"Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet. Meine Mama hat viele meiner Zeichnung von früher aufgehoben, und darunter haben wir letztens eines meiner ersten Bücher gefunden – aus zusammengetackerten Blättern: wilde Ölkreidenbilder von Weihnachtsbäumen und Schneelandschaften. Da standen auch Geschichten dabei, die ich ihr angesagt haben dürfte, weil die Schrift ist die von meiner Mama. Später im Gymnasium habe ich das weitergeführt, indem ich Comics gezeichnet und geschrieben habe.

Michael Roher möchte mit seinen Büchern nicht erziehen, sondern Kinder mit einem Thema in Berührung bringen.
Foto: Heribert Corn

Ich habe mir immer vorstellen können, das Zeichnen auch zum Beruf zu machen. Aber meine Angst war, dass mir vielleicht die Lust abhandenkommt, wenn ich mein Geld damit verdienen muss. Also bin ich Sozialpädagoge geworden. Losgelassen hat mich der Gedanke aber nie ganz. In meiner Ausbildung hatte ich dann ein Fach, in dem wir uns mit Kinder- und Jugendliteratur beschäftigt haben. Da habe ich gemerkt: Das könnte eine Nische sein, wo ich mich gut aufgehoben fühle. Also habe ich aufs Geratewohl drauflosprobiert und das Ergebnis an Verlage geschickt, was eher zermürbend war, weil viele Absagen gekommen sind. Also habe ich es wieder bleibenlassen, meine Bücher nur in Kleinauflage gedruckt und auf Weihnachtsmärkten verkauft. Die Leute sind am Stand stehen geblieben, haben sie durchgeblättert und sich amüsiert. Das hat mich wieder bestärkt.

Irgendwann hat sich auf einen neuerlichen Versuch hin der Jungbrunnen-Verlag bei mir gemeldet. Das war der Startschuss. In der Zusammenarbeit mit dem Verlag habe ich auch verstanden, welche Fehler ich bisher gemacht hatte. Ich habe gelernt, dass ich die Texte nicht direkt auf die Bilder schreiben darf und die Seitenzahl und das Format berücksichtigen muss.

Unterhalten statt erziehen

Mittlerweile habe ich schon gut zwei Dutzend Kinderbücher veröffentlicht. Bei vielen meiner Bücher geht es mir vor allem darum zu unterhalten. Ich finde es schade, dass bei Kinderbüchern oft so eine pädagogische Erwartung mitschwingt. Mein Ziel ist es, Kinder mit einem Thema in Berührung zu bringen, ich will, dass sie sich damit auseinandersetzen. Aber was sie daraus machen, welche Schlüsse sie ziehen, will ich ihnen überlassen.

Bis Geschichten in mir reifen, dauert es oft länger. Ich sammle die Ideen in Notizbüchern, sie wachsen schön langsam in mir, und irgendwann kommt dann der Punkt, wo ich merke: Jetzt ist es so weit, es gibt eine Idee, die drängt mich. Das ist der Zeitpunkt, wo ich mich dann wirklich hinsetze und sie niederschreibe. Meist habe ich dann auch schon Bilder dazu im Kopf.

Zu den Illustrationen für sein Buch "Zugvögel" wurde Roher bei einem Spaziergang inspiriert.
Illustration: Michael Roher/Picus Verlag

In seltenen Fällen ist aber auch das Bild zuerst da. Bei meinem Buch Zugvögel (Picus-Verlag) war das zum Beispiel so. Ich wollte über Migration schreiben, und als ich spazieren gegangen bin, kam mir die Idee. Ich habe auf Hochspannungsleitungen Vögel sitzen sehen und dachte mir: Es wäre doch ein skurriles, lustiges Bild, da statt eines Vogels einen Menschen hinaufzusetzen (siehe Illustration). Dieses Bild gefiel mir so gut, dass ich die Geschichte drumherum gebaut habe.

Wo lachen sie?

Ein Vorteil ist sicher, dass ich viel von meiner Zielgruppe umgeben bin. Bei Lesungen und Workshops für Kinder sehe ich: Verstehen sie, was ich da vorlese? Wo lachen sie? Wo werden sie unruhig? Was beschäftigt sie? Das sind alles Erfahrungswerte, die ich mitnehme. Außerdem habe ich zwei eigene Kinder, denen ich gerne Geschichten erzähle. So komme ich auch oft auf neue Ideen. Eine andere Methode ist, mich gedanklich in meine eigene Kindheit zurückzuversetzen und zu überlegen, was mich damals umgetrieben hat, was mir gefallen oder worüber ich gelacht hätte. Man könnte sagen, mein Maßstab beim Schreiben ist das Kind in mir.

Dabei sind mir die Figuren besonders wichtig – der Kali, der sich ständig selbst überschätzt, oder der schwerhörige Opa. Solche Charaktere sind, was Situationskomik betrifft, natürlich sehr ergiebig. Wichtig ist mir auch, dass man emotional mit der Ich-Erzählerin oder dem Ich-Erzähler mitkann. Dabei hilft es mir als Autor, ein Stück weit zu der Figur zu werden, wie ein Schauspieler, der in eine Rolle schlüpft.

Oft arbeite ich auch mit anderen Autorinnen und Autoren zusammen. Viele Bücher habe ich mit meiner Lebensgefährtin Elisabeth Steinkellner gemacht. Wenn die Elisabeth sagt, dass sie eine Idee für ein Kinderbuch hat, dann schreie ich gleich mal ja, weil ich weiß, dass wir gut zusammenarbeiten können. Da ist ein Verständnis zwischen uns.

Ein ganz eigener Stil

Bei der Illustration probiere ich gerne immer wieder Neues aus. Eine Zeitlang habe ich gerne mit Monotypie gearbeitet, einer Drucktechnik, bei der man eine Glasplatte mit Farbe einwalzt, Papier drauflegt, das Motiv auf die Rückseite zeichnet und dadurch einen Abdruck erhält, der eine ganz besondere Ästhetik hat. Auch mit Collagen arbeite ich gerne, denn dabei kann ich viel verschieben und verschiedene Elemente in verschiedenen Farben auf verschiedenen Hintergründen ausprobieren, bevor ich sie fixiere. Mein jüngstes Projekt habe ich wiederum fast nur mit dem Kugelschreiber gezeichnet. Als Autodidakt lerne ich, indem ich ganz genau beobachte. Die Dinge, die mich reizen oder ansprechen, integriere ich in meinen Stil. Ich schaue mir Bücher durch oder lasse mich im Internet inspirieren, von Techniken, von Bildern.

"Als Autodidakt lerne ich, indem ich ganz genau beobachte. Die Dinge, die mich reizen oder ansprechen, integriere ich in meinen Stil."
- Michael Roher, Illustrator und Autor

Als ich für meine Arbeit den Christine-Nöstlinger-Preis bekommen habe, war das eine Riesenehre und auch ein interessantes Erlebnis. Ich habe davor ja schon zehn Jahre veröffentlicht und auch immer wieder Preise gewonnen, die ich toll fand. Das war aber das erste Mal, dass es ein wirklich großes Echo gab. Es hat mir sogar mein Versicherungsmakler gratuliert. Mag sein, dass sich die Leute gedacht haben: Die Christine Nöstlinger, die war eine tolle Schriftstellerin. Und wenn jemand diesen Preis bekommt, muss das, was er macht, wohl auch ganz gut sein." (Protokoll: Lisa Breit, 13.12.2022)