Einblick in die Ausstellung "Die Sammlung Schedlmayer. Eine Entdeckung", die Mitte April zu Ende ging. Einige dieser Exponate kommen nun im Dorotheum zur Versteigerung.

Foto: Leopoldmuseum, Reiner Riedler

Am Montag beginnen im Palais Dorotheum die Vorbereitungen für jene Präsentation, in der ab Mittwoch Objekte des Jugendstils und angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts zu sehen sein werden, die am 30. Juni zur Versteigerung kommen: 92 Lotnummern, die nun – sorgsam in Vitrinen verwahrt, von der Decke baumelnd oder solitär in den Schauräumen verteilt – den partiellen Restbestand der einst umfangreichen und über Ausstellungen in den vergangenen Jahren bekannt gewordenen Sammlung Schedlmayer darstellen.

Die Geschichte dazu begann mit dem Kauf einer desolaten Villa in Baden bei Wien 1989, die der Architekt, Designer und Secessionist Otto Prutscher 1912 im Auftrag von Moriz Rothberger um- und ausbaute. Letzterer leitete einst gemeinsam mit den Brüdern Heinrich und Alfred das von ihrem Vater Jacob Rothberger 1886 gegründete und 1895 erweiterte Kaufhaus an der wohl prominentesten Adresse Wiens gegenüber dem Stephansdom.

Zentrum einer Leidenschaft

Fritz und Hermi Schedlmayer waren von dem Anwesen in der Kurstadt regelrecht fasziniert. Sie ließen es liebevoll restaurieren und begannen sich intensiver mit dem Architekten ihres Heims auseinanderzusetzen: Otto Prutscher wurde so zum Zentrum der gemeinsamen Sammelleidenschaft, wie ihr Sohn resümiert.

Das Design der in der Wiener Werkstätte 1920 ausgeführten sechsflammigen Kerzenleuchter stammte von Otto Prutscher – bekrönt mit einem Jahreszeitenputto von Michael Powolny.
Foto: Dorotheum

Bei internationalen Auktionen ersteigerten sie nicht nur Entwürfe und historische Fotografien, sondern auch das originale Gitter für Kamin und Speiseaufzug aus dem Jahr 1913. Über die Jahre trug Hermi Schedlmayer nicht nur Informationen über das umfangreiche Œevre Otto Prutschers zusammen, der stets im Schatten des Übervaters der Moderne Josef Hoffmann gestanden war, sondern begann auch seine Entwürfe und Ausführungen zu sammeln.

Mal waren es die berühmten, von der Firma Meyr’s Neffen ab 1907 produzierten Stängelgläser, mit farbigen Überfängen (zu 5000 oder 8000 Euro), dann wieder eine Vase aus Perlglas, ein mustergeschütztes Dekor, das Prutscher mit Lötz entwickelt hatte, eine rote Version von 1908 (45.600 Euro, Sotheby’s Amsterdam, 2005).

Erste Schenkungen

Oder auch eine Vitrine, die bei der Kunstschau von 1908 Teil des von Prutscher gestalteten "Raums für einen Kunstliebhaber" war: 2005 ersteigerte das Ehepaar das Möbelstück bei "im Kinsky" zum Hammerpreis von 18.000 Euro (exkl. Aufgeld).

2017 gelangte die Vitrine zusammen mit rund 140 anderen Entwürfen, Objekten in Silber, Glas und Keramik sowie Möbeln im Zuge einer großzügigen Schenkung von Hermi Schedlmayer zum damaligen Gegenwert von etwa 800.000 Euro in den Bestand des Museums für angewandte Kunst (Mak) in Wien. Eine Datenbank mit 6000 Datensätzen und rund 7000 Bildern hatte sie 2016 zur Förderung weiterer Prutscher-Forschung der Universität für angewandte Kunst überlassen.

