereinsstruktur.

Anfang Dezember schritt Karl Nehammer durch den Park des Springer-Schlössls zum ÖVP-Parteivorstand. Danach war er Kanzler und türkiser Parteichef.
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Rechtlich sei die Sache hinsichtlich der Parteiakademien, die im vergangenen Jahr mit insgesamt 10,5 Millionen Euro staatlich gefördert wurden, etwas anders gelagert. Laut dem Büro des zuständigen Vizekanzlers Werner Kogler (Grüne) hätten die Akademien nämlich durchaus Geld aus dem NPO-Fonds beantragen dürfen, wie Ö1 berichtet. Warum das? Weil Parteiakademien per Gesetz gemeinnützig sein müssen, die Akademie werde auch nicht als Teilorganisation geführt, heißt es aus Koglers Ressort. Direkt habe aber keine Parteiakademie Hilfe aus dem Fonds abgeholt, jene der ÖVP allerdings – wenn man so möchte – indirekt über die Betriebsgesellschaft des Seminarhotels. Grund für eine spezielle Prüfung gebe es derzeit allerdings keine, heißt es im zuständigen Ministerium.

Der Vorsitzende des dortigen Aufsichtsrats ist Gabriel Obernosterer, seit 2006 ÖVP-Nationalratsabgeordneter, Vorsitzender des Budgetausschusses und Hotelier. Die politische Akademie habe wirtschaftlich mit dem Seminarhotel "überhaupt nichts" zu tun, sagt Obernosterer zu Ö1. Das sei ein ganz eigener Geschäftsbereich.

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem Hotel und den Teilnehmern der ÖVP-Seminare gibt, könne er aber nicht bestreiten. Es gehe dabei allerdings hauptsächlich um Tagesseminare. Nächtigungen der Parteiakademie lägen im "minimalen einstelligen Prozentbereich", erklärt Obernosterer. Aus Sicht des Abgeordneten könnte man darüber diskutieren, warum eine Partei überhaupt ein Hotel betreibe: "Aber es wäre etwas verschwunden, glaube ich, da draußen in diesem schönen Park, wenn diese Möglichkeit nicht vorhanden wäre."

Kärntner und Tiroler Seniorenbund bekamen Hilfen

Beim NPO-Fonds kräftig zugelangt haben offenbar auch mehrere ÖVP-nahe Vereine. Das zeigt eine parlamentarischen Anfrage der Neos an Vizekanzler Kogler, über die die "ZiB 2" am Donnerstag berichtete. Die Antworten liegen auch dem STANDARD vor.

Demnach wollten die Neos wissen, ob in den Jahren 2020 und/oder 2021 aus dem NPO-Unterstützungsfonds Hilfszahlungen an Vorfeldorganisationen der politischen Parteien in den Bundesländern (ausgenommen Oberösterreich) genehmigt wurden. In der darauffolgenden Auflistung scheinen dann ausschließlich Vereine auf, die der ÖVP nahestehen – darunter etwa Seniorenbund, Junge ÖVP, Schülerunion und studentische Aktionsgemeinschaft.

In Summe die meisten Gelder wurden in Tirol ausbezahlt. Dort gingen laut Anfragebeantwortung rund 184.764 Euro an den Tiroler Seniorenbund und dessen Teilvereine, 8.197 Euro an die Tiroler Schülerunion und 5.337 Euro an die Aktionsgemeinschaft Innsbruck. Auf Platz zwei liegt Kärnten: 50.933 Euro kassierte der dortige Seniorenbund samt Teilvereinen. Darauf folgt Wien: Rund 18.463 Euro wurden an die dort angesiedelte Schülerunion Österreich und 7.280 Euro an die Schülerunion Wien ausbezahlt.

"Es ist bezeichnend, dass sich fast nur ÖVP-nahe Organisationen an diesem Fonds bedient haben", sagt die Neos-Abgeordnete Katharina Werner. Dieser weitere ungenierte Griff nach Steuergeld dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben. "Wir fordern den Vizekanzler auf, umgehend das Geld zurückzufordern und restlos aufzuklären, wieso sein Ministerium überhaupt an die parteinahen Institutionen ausgezahlt hat", sagt Werner.

Schiefe Optik bei Schülerunion und Aktionsgemeinschaft

Dieser Prozess ist laut Anfragebeantwortung bereits im Gang. Untersucht werde, ob den aufgelisteten Vereinen die Zahlungen tatsächlich zustehen, heißt es darin sinngemäß. Die Antragsteller wurden demnach aufgefordert zu begründen, warum die Bestimmungen der NPO-Fonds auf sie anzuwenden sind.

Wahrscheinlich ist, dass der Bezug der Gelder durch den Kärntner und den Tiroler Seniorenbund sowie durch die JVP Niederösterreich (sie kassierte 3.270 Euro) rechtlich problematisch ist. Denn alle drei sind laut türkisem Parteistatut Teilorganisationen der ÖVP und daher per Definition von Hilfszahlungen aus dem NPO-Fonds ausgeschlossen.

Anders gelagert dürfte die Sache bei Schülerunion und Aktionsgemeinschaft sein. Diese sind rechtlich keine türkisen Teilorganisationen. Organisationen, die einer Partei lediglich nahestehen, stehen Gelder aus dem NPO-Fonds zu. Hier geht also wohl eher um die Optik. Sicherheitshalber werde aber auch hier geprüft, heißt es aus dem Büro von Vizekanzler Kogler. (Jan Michael Marchart, Stefanie Rachbauer, 10.6.2022)