Am Donnerstag war für das Café Westend Sperrstunde.

Foto: oliver das gupta

So richtig verkraftet scheint das Aus für das alteingesessene Kaffeehaus Westend in der Wiener Mariahilfer Straße noch nicht zu sein. Auch am Samstag war Twitter voll mit nostalgischen Erinnerungen und Unmutsbekundungen über die Schließung am vergangenen Donnerstag. Stellt sich die Frage: Ist diese nur ein Vorzeichen für das, was noch kommt?

Wolfgang Binder, Inhaber des Café Frauenhuber im ersten Bezirk und Obmann der Fachgruppe Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer, weiß von keinen unmittelbar bevorstehenden Schließungen weiterer Traditionshäuser zu berichten. Zumindest derzeit nicht. Aber: "Die Lage der Branche ist sicher angespannt", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Zu schaffen mache den Cafetiers aktuell die enorme Preissteigerung für Strom und Gas. "Wir sind sehr energielastig", erklärt Binder. Im Unterschied zum Privatsektor sei es in der Gastronomie unüblich, lange Lieferverträge abzuschließen. Usus seien ein- bis zweijährige Vereinbarungen. "Spätestens im Sommer, wenn viele dieser Verträge auslaufen und neue, teurere abgeschlossen werden, wird das Probleme machen."

Preiserhöhungen für Binder kein Ausgleich

Die Aufwendungen für Personal und Energie würden in Kaffeehäusern 50 bis 60 Prozent ausmachen, der Gewinn aber nur drei bis fünf Prozent des Umsatzes, rechnet Binder vor. "Das kann man mit Preiserhöhungen unsererseits, die uns oft vorgeworfen werden, lange nicht wettmachen."

Dazu komme ein weiteres Problem: die Engpässe beim Personal, die teilweise nur einen eingeschränkten Betrieb erlauben. Und das bedeute wiederum weniger Umsatz. Nach den Lockdowns, die den Kaffeehäusern ohnehin schon schwer zu schaffen machten, stehen diese also vor der nächsten Krise.

Dies könnte die Zahl der Kaffeehäuser in Wien dezimieren. Laut der Statistikplattform Statista gab es im Vorjahr 958 Wiener Kaffeehäuser. Damit ist die Zahl in etwa auf den Stand von vor zehn Jahren gesunken. In der Zeit dazwischen wurden in Wien bis zu 985 Cafès betrieben.

Allerdings geht aus der Aufstellung nicht hervor, wie viele Traditionskaffeehäuser darin enthalten sind. Der Anteil dürfte jedenfalls ziemlich gering sein: Bereits im Jahr 2005 wurde die Zahl der Betriebe mit großem Tageszeitungsangebot und allem, was noch zu einem richtigen Wiener Café gehört, seitens der Wirtschaftskammer auf rund 50 geschätzt.

Verhandlungen laufen

Vor ähnlichen Problemen wie die Kaffeehausbetreiber steht die gesamte Gastrobranche. "Es sperren deshalb immer wieder Lokale zu. Aber noch nicht in der Menge, dass man von einer Schließungswelle sprechen könnte", sagt Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer, auf Anfrage.

Was das Westend betrifft, wird jedenfalls noch an einer möglichen Rettung gefeilt. Wie berichtet, verhandeln Westend-Chef Hans Diglas junior und die Stadt üb er eine Aufnahme in die sogenannte Stolz auf Wien Beteiligungs GmbH. Diese GmbH ist ein Tochterunternehmen der Wien Holding. Sie wurde gegründet, um sich – temporär – an lokalen Unternehmen zu beteiligen, deren Existenz wegen der Pandemie gefährdet ist. Von Diglas war am Samstag keine Auskunft zum Fortgang der Verhandlungen zu bekommen. Seitens der Stadt wurde auf laufende Gespräche verwiesen.

Kaffeehaus-Interieur unter dem Hammer

Wer sich jetzt aus Sorge vor einem möglichen Kaffeehaussterben zu Hause sein privates Café einrichten möchte, der kann sich übrigens bis kommenden Donnerstag bei einer Online-Auktion mit den nötigen Utensilien eindecken. Auf der Plattform Aurena wird bis dahin nämlich das Interieur des geschlossenen Café Hofburg versteigert. (Stefanie Rachbauer, 2.7.2022)