Die südspanische Stadt Sevilla ist der erste Ort weltweit, an dem Perioden mit anhaltenden unerträglichen Temperaturen einen Namen bekommen, so wie das bei Orkanen und Taifunen oder sonstigen Wetterkatastrophen schon lange üblich ist. Zoe, Yago, Xenia, Wenceslaus und Vega werden genau in dieser umgekehrten alphabetischen Reihenfolge die nächsten Hitzewellen in der andalusischen Hauptstadt heißen.

Das Projekt Prometeo Sevilla entstand auf Initiative des Adrienne Arsht-Rockefeller Foundation Resilience Center des Atlantic Council, eines in Washington ansässigen gemeinnützigen Zentrums, das Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen entwickelt, die durch den Klimawandel auf die Bevölkerung zukommen.

Durch die Dürre steigt auch das Risiko für Waldbrände.
Foto: AP/Miguel Oses

Hitze würde, so der Projektansatz, im Vergleich zu anderen Naturkatastrophen tendenziell unterschätzt. "Wir sind die erste Stadt der Welt, die einen Schritt unternimmt, der uns hilft, zu planen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn solche Wetterereignisse auftreten", sagte Antonio Muñoz, Bürgermeister von Sevilla.

Ziel des Projekts, an dem auch das spanische Wetteramt sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen teilnehmen, ist es, Hitzewellen besser vorhersagen zu können, die Bevölkerung vor deren gesundheitlichen Auswirkungen zu warnen und ihnen Verhaltensrichtlinien mitzugeben. Sevilla ist nur der Anfang: Prometeo will bis 2030 rund 500 Millionen Menschen mit einem Programm für den Umgang mit starker Hitze erreichen.

Erste Hitzewelle im Mai

Das spanische Wetteramt Aemet spricht dann von einer Hitzewelle, wenn die Höchsttemperaturen mindestens drei Tage in Folge zehn Prozent über einem langjährigen Schwellenwert liegen. Durch den Klimawandel geschieht das immer häufiger. Die erste Hitzewelle durchlebte Spanien in diesem Jahr bereits im Mai, die zweite im Juni. Die Temperaturen stiegen damit früher als üblich in Mittelspanien auf 35 Grad und in Südspanien gar über 40 Grad. Im vergangenen Jahr wurde in Sevilla im August eine Rekordtemperatur von knapp 48 Grad gemessen.

Rund 20.000 Hektar Land wurden im Juni bei einem Waldbrand in der Nähe von Zamora im Nordwesten des Landes zerstört.
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Jahrelang ignorierte Spanien das Phänomen Hitze weitgehend. Es galt einfach als normal. Während etwa das Nachbarland Frankreich seit den 1970ern Statistiken veröffentlicht, aus denen die erhöhte Sterblichkeit durch besonders heiße Sommer hervorgeht, zählt Spanien meist nur diejenigen als Hitzetote, die ganz unweigerlich an einem Hitzschlag starben. Unvergessen sind die Schlagzeilen aus dem ersten besorgniserregenden Rekordsommer 2003. Frankreich vermeldete damals 15.300 Tote, Spanien gerade einmal 141.

Hitzetote

Dank der Covid-Krise hat sich mittlerweile auch beim Thema Hitzetote die Methode geändert. Spanien gibt jetzt auch Zahlen zur erhöhten Sterblichkeit in Hitzewellen bekannt. Allein in der Hitzewelle im Juni verstarben demnach 714 Personen mehr als normal – 208 davon in und um die Hauptstadt Madrid.

Die Gesundheitsbelastung für die Bevölkerung ist nicht das einzige Problem, das die steigenden Temperaturen verursachen. Der Klimawandel bringt auch einen Rückgang der Niederschläge mit sich. In diesem Jahr sind Spaniens Stauseen Anfang Juli gerade einmal noch zu 46 Prozent gefüllt. Im Zehnjahresmittel waren es 67 Prozent. In der Südhälfte des Landes sind die Stauseen gar schon zu zwei Dritteln leer.

Der Grund für die immer länger anhaltenden Trockenperioden sind laut Experten besonders große Hochdruckgebiete im Winter über den Azoren-Inseln. Dadurch werden die Regenwolken weiter in den Norden getrieben, in Spanien bleibt es trocken. Dieses Ausnahmephänomen tritt immer häufiger auf.

Längere Trockenperioden

Der Bauernverband COAG hat untersucht, was Spanien aufgrund des Klimawandels blüht. "Der Countdown läuft. Auswirkungen des Klimawandels auf die spanische Landwirtschaft" heißt die Studie. Demnach ist Andalusien, die Region rund um Sevilla, die am stärksten vom Klimawandel betroffene autonome Gemeinschaft – vergleichbar mit einem Bundesland – auf der Iberischen Halbinsel. Bereits 2030 soll es dort im Schnitt jährliche Trockenperioden von 76 Tagen geben, gefolgt von 68 Tagen in der Extremadura und 64 Tagen in der Region Murcia.

50 Grad. In Worten: Fünfzig.
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Das wirkt sich auf die Landwirtschaft aus. Wasser für Gemüse und Obstanbau wird knapper. Weine verlieren durch steigenden Zuckergehalt – eine Folge hoher Temperaturen – an Qualität. Getreide wächst immer schneller, verliert aber vor allem in der Südhälfte des Landes durch fehlende Niederschläge an Qualität und Gewicht. Dies wiederum wirkt sich auf die Viehzucht aus, die schlechtere Ware zu höheren Preisen beziehen wird. Der Agrar- und Lebensmittelsektor ist mit 5,8 Prozent des BIP und einem Exportvolumen von 50 Milliarden Euro einer der Motoren der spanischen Wirtschaft.

Je trockener das Land, umso höher ist auch das Risiko für Waldbrände. Im vergangenen Jahr brannten über 85.000 Hektar Wald und Buschland ab. Das waren 28 Prozent mehr als 2020. Dieses Jahr waren es bis Frühlingsende bereits 25.000 Hektar. Die Waldbrände werden immer stärker und breiten sich explosionsartig aus. So wurde im August 2021 aus einem Brand eines Pkws auf einer Landstraße nahe der zentralspanischen Stadt Ávila in wenigen Stunden ein riesiger Brandherd, der schließlich 22.000 Hektar Wald und Weideland verschlang. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.7.2022)