Eine Stunde lange reden Hausbesitzer Feldin Smajlović (rechts) und Energieberater Günter Moraw miteinander – und das Gespräch wird schnell politisch.

Foto: Christian Fischer

Noch wirkt das kleine Haus, das sich Feldin Smajlović im Südosten Niederösterreichs gekauft hat, abgewohnt und unansehnlich. Doch wenn Smajlović auf die weißgraue Fassade deutet, sieht er schon vor sich, was hier in einigen Monaten sein wird. "Wir stocken auf", sagt er, "in Holzbauweise." Oben werden die Kinderzimmer für die drei Mädels hinkommen, "und den Fernseher stellen wir in den Keller".

Feldin Smajlović (37), Angestellter im IT-Bereich in Wien, hat Großes vor. Er will das neue Häuschen nahe Lanzenkirchen umbauen und sanieren; hunderttausende Euro wird das kosten. Bis zu 15.000 Euro davon schießen Republik und Bundesland als Förderung zu. Doch um die Summe zu lukrieren, muss sich Smajlović bereiterklären, sein Vorhaben möglichst klimafreundlich und energieeffizient anzulegen. Eben deshalb erwartet er heute Besuch. Ein Energieberater im Auftrag des Landes Niederösterreich kommt vorbei. Solche Konsultationen sind verpflichtend, wenn Hausbauer die Förderungen erhalten wollen.

Energieberater im Auftrags Niederösterreichs

Smajlović ist einer von vielen Tausend Kunden, die heuer Besuch von Energieberatern bekommen. Mehr als 12.000 Gespräche haben im Jahr 2022 bereits stattgefunden, erklärt Herbert Greisberger, Chef der niederösterreichischen Energie- und Umweltagentur. Im Vorjahr um diese Zeit waren es nur halb so viele; nochmals ein Jahr zuvor lediglich ein Viertel. Energiekrise, Preisexzesse, Ukraine-Krieg, Angst vor dem Gasstopp: Tausende Menschen wollen ihre Heizungen wechseln und Immobilien energieautarker gestalten. Die Energieberatungen können sich kaum retten vor Anfragen.

"Ich will eine Photovoltaikanlage", sagt Smajlović zu Moraw. "Ein bissl autarker wäre schon gut."
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Auftritt Günter Moraw, 76, Ex-SPÖ-Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Pitten und freiberuflicher Energieberater. Moraw nimmt auf Smajlovićs Terrasse auf dem einzigen Sessel Platz, der derzeit in Haus und Garten zur Verfügung steht. Informationszettel und Förderanträge auf dem Tisch werden mit Autoschlüsseln beschwert, damit der Wind sie nicht fortträgt. Dann reden Smajlović und Moraw eine Stunde und gehen zusammen durch das Haus. Das Gespräch wird sich bald um Putin drehen, Rekordpreise, die unsichere Lage. In Zeiten wie diesen ist die Energieversorgung eines gewöhnlichen Einfamilienhauses keine Routinesache, sondern eine hochpolitische Angelegenheit, hier, im Hintergarten des Feldin Smajlović.

"Ein bissl autarker"

"Wir wollten mehr Grundstück, mehr grünen Daumen", erzählt er über die Gründe des Hauskaufs. Derzeit wohnt er mit Familie noch in Wiener Neustadt in einer Reihenhaussiedlung. Auf der Plattform Willhaben.at habe er dann das Häuschen gefunden, 70 Quadratmeter Wohnfläche, der Vorbesitzer war verstorben. Als Smajlović den wildwuchernden Garten sah, in dem die Hummeln ihre Runden über dem Lavendel drehen, "wusste ich, das ist das Richtige für uns".

Doch wie das neue Objekt heizen? Wie dafür sorgen, dass die Preise nicht durch die Decke schießen? Dass die Energie drinnen bleibt und nicht durch undichte Fenster und Mauerritzen nach draußen dringt. "Ich will eine Photovoltaikanlage", sagt Smajlović. Ganz autark könne man doch nicht sein, "aber ein bissl autarker wäre schon gut". Eine gute Idee, findet Moraw und macht irgendwo in seinen Unterlagen ein Häkchen. "Aufgrund der extremen Strompreise ist es gescheit, die Anlage so groß wie möglich zu machen." Lediglich mit einem Batteriespeicher möge Smajlović zuwarten, rät Moraw. "Die stecken noch mitten in der Entwicklung." Und ein weiteres Problem an der Photovoltaik sei die Wartezeit. Weil sie sich derzeit alle zulegen, "betragen die Lieferzeiten ungefähr ein Jahr".

