Scholz bei einer Pressekonferenz in Skopje.

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Skopje/Berlin – Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien gefordert. "Die vor zwei Jahren fest zugesagten Beitrittsverhandlungen müssen jetzt beginnen. Ich werde mich jedenfalls dafür stark machen", sagte der SPD-Politiker am Samstag nach einem Gespräch mit Nordmazedoniens Regierungschef Dimitar Kovacevski in Skopje. "Mein Wunsch: Es soll jetzt klappen."

Er bekräftigte, dass es Deutschland ernst meine mit der Integration der Staaten des westlichen Balkans in die Europäische Union. "Das gilt ganz besonders für Nordmazedonien. Die EU steht besonders gegenüber Nordmazedonien im Wort, das alle Voraussetzungen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt hat." Scholz würdigte die "politische Kraft", die eine Verständigung des Landes mit Griechenland möglich gemacht habe. "Deshalb sollte uns der Rest der Aufgaben auch noch gelingen."

Vor knapp 20 Jahren sei den sechs Ländern des westlichen Balkans der EU-Beitritt in Aussicht gestellt worden. Man habe "als Europäische Union hier auch eine Verpflichtung, die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Versprechungen umzusetzen und zu realisieren", sagte der Kanzler.

Kovacevski machte deutlich, dass sich sein Land vom EU-Gipfel im Juni eine Bestätigung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erhoffe. "Wir erwarten uns einen Schritt, den wir verdient haben." Nordmazedonien habe große Anstrengungen unternommen und Verwaltung und Justiz reformiert. "Der Besuch von Bundeskanzler Scholz ist ein starkes Signal dafür, dass Berlin anerkennt, dass wir die Kriterien für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erfüllen."

Auch Scholz erkannte an, dass die Bürger und die Regierung des Landes "sehr hart gearbeitet" hätten, um den Weg für Beitrittsverhandlungen frei zu machen. Nun sollte für diese Anstrengungen die Ernte anstehen. Scholz ermunterte das Land, den eingeschlagenen Reformweg weiter zu gehen. Zugleich würdigte er, dass Nordmazedonien die EU-Positionen und Sanktionen gegenüber Russland voll mittrage. "Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie fest Nordmazedonien auf dem Grund europäischer Werte steht und auch bereit ist, dafür einzustehen."

Perspektive

Nordmazedonien ist seit 17 Jahren EU-Beitrittskandidat. Im Juli 2020 gab die EU-Kommission im Prinzip grünes Licht für konkrete Verhandlungen. Diese werden aber von Bulgarien wegen eines Streits um Geschichtsschreibung und Rechte der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien blockiert.

Kovacevski sagte in der Pressekonferenz mit Scholz dazu: "Wir sehen, es gibt politische Turbulenzen in Bulgarien, wir haben darauf keinen Einfluss, wir können das nicht kommentieren oder interpretieren." Es sei aber augenscheinlich, dass diese Frage im Nachbarland zu einer innenpolitischen Frage geworden sei und "oft einseitig instrumentalisiert und politisiert" werde.

Zugleich seien aber die Außenministerien beider Länder in einem Gesprächsprozess, um die Hindernisse für die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen auszuräumen. "Wenn es dabei zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung kommt, wird dies in einem gemeinsamen Dokument festgehalten", sagte der Regierungschef. "Derzeit gibt es aber ein derartiges gemeinsames Dokument nicht."

Scholz ist am Freitag zu einer Balkan-Reise aufgebrochen, bei der es vor allem um die EU-Beitrittsperspektive für sechs Länder der Region gehen wird. Schon bei der Ankündigung der Reise hatte er Mitte Mai betont, dass er damit die Botschaft setzen wolle: "Der westliche Balkan gehört in die Europäische Union", so der deutsche Kanzler.

Auch Österreich drängt auf einen Beginn der Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanstaaten. Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist es "Bedingung", dass wenn die Ukraine einen Beitrittskandidatenstatus erhalte, "das Gleiche auch für die Staaten des Westbalkans gilt und für die Republik Moldau", so Nehammer in einer Pressekonferenz mit der estnischen Premierministerin Kaja Kallas am Freitag. (APA/dpa), 11.6.2022)