Je stärker die Heizung aufgedreht wird, desto teurer wird es. Die nächsten Preissteigerungen sind bereits in der Pipeline.

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Wien – An Vorschlägen, wie die öffentliche Hand dem exorbitanten Strom- und Gaspreisanstieg entgegenwirken könnte, mangelt es nicht. Aber bei weitem nicht alle sind vorteilhaft, zielführend und vor allem auf nationalstaatlicher Ebene umsetzbar. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat seinen Vorschlag für einen Preisdämpfer konkretisiert und auf Tauglichkeit abgeklopft.

Das Ergebnis: Ein Stromkontingent, das Haushalten zu einem festgelegten Tarif zugeteilt wird, dürfte am wirkungsvollsten sein. Das ist der Sukkus des soeben veröffentlichten "Research-Briefs", in dem das Wirtschaftsforschungsinstitut "wirtschaftspolitische Handlungsoptionen zur Dämpfung der Energiepreise am Beispiel Strom" erörtert.

  • Energiekontingent Von drei Optionen schneidet das Energiekontingent am besten ab. Dabei schreibt der Energieversorger jedem Haushalt eine von der öffentlichen Hand bestimmte Zahl an Kilowattstunden auf der Jahresrechnung zu einem festgelegten reduzierten Preis gut. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch wären mit der Verbrauchsmenge steigende Preise zu bezahlten.
    Die Höhe des Basiskontingents sollte sich am durchschnittlichen Verbrauch eines Haushalts orientieren und zwischen Nutzungsarten (Heizung über Wärmepumpe, Warmwasseraufbereitung et cetera) unterschieden werden, schreiben die Wifo-Ökonomen. Um Anreiz zum Energiesparen zu geben, sollten nicht mehr als drei Viertel des Durchschnittsbedarfs je Haushaltskategorie zugeteilt werden. Alternativ könnte sich das Energiekontingent am durchschnittlichen Verbrauch des jeweiligen Haushalts in den vergangenen drei Jahren orientieren.
    Alternativ ließe sich der Grundbedarf auch als fixer Zuschuss festlegen.
  • Preisdeckelung Preisdeckel für den Großhandel oder Verbraucher sind eine andere Variante der Preisbremse, die allerdings als stärkster Eingriff in den Marktmechanismus gelten, weil mit ihnen das Signal von Knappheit ausgesandt wird. Gaskraftwerke könnten damit billiger anbieten, der Großhandelspreis würde sinken – und die Differenz zahlt der Staat. Der Nachteil: Ob die Betreiber den Preisrabatt zur Gänze an die Endkunden weitergeben, ist kaum zu überprüfen, und es bräuchte eine enge Abstimmung zwischen den EU-Staaten. Denn es besteht die Gefahr, dass national subventionierter Strom im Binnenmarkt ins EU-Ausland abfließt. Darüber hinaus könnte die Übernachfrage nach Gas zu Versorgungsengpässen führen.

Als komplexeste Variante, die nicht ohne europäische Abstimmung funktioniert und auch nicht rasch umsetzbar ist, gilt die

  • Anpassung oder Aussetzung der Merit Order Der vielzitierte Eingriff in die Merit Order, also die Strompreisbildung in Europa, gehört zu den vielversprechenden, aber nicht rasch umsetzbaren Maßnahmen. Er wird deshalb vom Wirtschaftsforschungsinstitut in einem aktuellen Problemaufriss auch nicht empfohlen – obwohl einer temporären Aussetzung oder Adaptierung der Merit Order vom Wifo "stark preisdämpfende Effekte auf dem Strommarkt" zugeschrieben werden. Der hohe Gaspreis würde den Strompreis (Großhandelspreis) dann nicht weiter in die Höhe treiben, aber insgesamt wäre der Preis dafür möglicherweise hoch. Zu hoch. Denn ein geringerer Marktpreis durch ein Aussetzen der Merit Order könnte mit einem teilweisen Verlust an Versorgungsicherheit einhergehen, warnen die Wifo-Ökonomen.
    Hintergrund dafür ist, vereinfacht ausgedrückt, dass laut dem zugrundeliegenden Grenzkostenpreismodell der Merit Order das letzte Kraftwerk, das in den Markt kommt, den Preis bestimmt. Das ist sehr oft ein Gaskraftwerk, weil dieses am besten geeignet ist, kurzfristige Leistungsspitzen abzudecken. Die Alternative wäre ein Nachfrageüberschuss mit darauffolgendem Leistungsabfall bis hin zum Blackout. Dann würde gar kein Strom mehr fließen. Auch ist diese Art der Entkopplung von Strom- und Gaspreis nur im europäischen Konzert möglich.

Da eine Anpassung der Merit Order in der EU derzeit als illusorisch gilt und von Österreich nicht im Alleingang umgesetzt werden kann, bleiben de facto nur Preisdeckelung und Stromkontingent als brauchbare Hilfsmaßnahmen übrig. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich des Effizienzanreizes, der sozialen Treffsicherheit und der technischen Umsetzbarkeit.

Der Preisdeckel ist über die Netzbetreiber technisch relativ einfach umzusetzen, sie wissen über die Stromzähler genau über die Verbrauchsmengen pro Haushalt bescheid, sagt Wifo-Experte Michael Böheim. Energieeffizienzanreiz und soziale Treffsicherheit seien allerdings beim Energiekontingent deutlich höher. (Luise Ungerboeck, 22.7.2022)