Das Gasgerät ist fast neu

Danach dreht sich das Gespräch um LED-Lampen ("Die werden Sie ja sowieso nehmen", sagt Moraw) und Fenstertausch ("Passen Sie auf, damit keine Ziegelkanten das Dichtungsband beschädigen"), ehe es um die eigentlich wichtige Frage geht: die der Heizung.

Im Keller steht ein neues, weiß funkelndes Gasgerät.
Foto: Christian Fischer

Im Keller steht ein mannshohes, weiß funkelndes Gasgerät. So wie es aussieht, muss es kaum je in Verwendung gewesen sein. "Das hat sicher 20 Kilowattstunden", murmelt Moraw, als er die Anlage inspiziert. Der Vorbesitzer hat sie wohl kurz vor dem Tod einbauen lassen – ein beredtes Zeugnis dafür, dass Gas noch bis vor wenigen Monaten als vergleichsweise vertretbare Übergangstechnologie gegolten hat, die man sich ruhig zulegen kann: Ölheizungen galten als klimaschädlich und schwankend im Preis, erneuerbare Heizungen mit Holzpellets oder Geothermie als teuer und kompliziert. Gas hingegen schien der richtige Mittelweg zu sein.

Fernwärme statt Gas

Doch das war einmal. Smajlović will das Gasgerät loswerden, "wegen dem Putin und so". Da trifft es sich gut, dass die Entfernung von Gasheizungen ohnehin eine Voraussetzung für die Förderung ist. Das Mittel der Wahl stattdessen, sofern vorhanden: ein Fernwärmeanschluss. Smajlovićs Haus ist an das Fernwärmenetz der nahen Gemeinde Schwarzau angeschlossen. Dieses Netz sei besonders gut, sagt Moraw – denn in Schwarzau werde kein Gas verheizt, sondern Biomasse.

"Es hat eh keine Zukunft, irgendwann wird es verboten, bei dem, was da passiert in der Ukraine", sagt Moraw.
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Bei aller Einigkeit tut sich dann dennoch eine Meinungsverschiedenheit zwischen Smajlović und Moraw auf. Smajlović würde den neuen Gaskessel im Keller gern verkaufen, nicht verschrotten, "da bekomme ich sicher ein paar Tausend Euro dafür". Geht nicht, winkt Moraw ab: "Das Gasgerät muss entsorgt werden. Sie müssen eine Bestätigung vorlegen, wenn Sie die Förderung wollen." Es sei zwar schade drum, sagt Moraw. "Aber es hat eh keine Zukunft, irgendwann wird es verboten, bei dem, was da passiert in der Ukraine." Smajlović fügt sich schließlich leicht verärgert der Vorgabe. Die Förderpolitik hat ihre kleine Absurditäten, zum Beispiel, dass neuwertige Produkte im Namen von Umwelt und Klima vernichtet werden müssen.

"Leute wollen raus aus Gas"

Wieder draußen auf der Terrasse, sagt Moraw, dass dieses Projekt "ein leichter Fall" sei. Die Kompletterneuerung einer Immobilie "ist einfacher, als wenn man einzelne Veränderungen an Objekten vornimmt. Außerdem sei Smajlović ein informierter Gesprächspartner im Vergleich zu anderen seiner Kunden. "Ich treffe viele Leute, die wollen unbedingt aus dem Gas, um jeden Preis", erzählt Moraw. Sie hätten schlicht Panik wegen der hohen Energiekosten "und übersehen dabei, dass man oft nicht einfach eine Heizung durch eine andere ersetzen kann, dass da auch viele andere Dinge stimmen müssen".

Der Besuch ist zu Ende. Moraw düst in seinem Auto davon, er hat viele Termine in diesen Wochen. Für Smajlović hingegen beginnt die eigentliche Arbeit. Er muss die Förderanträge einreichen, beim Land, beim Bund, jeweils unterschiedlich ausgestaltet. Smajlović klaubt die Zettel zusammen und macht sich an die Arbeit. (Joseph Gepp, 24.7.2022)