Am Donnerstag fällt die EZB ihre Entscheidung, wie es mit dem Leitzins weitergeht. Die Situation ist kompliziert, die Teuerung nimmt zu, und die Wirtschaft droht zu schwächeln.

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Die Preise in der Eurozone steigen rasant wie nie zuvor, bis dato hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Entwicklung aber nicht in den Griff bekommen. Dementsprechend wächst der Druck auf die Währungshüter in Frankfurt, am Donnerstag in der ersten Sitzung nach der Sommerpause die Zinsen anzuheben.

Doch die Situation ist verzwickt: Während die Inflation zu entgleiten droht, schwächelt andererseits die Wirtschaft. Hebt die EZB nun die Zinsen, bremst das womöglich die Konjunktur – viel anderes wird den Notenbankern allerdings nicht übrigbleiben. Im August lag die Teuerungsrate in Österreich laut Schnellschätzung der Statistik Austria bei 9,1 Prozent – genauso hoch wie in der Eurozone.

Großer Sprung

Volkswirte gehen größtenteils von einer ordentlichen Erhöhung aus, einige Notenbankchefs hatten sogar einen ungewöhnlich großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten in den Raum gestellt. Dies wäre die kräftigste Zinsanhebung seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Einen so großen Sprung gab es überhaupt erst einmal, im Jahr 2000. Aber auch die Inflation war seit dem Euro-Start noch nie so hoch.

Im Juli erhöhte die EZB den Leitzins um 50 Basispunkte – bis zu diesem Schritt hatte es jedoch gedauert. Präsidentin Christine Lagarde gab sich bei dem Thema stets zögerlich, setzte darauf, dass sich Probleme von selbst lösen. Etwa dass die Lieferkettenengpässe zurückgehen. Das dürfte nicht klappen. Der Krieg in der Ukraine lässt die Energiekosten explodieren, und das Festhalten Chinas an der Zero-Covid-Strategie belastet Lieferketten.

Anderer Kurs in den USA

Anders sieht es in den USA aus. Die US-Notenbank Fed hatte die Zinsen zuletzt zweimal hintereinander um 0,75 Prozentpunkte erhöht und hievte den Leitzins von knapp null auf 2,5 Prozent. Doch damit nicht genug: Beim Notenbanker-Treffen in Jackson Hole im August hat Fed-Chef Jerome Powell einem möglichen Ende der geldpolitischen Straffung in naher Zukunft eine klare Absage erteilt und einen "außergewöhnlich großen" Zinsschritt thematisiert.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane warnte jüngst vor zu großen Schritten und sprach sich für ein gleichförmiges Tempo aus – weder zu langsam noch zu schnell. Auch EZB-Präsidentin Lagarde hielt sich in den vergangenen Wochen wieder deutlich zurück. Nicht so der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann. Ihm zufolge müsse der Leitzins um mindestens 0,5 Prozentpunkte angehoben werden. Holzmann ist für eine besonders straffe geldpolitische Haltung bekannt – aber auch seine moderateren Amtskollegen aus Frankreich und Finnland befürworten einen 0,5-Prozent-Schritt.

Mögliche Kampfabstimmung

Entscheidungshilfen könnten jedenfalls die neuen Inflations- und Wachstumsprognosen der EZB-Volkswirte bieten, die zur Sitzung vorliegen werden. Der Wachstumsausblick dürfte nach unten und die Inflationsaussichten weiter nach oben gehen. Viele Ökonominnen und Ökonomen gehen inzwischen davon aus, dass die Eurozone im Herbst in eine Rezession abrutschen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass es am Donnerstag zu einer Kampfabstimmung kommt – ebenfalls ein Novum –, jedenfalls aber zu einer knappen Entscheidung. (Andreas Danzer, 5.9.2022)