Österreich müsse bis 2040 eine Reduktion von mindestens 95 Prozent schaffen, um die Klimaziele zu erreichen, sagt Forscher Kirchengast.

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Nach einem Einbruch um 7,5 Prozent im ersten Corona-Jahr 2020 sind die Emissionen in Österreich 2021 wieder angestiegen: "Das Pandemiejahr 2020 war leider nur ein Ausreißer. Österreichs Emissionen sind 2021 neuerlich um etwa 6,5 Prozent auf das seit über 30 Jahren nicht durchbrochene Niveau von 1990 gestiegen", sagte Gottfried Kirchengast, der die neuesten Berechnungen des Wegener-Centers der Universität Graz am Freitag veröffentlichte.

Das bedeute, dass "die gesamte Arbeit des Klimaschutzes, die gesamte Umstellung bis zur Klimaneutralität bis 2040" noch vor uns liege, präzisierte Kirchengast im Ö1-"Morgenjournal". "Auf dem Weg zur Klimaneutralität stehen uns ab 2021 insgesamt nur noch maximal 700 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zur Verfügung", rechnete er vor. "Das bedeutet, dass Österreich bis 2040 eine Reduktion von mindestens 95 Prozent, davon mindestens 90 Prozent primär im Bereich Fossilenergie und Industrie, schaffen muss", so der Klimaforscher der Universität Graz.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, dürfen von 2021 bis 2030 nur noch maximal 550 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittiert werden. "Denn wenn von 2031 bis 2040 weniger als 150 Millionen Tonnen Restbudget verbleiben, würde das Emissionsreduktionsraten von weit über zehn Prozent pro Jahr erfordern, was in der Umsetzung unrealistisch ist", sagte Kirchengast.

Gewessler: Anstrengungen müssen erhöht werden

Bereits im Herbst 2021 ging das Wegener-Center in seinen Berechnungen von einem verpufften Corona-Effekt aus, damals wurde noch von einem Plus von acht Prozent gegenüber 2020 ausgegangen, das Umweltbundesamt ging in der Ende Jänner publizierten "Treibhausgasbilanz 2020" von einer Zunahme von vier Prozent im Jahr 2021 aus.

"Auch wenn die CO2-Emissionen 2021 im Vergleich zum Ausnahmejahr 2020 inmitten der Pandemie wieder angestiegen sind, haben wir im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie einen Rückgang erreicht", stellte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) angesichts der jüngsten Prognose fest. Für das Ziel "Klimaneutralität 2040" müssten die Anstrengungen jedoch massiv erhöht werden: Wir haben schon viele Maßnahmen gesetzt, aber es ist völlig klar, dass für eine gute und klimafreundliche Zukunft noch mehr kommen muss. Denn die Emissionen müssen jetzt Jahr für Jahr sinken", so die Ministerin.

Kein gemeinsames Anliegen der Regierung

Der Grund, warum Österreich nicht schon längst auf einem besseren Weg sei, seien Versäumnisse in strukturellen Bereichen. "Wenn es um die Energieeffizienz geht, um die Rate, wie wir erneuerbare Energie gezielt einsetzen, in der Mobilität, waren wir säumig. Also bei Umstellungen, wo wir längerfristig über Jahre weniger Emissionen haben", so Kirchengast zu Ö1.

Die Politik müsse an einem Strang ziehen, forderte er: "Wir haben zwar ein vorbereitetes Klimaschutzgesetz bis 2030. Das Problem ist, dass wir von der politischen Seite, von der gesamten Bundesregierung als gemeinsames Anliegen nicht in die Umsetzung kommen."

Nachhaltige Kohlenstoffspeicherung nötig

Kirchengast plädiert dafür, die gegenwärtige Energiekrise dazu zu nutzen, um mit einer Mischung aus Sparen und Effizienz "in die Krisenlösung zu kommen". Als Motto gelte dabei für jeden Einzelnen: "Verbrauch die Hälfte".

"Parallel zum Ausstieg aus fossiler Energie muss nachhaltige Kohlenstoffspeicherung in Land- und Forstwirtschaft aufgebaut werden. Damit können voraussichtlich rund fünf Prozent der derzeitigen Emissionsmenge über Boden- und Waldbewirtschaftung ökologisch verträglich und langfristig gebunden werden", ergänzte der Forscher.

Um die anvisierten Klimaziele tatsächlich zu erreichen und hohe Kosten durch Nichthandeln zu vermeiden, sei es entscheidend, das errechnete maximale Treibhausgasgesamtbudget sowie die entsprechenden Klimaschutzzielpfade verbindlich gesetzlich festzulegen.

Aus Sicht des Ministeriums wurden bereits viele wichtige Projekte auf den Weg gebracht, genannt wurden Klimaticket, eine vervielfachte Förderung für Radinfrastruktur, Öffi-Ausbau und E-Mobilitätsoffensive – allesamt Maßnahmen die einen Schwerpunkt auf einen klimafreundlichen Verkehr setzen würden. "Auch die Wirtschaft, Industrie und Energie nehmen wir verstärkt in den Fokus – mit dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, der Förderaktion 'Raus aus Öl und Gas' oder mit der ökosozialen Steuerreform", schloss Gewessler. (APA, red, 8.7.2022)