Katharina Müller und Martin Melzer, Rechtsanwältin und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, erklären im Gastblog, wie Konflikte im Zusammenhang mit Erbrecht vermieden werden können.

Erbrechtliche Streitigkeiten beziehen sich in den allermeisten Fällen auf Ansprüche rund um das Pflichtteilsrecht. Streitigkeiten, gerade im Familienkreis, sind nicht nur energie- und zeitraubend, sie können auch ordentlich Geld kosten. Die Unterstützung durch Expertinnen und Experten ist hier durchaus sinnvoll. Sie ermöglicht nicht nur das Erkennen eines Anspruchs, sondern auch eine kompetente Aufbereitung von Sachverhalt, Anspruch und Rechtsgrundlage. Dies kann einer schnellen außergerichtlichen Bereinigung des Konflikts dienen.

Pflichtteils- und Schenkungspflichtteilsanspruch

Viele wissen, dass das österreichische Erbrecht den nächsten Angehörigen des oder der Verstorbenen einen Pflichtteilsanspruch einräumt. Auch die grundlegendste Voraussetzung für den Pflichtteilsanspruch ist meist bekannt: die direkte Nachkommenschaft zu der oder dem Verstorbenen. Freilich gibt es auch noch das Pflichtteilsrecht von Ehegatten oder eingetragenen Partnern

Rechtliche Rahmenbedingungen zum Pflichtteilsanspruch können auch nicht durch im Testament festgehaltene Wünsche ausgehebelt werden.
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Die Pflichtteilsquote ist die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Ein Beispiel: Hat der verstorbene Vater eine Tochter und einen Sohn, hat jedes Kind einen Anspruch in Höhe eines Viertels der Verlassenschaft. Dieser Pflichtteilsanspruch muss jedenfalls erfüllt sein. Dies gilt unabhängig davon, wen der Vater in seinem Testament allenfalls als erbende Person eingesetzt hat.

Weniger bekannt ist, dass es auch einen Schenkungspflichtteil gibt. Durch lebzeitige Schenkungen des oder der Verstorbenen verringert sich der Wert der Verlassenschaft. Da es durch Schenkungen zu einer Aushöhlung des Pflichtteilsrechts kommen kann, sind sie bei der Berechnung des Pflichtteils entsprechend zu berücksichtigen. Dazu wird der Wert der Schenkung dem Wert der Verlassenschaft hinzugerechnet. Ist der so errechnete (erhöhte) Pflichtteil nicht von der Verlassenschaft gedeckt – was leicht der Fall sein kann, wenn im Wesentlichen das einzige Vermögen, zum Beispiel ein Einfamilienhaus oder ein Betrieb, verschenkt wird –, haftet der Geschenknehmende für diesen Entfall.

Dieser Entfall ist als Schenkungspflichtteil im Streitfall einzuklagen. Die Hinterbliebenen kennen aber oft den Gegenstand oder den Wert der Schenkung nicht. Damit die Geschenkgeberhaftung auch praktisch durchsetzbar ist und der Anspruch der Höhe nach konkretisiert werden kann, stellt das Gesetz einen Auskunftsanspruch gegen den Geschenknehmenden zur Verfügung. Erst mit den dadurch erlangten Informationen kann der Anspruch beziffert und durchgesetzt werden.

Praktische Durchsetzung

All diese theoretischen Ansprüche müssen im Streitfall in der Praxis durchgesetzt werden. Ein Erbrechtsstreit bedeutet aber nicht notwendigerweise den Gang vor Gericht. Viele Konflikte können bereits außergerichtlich gelöst werden, indem sich die Streitteile auf fundierter Basis und unter fachlicher Anleitung einigen. Man vermeidet damit neben persönlicher und emotionaler Anspannung auch Vertretungs- und Verfahrenskosten, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens entstehen. Dabei kann Mediation, aber auch fachlich versierte Rechtsberatung unterstützen.

Lässt sich der Gang zu Gericht nicht vermeiden, muss man sich anwaltlich vertreten lassen. Für die anwaltlichen Kosten zur Abgeltung der im Rahmen eines Gerichtsverfahrens anfallenden Tätigkeiten (Schriftsatzschreiben, Verhandlungen, Besprechung und Co) sieht das Rechtsanwaltstarifgesetz eine Honorierung vor, die sich am Wert des Rechtsstreits bemisst. Im Fall des Obsiegens im Pflichtteilsstreit werden der obsiegenden Partei diese Kosten von der unterliegenden Partei ersetzt. In der Praxis werden zwischen Partei und eigenem Anwalt oder eigener Anwältin auch abweichende Regelungen zur Verrechnung getroffen, etwa eine Abrechnung auf Stundensatzbasis statt auf Bemessungsgrundlage des Streitwerts. Rechtsschutzversicherungen ersetzen in der Regel ausschließlich die nach dem Rechtsanwaltstarif angefallenen Kosten, und im Fall des Unterliegens im Rechtsstreit decken sie die Kosten der obsiegenden Partei aufgrund der bestehenden Ersatzpflicht der unterliegenden Partei.

Allzu oft wird die rechtliche Beratung erst dann gesucht, wenn die Fronten verhärtet sind und nichts mehr geht. Findet aber eine Einbindung von außenstehenden Expertinnen und Experten im Rahmen außergerichtlicher Einigungsversuche statt, so hat dies den Vorteil, dass der Konflikt von einer oft sehr emotionalen Ebene auf eine sachliche gehoben wird. Hiervon profitieren letztlich alle Beteiligten, wenn dies zu einer schnelleren Klärung des Streits führt. Hinzu kommt, dass Streitigkeiten am besten in einem möglichst frühen Stadium – vor unkontrollierter Eskalation – gelöst werden. Dies ist nicht nur für alle Beteiligten am günstigsten, auch die familiäre Beziehung leidet dabei am wenigsten. (Katharina Müller, Martin Melzer, 8.8.2022)