Ein Sammler-Interieur des Ehepaars Schedlmayer. Zur Versteigerung kommen jetzt etwa die Sitzgarnitur von Gustav Siegel (Jacob & Josef Kohn), der Luster von Otto Prutscher (Melzer & Neuhardt) oder auch das Prutscher zugeschriebene Buffet.
Foto: Birgit und Peter Kainz

Die anlässlich von Otto Prutschers 70. Todestag vom Mak ausgerichtete Ausstellung (Allgestalter der Wiener Moderne, November 2019 bis Mai 2020) sollte sie nicht mehr erleben, ebenso nicht die Realisierung der von ihr lange geplanten Publikation. Die Umsetzung Letzterer übernahm ihr Enkel, ein zweibändiges Grundlagenwerk, das 2020 in der Edition Angewandte, der Buchreihe der Universität für angewandte Kunst Wien, im Birkhäuser-Verlag erschien.

Dauerleihgaben

Hermi Schedlmayer ist 2018 verstorben, ihr Ehemann Fritz 2013. Die in knapp drei Jahrzehnten gemeinsam aufgebaute Sammlung fokussierte auf die Wiener Moderne, umfasste aber auch moderne Glaskunst und Arbeiten von Zeitgenossen Prutschers und einiger Künstler der Nachkriegszeit. Eine Entdeckung hieß die der Sammlung des Ehepaars gewidmete Ausstellung, die bis Mitte April 2022 im Leopold-Museum zu sehen war.

Im Zuge dessen gelangten "110 Werke Otto Prutschers, das gesamte im Besitz der Familie verbliebene Archiv und die umfangreiche Bibliothek als großzügige Schenkung in den Bestand des Leopold-Museums", wie dessen Direktor Hans-Peter Wipplinger erzählt. Weiters verblieben 105 von ihm persönlich ausgewählte Kunstwerke "als Dauerleihgabe bei uns im Haus, darunter Gemälde deutscher Expressionisten sowie Werke von Broncia Koller-Pinell, Anton Faistauer, Anton Kolig oder Karl Hofer". Über weitere Schenkungen befinde man sich mit einem Teil der Erben noch in Gesprächen.

Teilabverkauf

Einblick in einen der Salons in der ehemaligen Villa Rothberger, die von Hermi und Fritz Schedlmayer liebevoll restaurierte und mit Objekten von Otto Prutscher ausstattete.
Foto: Birgit und Peter Kainz

Ein anderer Teil der Erben entschloss sich zur Versteigerung der eingangs erwähnten Objekte, die teils ebenfalls im Leopold-Museum ein prominentes und wohl auch den monetären Wert steigerndes Gastspiel hatten: darunter Entwürfe von Josef Hoffmann wie das 42-teiliges Besteck "rundes Modell" (Schätzwert 5000–9000 Euro) oder ein großer, um 1925 datierter Messingluster (15.000–25.000 Euro) der Wiener Werkstätte (WW).

Das Gros der unter den Hammer kommenden Objekte stammte jedoch von Prutscher: Keramiken, Vasen der Manufaktur Johann Lötz Witwe, bunte Kelchgläser von Meyr’s Neffe, Glasgarnituren von Bakalowits & Söhne und ein Paar sechsflammiger WW-Kerzenleuchter, die von Jahreszeitenputti Michael Powolnys bekrönt werden (10.000 – 15.000 Euro).

Mutmaßlich direkt vom Museum ins Dorotheum transportiert wurde etwa ein Prutscher zugeschriebenes Buffet aus einem Speisezimmer (12.000–20.000 Euro) oder ein um 1910 datierter Kabinettschrank aus dem Umkreis von Josef Hoffmann oder Otto Prutscher, der von Magda Pfabigan, Jugendstil-Expertin des Dorotheums, mit einer Taxe von 3000 bis 5000 Euro vergleichsweise günstig angesetzt wurde. Gemäß der Summe aller Schätzwerte soll der Schedlmayer-Abverkauf einen Erlös zwischen rund 256.000 und 425.000 Euro bringen. (Olga Kronsteiner, 19.6.2022)