Linz hat das Zeug zur Fischhauptstadt Österreichs. Die Stadt liegt nicht nur an der Donau, sondern auch noch ziemlich genau dort, wo die Traun in den Strom mündet. Die war selbst historisch einer der wichtigsten und fischreichsten Flüsse Österreichs und eine perfekte Verbindung zum Salzkammergut und seinen Seen. Die böhmischen Karpfenteiche sind ebenfalls nicht weit.

Kein Wunder also, dass der Linzer Fischmarkt einst einer der wichtigsten des Landes war: Mehr als 50 Arten von Süßwasserspeisefischen wurden vor dem Ersten Weltkrieg hier noch angeboten, über 30 Händler boten ihre Ware an – von heute noch Vertrautem wie Zander und Wels über selten Gewordenes wie Aalrutten oder Huchen bis zu komplett Verschwundenem wie dem Stör. (1)

Flusskrebse aus der Donau.
Foto: Georg Kukuvec

Eine besondere Spezialität des Linzer Marktes waren die Steckerlfische: Weißfische, meist Nasen, wurden geschröpft, aufgespießt und über glühenden Kohlen gebraten. Für zusätzliches Aroma streuten die Brater oft noch getrockneten Mosttrester auf die Glut. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden auf dem Linzer Markt immerhin stolze 50.000 Steckerlfische pro Jahr verbraten.

Der eigenständige Fischmarkt ist mittlerweile komplett verschwunden, ein Fischer und ein Fischstand sind aber noch übrig geblieben: Franz Wiesmayr fährt nach wie vor einmal die Woche hinaus auf die Donau und legt dort seine Netze und Reusen aus, jeden Freitagvormittag verkauft er seinen Fang am Stand am Südbahnhofmarkt. Das macht ihn zum letzten professionellen Donaufischer Österreichs. (2) Neben roher Ware gibt es bei ihm jede Menge Verarbeitetes und Eingelegtes. Frische Steckerlfische macht er leider nur bei Veranstaltungen bei sich am Hof.

Ich habe den Herrn Wiesmayr kennengelernt, weil ich gerade an einem großen Süßwasserfischbuch arbeite, gemeinsam mit dem Lukas Nagl, dem meiner Meinung nach besten Süßwasserfischkoch des Landes. Es wird "Der Fischer und der Koch" heißen und kommendes Jahr hoffentlich im Servus-Verlag erscheinen. Wir wollen darin den erstaunlichen Fischreichtum Österreichs feiern. Die Donau nimmt in dem Buch einen prominenten Platz ein, und der Herr Wiesmayr war so nett, uns mit zum Fischen zu nehmen.

Auf der Donau fischen

Franz Wiesmayr, der letzte professionelle Donaufischer.
Foto: Georg Kukuvec

An einem schönen Julimorgen sind der Lukas und ich ins Linzer Industriegebiet gefahren, wo die Familie des Herrn Wiesmayr seit einigen Generationen den Hollaberer-Hof bewirtschaftet. Seit mindestens 150 Jahren sind die Wiesmayrs außerdem Donaufischer. Das alte Bauernhaus steht immer noch da, die Umgebung rundherum hat sich allerdings geändert: Der Wiesmayr'sche Hof ist heute eine grüne Oase inmitten von Lagerhallen und Fabriksgeländen. Sein Fischerboot dockt zwischen Müllverbrennung und Methangasanlage, ein großer Teil seines Reviers ist ein Industriehafen.

Das wäre vor ein paar Jahrzehnten ein Problem gewesen, als ein Großteil des Industriedrecks noch ziemlich ungefiltert in die Donau gepumpt wurde – mittlerweile sind die Auflagen so streng und die Filter so gut, dass das Donauwasser auch im Linzer Industriehafen wieder Qualitätsstufe 2 ("Gut") auf einer fünfstufigen Skala hat. (3) Die sauberen Abwässer sind mitunter sogar ein Vorteil für die Fischer, weil sie warm sind und die Tiere daher anlocken.

Wir sind an jenem Morgen erst zur Traunmündung gefahren, ein paar hundert Meter flussabwärts, und haben die Flusskrebsreusen eingeholt, dann stromaufwärts und in den Industriehafen zu den Stellnetzen – und zu meiner, zugegeben, großen Überraschung waren die so richtig voll.

