Ärztin Dr. Anna Pou (Vera Farmiga) kämpfte um das Leben der Patientinnen und Patientenim Krankenhaus von New Orleans. Hilfe von außen kam für manche viel zu spät.

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Am vierten Tag landet ein Hubschrauber auf dem Gelände des Spitals. 40 Minuten haben die Pflegekräfte Zeit, um alle Patientinnen und Patienten abholbereit zu machen und zum Landeplatz zu bringen. Seit Tagen gibt es keinen Strom. Die Aufzüge sind außer Betrieb. Der Rettungsversuch misslingt. Draußen scheint die Sonne.

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Am fünften Tag gibt es kein Eis mehr und auch kein Wasser. "Keep them comfortable", lautet die ärztliche Dienstanweisung. Evakuierung ist nicht vorgesehen. Einen Katastrophenplan? Hat es nie gegeben.

344 km/h Windspitzen

13 Tage nach dem verheerenden Hurrikan in New Orleans fährt eine Ärztin in der Serie Five Days at Memorial von Apple TV+ im Boot durch New Orleans und sieht eine verwüstete Stadt. Windgeschwindigkeiten von 280 km/h, Windspitzen von 344 km/h fegten Ende August 2005 an der amerikanischen Golfküste alles hinweg, was nicht feststand.

New Orleans war durch zwei Brüche in Deichsystemen besonders schwer betroffen. Menschliches Versagen, Gleichgültigkeit und Überforderung der Behörden führten dazu, dass tagelang Hilfe ausblieb. Menschen starben auf der Straße, 45 überlebten im Spital nicht. Eine gerichtliche Untersuchung, die es rund um die Todesfälle gab, bildet die Rahmenhandlung von Five Days at Memorial.

Selbst nach verzweifelten Hilferufen geschah nichts

Für ihre Reportage über die Geschehnisse im Krankenhaus wurde die Journalistin Sheri Fink mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sie berichtet, wie Ärztinnen und Pfleger bis zur völligen Erschöpfung um das Leben der Kranken kämpften und selbst nach verzweifelten Hilferufen an die Öffentlichkeit nichts geschah.

Fink war auch an der Serienadaption beteiligt. Carlton Cuse und John Ridley schrieben die Folgen, beide führten auch Regie, ebenso Wendey Stanzler – allesamt erfahrene Film- und Serienleute. Routiniert wirkt hier dennoch nichts.

Inszenierte Szenen und Archivmaterial

Die ersten fünf von acht Folgen schildern je einen Tag nach der Katastrophe. Erzählt wird die Geschichte verschiedener beteiligter Personen, die bei einer Befragung Auskunft geben. Die Bildsprache wechselt mit der Art der Erzählung. Im Inneren des Krankenhauses ist es die inszenierte Story um die Ärztin Anna Pou (Vera Farmiga) und Einsatzleiterin Susan Mulderick (Cherry Jones).

Die Bilder von draußen sind Archivaufnahmen der zerstörten Stadt und der Überschwemmungen, aber auch Plünderungen sind zu sehen. In der Kombination ergibt das einen beklemmenden Gesamteindruck, in dem klar wird, dass nicht nur die Menschen im Spital bei 43 Grad Hitze sich selbst überlassen waren, sondern auch die Bewohner der Stadt draußen. Eine der härtesten Szenen zeigt einen hilfesuchenden Mann mit Kind am Arm, der ins Spital kommen will – und abgewiesen wird. Weil es keine Möglichkeit der Versorgung gibt.

Wie weiterleben?

Die Missstände rund um Hurrikan Katrina als Serie arbeitete bereits The Wire-Macher David Simon in Treme auf. In vier Staffeln ging es darum, wie die Menschen gegen jede Wahrscheinlichkeit und ohne jede Hilfe das Weiterleben und den Wiederaufbau schafften. Vom strukturellen Rassismus handelt Treme ebenso wie Five Days at Memorial. Nicht auszumalen, wie schnell die Hilfe gekommen wäre, wenn der Hurrikan über reiche, weiße Viertel hinweggebraust wäre.

Die Stärke von Five Days at Memorial besteht auch darin, dass die Serie nicht mit dem Tag der Evakuierung endet, sondern weitergeht. Nach der fünften Folge bricht die Erzählung im Spital ab und geht über in die staatsanwaltlichen Ermittlungen. In der Retrospektive wird die ganze Katastrophe deutlich. (Doris Priesching, 12.8.2022)

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