Im Gastblog analysieren Daniel Maurer und Johannes Mitterecker, inwiefern die Uefa mit einem neu eingeführten Regelwerk zu fairen Wettbewerbsbedingungen im Fußball beitragen möchte.

Nichts hat in jüngster Zeit die Debatten an den Fußballstammtischen so sehr erhitzt wie das Uefa Financial Fairplay. Nun wurde dieses Regelungskonzept abgeschafft. Die Uefa hat eine Nachfolgeregelung unter dem Banner "Financial Sustainability" (zu deutsch: Finanzielle Nachhaltigkeit) beschlossen, die besser an die tatsächlichen Gegebenheiten im europäischen Profifußball angepasst sein soll. Die neue Regelung ist mit Juni 2022 in Kraft getreten.

Das alte System: Financial Fairplay

Mit dem Financial Fairplay führte die Uefa im Jahr 2009 ein Kontrollsystem ein, um der damals voranschreitenden Verschuldung der Klubs entgegenzuwirken und für einen möglichst kostendeckenden und nachhaltigen Fußball in Europa zu sorgen. Anders gewendet: Es sollte verhindert werden, dass Klubs deutlich über ihren Verhältnissen lebten und so die Attraktivität der europäischen Klubwettbewerbe gefährdeten.

Das Herzstück des Financial Fairplay bildete die sogenannte Break-Even-Regel. Danach durften – vereinfacht gesagt – die Ausgaben der Klubs deren Einnahmen innerhalb einer Monitoring-Periode von drei Saisonen nicht überschreiten. Ein- und Ausnahmen sollten nur im Zusammenhang mit dem typischen Betrieb eines Fußballklubs stehen. Diesem Gedanken folgend, stellte das Financial Fairplay den "relevanten" Einnahmen die "relevanten" Ausgaben gegenüber.

Ob die Uefa mit dem neuen Regelwerk für mehr Fairness sorgt, wird sich daran zeigen, inwiefern Regelbrüche geahndet werden.
Foto: imago images/Sportimage

Als "relevante" Einnahmen wurden insbesondere die finanziellen Eingänge aus Eintrittsgeldern, Sponsoring und Werbung, Medienrechten, kommerziellen Aktivitäten (zum Beispiel Verkäufen von Fanartikeln), der Verwertung von Sachvermögen, Spielertransfers und viele mehr angesehen.

Demgegenüber standen Gehälter, Ablösen für Spielertransfers und Materialaufwand auf der Seite der "relevanten" Ausgaben. Nicht relevant – oder anders gewendet: "gute" Ausgaben – waren hingegen Ausgaben für die Infrastruktur, etwa das Stadion. Auch Kosten für die Jugendabteilung oder den Frauenfußball waren nicht relevant. Diese nicht relevanten Ausgaben führten zu keiner Minderung der relevanten Einnahmen.

Das Saldo aus den relevanten Einnahmen und den relevanten Ausgaben ergab das sogenannte "Break-Even-Ergebnis", wobei für dessen Berechnung – verkürzt gesagt – die vergangenen drei Saisonen maßgeblich waren. Prinzipiell musste für diese Periode ein Überschuss erzielt werden, eine Abweichung davon war nur in sehr engen Grenzen (fünf Millionen Euro) möglich. Das Defizit durfte sogar auf 30 Millionen Euro ansteigen, allerdings nur dann, wenn Anteilseigner oder verbundene Parteien dieses Minus ausglichen. Betrug das Break-Even-Defizit mehr als fünf Millionen Euro und konnte dieses nicht durch Anteilseigner oder verbundene Personen gedeckt werden oder betrug das Break-Even-Defizit mehr als 30 Millionen Euro, galt die Break-Even-Vorschrift und damit das Financial Fairplay als nicht erfüllt.

Ohnmacht und Reformbedürfnis

Schon bisher waren an das Nichteinhalten des Financial Fairplay harte Sanktionen geknüpft. Ein Verstoß gegen das Financial Fairplay konnte als ultima ratio sogar zum Ausschluss aus den europäischen Klubwettbewerben (Uefa Champions League, Uefa Europa League, Uefa European Conference League) führen, was die Vereine besonders hart treffen konnte, weil mit der Teilnahme an europäischen Bewerben nicht nur sportliches Renommee, sondern auch erhebliche Einnahmen verbunden sind.

