Ende April überraschte der Präsident der Republik Zentralafrika, Faustin-Archange Touadéra, mit der Information, Bitcoin als offizielle Währung seines Landes einzuführen. Das "Schicksal der zentralafrikanischen Bevölkerung" werde "revolutioniert", begründete Touadéra die weltweites Aufsehen erregende Entscheidung. "Unser Land ist das weitsichtigste und mutigste der Welt", sagte er damals. Mit El Salvador hat bisher nur ein anderer Staat den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. In Afrika ist der Vorstoß des ehemaligen Mathematikprofessors mit zweifachem Doktortitel einzigartig.

Doch damit nicht genung: Jetzt überraschte Touadéra damit, dass die Zentralafrikanische Republik (ZAR) auch ihre eigene Kryptowährung, den Sango Coin, einführen will. Und: Auf einer Insel im mächtigen Ubangi-Fluss soll ein steuerfreies Kryptoparadies entstehen – "Afrikas erster Krypto-Hub".

Kaum Zugang zum Internet

Was Touadéra nicht erwähnte: Die ZAR wird bei den Vereinten Nationen als zweitärmstes Land der Welt geführt. Die knapp fünf Millionen Einwohner kommen nicht einmal auf ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 500 Euro. Weniger als zehn Prozent der Bevölkerung haben Zugang zum Internet – der Grundvoraussetzung für den Umgang mit Kryptowährungen.

Bitcoin als offizielle Landeswährung, dieser Vorstoß ist in Afrika einzigartig.
Foto: AP/Kin Cheung

Touadéras Ministerriege regiert von der Hauptstadt Bangui aus nur einen Bruchteil des Landes. Im großen Rest tummeln sich bewaffnete Milizen und Rebellengruppen, die sich gelegentlich auch nach Bangui auf den Weg machen. Vor dieser Gefahr schützt sich der 65-Jährige mit russischen Söldnern: Gegenwärtig sollen sich rund zweitausend bezahlte Kämpfer der Wagner-Truppe in dem Unruhestaat aufhalten. Sicherlich einer der Gründe für die Einführung des Bitcoin: Mit der verschwiegenen Währung lassen sich die russischen Söldner bezahlen, ohne dass es zum Konflikt mit dem vom Westen über Russland verhängten Sanktionsregime kommt.

Ein Teil der Wahrheit

Auch die mit der Wagner-Truppe verschwisterten und an der Ausbeutung der zentralafrikanischen Gold- und Diamantenminen beteiligten russischen Firmen können mit dem digitalen Zahlungsmittel ihre Gewinne repatriieren.

Offiziell begründet die ZAR-Regierung ihre Entscheidung natürlich anders. Im Ausland lebende Landeskinder könnten ihre Finanzhilfe für die Daheimgebliebenen so unkomplizierter überweisen, heißt es: weil der Bitcoin-Verkehr sowohl Banken wie auch deren Gebühren vermeidet. In Afrika eine einzigartige Chance: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents verfügt über kein Bankkonto. Touadéra nennt Bitcoin "die Währung des Volkes".

Präsident Faustin-Archange Touadéra spricht von einer Revolution.
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In der Praxis sieht es dürftiger aus. Den Launch des Sango Coin musste Touadéra in Dubai zelebrieren. Für den feierlichen Stapellauf hätten die digitalen Kapazitäten in seiner Heimat nicht ausgereicht. Ob das bald anders wird, wagt die Fachwelt zu bezweifeln. Dort wird auf das Beispiel El Salvador verwiesen, wo die Begeisterung über den Bitcoin-Coup alsbald der Ernüchterung wich. Nach einem kurzen Boom im Vorjahr werde das für den Umgang mit Bitcoin nötige Anwendungsprogramm Chivo Wallet inzwischen so gut wie gar nicht mehr heruntergeladen, sagt Kryptoexperte Ganesh Viswanath-Natraj von der englischen Warwick-Universität: 86 Prozent der salvadorianischen Geschäftsleute haben noch keine einzige Transaktion mit der Wallet getätigt. Die Gründe dafür sind kein Geheimnis: Seine Instabilität wurde dem Bitcoin zum Verhängnis.

Doch Touadérea träumt groß. Durch die Ausgabe des Sango Coin will die ZAR eine Milliarde Dollar einnehmen. Sobald das Kapital aufgebracht ist, sollen die Ressourcen des Landes in Token umgewandelt werden, sodass Investoren aus aller Welt die Möglichkeit haben zu investieren. Der ZAR werden Eisenerzvorkommen im Wert von mehr als 2,2 Billionen Dollar sowie Gold-, Öl-, Diamanten- und Lithiumvorkommen im Wert von 60 Milliarden Dollar zugeschrieben. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 4.8.2022)