Lukas Nagl holt die Netze ein.
Foto: Georg Kukuvec

Neben gut 30 Kilo Flusskrebsen hat der Wiesmayr an dem Morgen sicher 40 bis 50 Kilo Fisch gefangen, zwar keine Edelfische wie Zander oder Wels, aber dafür andere, weniger berühmte Köstlichkeiten: stattliche Rotaugen, einer der klassischen Steckerlfische; prächtige Brachsen, ein Weißfisch und Rotaugenverwandter, der geschmacklich an den Karpfen erinnert; und, vielleicht am besten, riesige Flussbarsche. Die schmecken mindestens so gut wie ihr Verwandter, der Zander, und haben kaum Gräten – kurz, sie sind ein köstlicher, bei uns unterschätzter Speisefisch.

Der römische Dichter Ausonius hat dem Flussbarsch bereits im dritten Jahrhundert nach Christus ein literarisches Denkmal gesetzt, und zwar in seinem Gedicht "Die Mosel": "Nicht auch vergesse ich deiner, o Barsch, du Wonne der Mahlzeit; Unter den Fischen des Flusses als Seefisch fast zu erachten, einzig den rötlichen Barben des Meeres zu gleichen imstande". Der Luki Nagl liebt den Flussbarsch ebenfalls, allerdings werden sie bei ihm im Traunsee eher nur handtellergroß – die unterarmlangen Donauexemplare haben ihn daher ziemlich beeindruckt.

Guter Fang.
Foto: Tobias Müller

Das sei zwar ein sehr guter Fang für einen Tag gewesen, ganz generell könnte er aber noch deutlich mehr aus der Donau holen, als er das aktuell tut, hat uns der Herr Wiesmayr erklärt – allein, es gibt nicht genug Menschen, die die Fische auch essen wollen. Die Österreicher sind traditionell keine Fischesser, schon gar nicht aus dem Fluss. Sein vielleicht bester und enthusiastischster Kunde ist der Besitzer eines Chinarestaurants in Urfahr, der als Chinese weiß, wie köstlich Karpfenfische sein können (wer in der Gegend ist und mal chinesischen Donaufisch probieren will: Charly's in der Ferihumerstraße). Auf der Karte stehen die Fische nicht – auf Reservierung können sie aber genossen werden.

Der Herr Nagl hat sich einen Teil des Fangs und etwas getrockneten Mosttrester mitgenommen und am Abend für uns die Brachsen als Steckerlfisch gegrillt, ganz puristisch nur geschröpft und gesalzen. Ich gestehe, von den Trestern wenig gemerkt zu haben – der Fisch aber, vor allem der Bauch, war ganz köstlich: fett, geschmacksintensiv, knusprig, und dank Schröpfens waren auch die Gräten kein Problem. Wäre fantastisch, wenn das auf den Linzer Markt zurückkehren würde.

Steckerl-Brachse, geschröpft und bereit, gegrillt zu werden.
Foto: Georg Kukuvec

Anmerkung: Die Fotos 1, 2, 3 und 5 in diesem Beitrag stammen vom sehr superen Georg Kukuvec und wurden für das Buch gemacht.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 21.8.2022)

(1) Große Störe wie Huso huso wanderten einst bis nach Regensburg die Donau hinauf, heute sind sie fast ausgestorben und kommen nur mehr im Donaudelta vor. Vereinzelt werden in Österreich noch Sterlets gefangen, eine kleine Störart.

(2) Es gibt noch einige Lokale entlang der Donau, etwa den Fischgasthof Aumüller in Obermühl, in dem die Besitzer noch selber fischen und die Fische auch verkochen und verkaufen, sie bieten den Fang aber nicht roh zum Verkauf an.

(3) Die Verbesserung der Wasserqualität ist eine der Erfolgsgeschichten des Umweltschutzes in den vergangenen Jahrzehnten, nicht nur in der Donau, sondern in ganz Österreich. Mitunter sind die Gewässer sogar (wieder) so sauber geworden, dass die Fische aufgrund der wenigen Nährstoffe nur mehr sehr langsam wachsen. Der Attersee zum Beispiel ist deswegen fischärmer als früher, als die Schlachter noch ihre Abfälle in den See kippen durften. Die Donau ist meist Stufe 2, bloß hinter Wien gibt es ein paar 3er-Stellen.