Bisher war das Financial Fairplay meist aber nur ein zahnloses Instrument. Es bot Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten, welche von den Vereinen und deren Beratern geschickt ausgenutzt werden konnten. Ferner war eine Ungleichbehandlung zwischen den großen und kleinen Vereinen zu beobachten. Während das Financial Fairplay bei kleineren Klubs aus Osteuropa und der Türkei oftmals rigoros durchgesetzt wurde, kamen die Großen mit einer für sie verhältnismäßig geringeren Geldbuße davon.

Im Folgenden sei ein Beispiel angeführt, bei dem das Financial Fairplay ausgereizt wurde und die Ohnmacht der Uefa augenscheinlich zutage trat.

Manchester City

Das Financial Fairplay wurde Manchester City gleich mehrmals beinahe zum Verhängnis. Dabei muss man zunächst wissen, dass der Verein unter der Leitung der Alleingesellschafterin City Football Group steht. Mehrheitsgesellschafterin davon ist die Abu Dhabi United Group Investment & Development Ltd, hinter der wiederum das Mitglied der Herrschaftsfamilie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan, steht. Ebenfalls unter Kontrolle der Regierung steht die arabische Fluglinie Ethiad Airways, welche gleichzeitig Hauptsponsor von Manchester City ist. Um das Break-Even-Ergebnis zu erhöhen, wurden im Jahr 2011 die Namensrechte am Stadion um 455 Millionen Euro an den Hauptsponsor, Ethiad Airways, verkauft. Dies stellte circa das Zehnfache des geschätzten Marktwerts dar, der FC Bayern München bekam zum damaligen Vergleichszeitpunkt für die Namensrechte an seinem Stadion "nur" 60 Millionen Euro.

Damit geriet Manchester City mit einer Regelung im Financial Fairplay Regelwerk in Konflikt, wonach ein verbundenes Unternehmen derartige Geschäfte nur zu einem "fair value" abschließen durfte. Im Wesentlichen geht es dabei darum, nicht mehr als ein objektiver Dritter zu bezahlen. Deshalb wurde der Verein auch sanktioniert. Dabei wurde eine Geldstrafe in Höhe von 15 Millionen Euro verhängt und es gab Kaderbeschränkungen für die Champions League. Stellt man dieser Strafe jedoch den daraus resultierenden Nutzen für den Verein gegenüber, zeigt sich, dass sich Rechtsbrüche des Financial Fairplay in der Vergangenheit sehr wohl lohnen konnten.

Auch im Jahr 2020 konnten sich die Citizens geschickt aus der Schlinge des Financial Fairplay winden. So wurde der Verein wieder wegen Überbewertung von Sponsoringeinnahmen zunächst für die Spielzeiten 2020/21 und 2021/22 von den europäischen Wettbewerben ausgeschlossen und zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Millionen Euro verurteilt. Der Internationale Sportgerichtshof hat mit Schiedsspruch den Ausschluss aber wieder aufgehoben und die Geldstrafe auf zehn Millionen Euro herabgesetzt. Einzig ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht des Klubs bei den Ermittlungen der Uefa blieb von den Vorwürfen übrig. Die restlichen Vorwürfe waren entweder verjährt oder nicht ausreichend belegt.

Diese Beispiele zeigen, dass der Grundgedanke des Financial Fairplay die richtige Stoßrichtung hatte, es aber noch zu viele rechtliche und betriebswirtschaftliche Schlupflöcher gab. Mit dem neuen Regelungskomplex möchte die Uefa derartigen Umgehungstaktiken einen Riegel vorschieben und eine Zeitenwende einläuten.

Zeitenwende durch Financial Sustainability?

Aus dem Haus der Uefa war zu vernehmen, dass die Fußballentwicklung, gepaart mit der Corona-Pandemie, eine "umfassende Reform" des Financial Fairplay nötig gemacht habe. Die nunmehrige Reform soll einerseits weiterhin das primäre Ziel der Senkung der Verschuldung der Klubs verfolgen, andererseits eine nachhaltigere Zukunft sowie einen fairen Wettbewerb des europäischen Profifußballs garantieren. Financial Sustainability soll sicherstellen, dass die Ausgaben besser kontrolliert werden können, während gleichzeitig Investitionen gefördert werden.

Dabei geht es im Kern um dasselbe wie bisher: Kein Verein soll mehr Geld ausgeben, als er einnimmt, damit er nicht irgendwann pleitegeht. Das neue System beruht im Wesentlichen auf den drei Säulen Kostenkontrolle, Solvenz und Stabilität.

Kostenkontrolle, Solvenz und Stabilität

Eine prägende Säule stellt die neuartige Kader-Kostenkontrolle dar. So werden die Kosten für Spieler- und Trainergehälter, Transfers und Vermittlungsgebühren sowie Beraterhonorare auf 70 Prozent der Vereinseinnahmen beschränkt. Diese Kader-Kostenkontrolle tritt im Dreijahresrhythmus bis 2025 in Kraft: 90 Prozent im Jahr 2023, 80 Prozent im Jahr 2024 und schlussendlich 70 Prozent im Jahr 2025. Eine Gehaltsobergrenze gibt es hingegen nicht.

Zur Sicherung der Solvenz muss gemäß den neuen Regelungen sichergestellt sein, dass keine überfälligen Verbindlichkeiten bestehen. Alle Verbindlichkeiten gegenüber Fußballklubs, Arbeitnehmenden, Sozialversicherungsinstitutionen, Steuerbehörden und der Uefa, die bis 30. Juni, 30. September und 31. Dezember der lizenzierten Spielzeit fällig sind, müssen jeweils bis 15. Juli, 15. Oktober bzw. 15. Jänner beglichen werden. Von vielen Seiten wird begrüßt, dass Verbindlichkeiten gegenüber Fußballagenten nicht erfasst sind.

Die neuen Stabilitätsanforderungen versteht die Uefa als Weiterentwicklung der schon bekannten Break-Even-Vorschrift. Zum einen findet eine Verschärfung dahingehend statt, als die Kosten eines Klubs für relevante Investitionen (zum Beispiel Infrastruktur und Nachwuchsförderung) durch bestehendes Eigenkapital oder Beiträge gedeckt werden müssen. Zum anderen wurde die Grenze der Abweichung des Break-Even-Ergebnisses erhöht.

Eine Differenz zwischen den relevanten Einnahmen und Ausgaben soll ein externer Geldgeber zukünftig in der Höhe von bis zu 60 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren ausgleichen dürfen. Bisher waren es 30 Millionen Euro über drei Jahre. Für finanziell gesunde Vereine kann die annehmbare Abweichung über diese Grenze hinausgehen, und zwar um bis zu zehn Millionen Euro für jeden Berichtszeitraum der Monitoring-Periode. Den von manchen Seiten befürchteten unbegrenzten Zufluss von Investitionen soll es damit nicht geben.

Sanktionsapparat bei Missachtung

Eine wesentliche Neuerung stellen die Meldefristen dar. Viermal jährlich muss jeder Verein zu den Anforderungen Stellung beziehen, was eine sofortige Kontrolle und bessere Sanktionierung erleichtert. Zusätzlich werden bei der Überwachung externe Agenturen beauftragt, welche die Verträge mit Sponsoren und anderen Dritten überprüfen sollen, damit es zu keinen Umgehungen mehr kommen kann. Dabei wird vor allem auf die verbundenen Unternehmen abgezielt, damit Konstellationen, wie sie bei Manchester City vorgelegen sind, nicht mehr vorkommen.

Verstöße gegen das Reglement werden weiterhin von der Finanzkontrollkammer für Klubs nach einem Sanktionskatalog geahndet, welcher erweitert wurde. Zu den Sanktionen auf Klubebene gehört der Entzug früherer Titel, der Ausschluss von Vereinen aus laufenden oder künftigen Wettbewerben, der Abzug von Punkten und die Verhängung von Geldstrafen. Einzelne Spieler und Spielerinnen, die während eines Regelverstoßes einen Vertrag unterschrieben haben, können im nächsten Jahr von der Teilnahme an europäischen Wettbewerben ausgeschlossen werden.

Ausblick

Das Financial Fairplay war für viele Fußballromantiker ein Hoffnungsschimmer für faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen. Diese Hoffnung ist, so ehrlich muss man sein, zur bloßen Illusion verkommen.

Es wird sich zeigen, inwiefern das neue Financial-Sustainability-Reglement zum Game-Changer wird, mehr Fairness in den Fußball zurückbringt und so das Herz der Fußballromantiker und Fußballromantikerinnen wieder höherschlagen lässt. Damit die Reform nicht nur zu einem bloßen Re-Branding verkommt, kommt es sicherlich auch darauf an, dass Vergehen in Zukunft konsequenter sanktioniert werden.

Der große Lichtblick heißt wohl Kader-Kostenkontrolle. Damit könnten Ablösesummen und Spielergehälter im Rahmen gehalten werden. Hoffentlich fällt diese Regelung letztendlich aber nicht auch dem Gigantismus und der Gier im großen Fußballbusiness zum Opfer. Ob die neue Reform der neue große Wurf wird, bleibt daher abzuwarten. (Daniel Maurer, Johannes Mitterecker, 11.7.2022)