Das Donaukanaltreiben am Ufer der innerstädtischen Wasserader ist wegen seines bunten Programms eine Institution, auch wenn es 2022 ins Wasser gefallen ist. Treiben aber Menschen in dem Gewässer, denken viele an einen Unfall, der meist infolge alkoholbedingter Gleichgewichtsstörungen passiert und nicht selten mit der Alarmierung der Einsatzkräfte einhergeht. Es können jedoch durchaus auch Badegäste sein, etwa vom 2020 ins Leben gerufenen Schwimmverein Donaukanal, der mittlerweile rund 150 Mitglieder zählt und seine mit Kästchen und Umkleide ausgestattete Basis in Kooperation mit dem Verein Alsergarten nahe der Friedensbrücke installiert hat.

In wasserdichten Schwimmsäcken lassen sich Badeschlapfen und Handtuch, eventuell auch ein Laptop verstauen. Nach wenigen Schritten steigt man auch schon über die teils wackeligen Steine der Uferbefestigung in die erfrischenden Fluten und treibt ohne Zutun mit rund fünf km/h dahin, während sich die Mundwinkel nicht nur wegen der faszinierenden Perspektive zügig nach oben bewegen. Nicht zu beneiden sind allerdings die staunenden Passanten, weil sie garantiert mit vielen Fragen konfrontiert werden: Ist das überhaupt erlaubt? Ist das nicht riskant und gesundheitsgefährdend?

Der Schwimmverein Donaukanal (SVDK) hat sich in der Nähe der Friedensbrücke eine Basis geschaffen (Design Johannes Fandl, Siri Dacar). Spinde und Umkleidekabine sind bereits vorhanden, eine Dusche ist angedacht.
Christian Fischer

Gründungsmitglied Amelie Schlemmer (30) und der etwas später zum Verein gestoßene Johannes Fandl (31), beide aufgewachsen in Berlin, kennen die verdutzten Blicke nur zu gut. Fandl: "Man weiß, dass es viele Menschen genießen würden, aber dass man sie an das Thema heranführen muss, weil es doch viele Vorurteile gibt und Unwissenheit auch zu Ängsten führt. Da sieht man den sozialen Konflikt und die Normen, die da dahinterstehen. Man tut das ja da nicht", sagt der Student, der für Architekturbüros und an seiner Diplomarbeit arbeitet. Thema: Partizipative Planungskonzepte für den öffentlich Raum – Potenzial für soziale Entfaltung.

Die Gruppe auf dem Weg zum Badevergnügen. Schwimmen im Donaukanal ist mit Einschränkungen erlaubt. Beachtet man ein paar wesentliche Punkte, so spricht nichts gegen ein erfrischendes Bad im Herzen der Stadt. Gut schwimmen zu können ist freilich Voraussetzung.
Christian Fischer

Die Wiederbelebung des Kanalschwimmens ist aus einem Projekt der Angewandten entstanden. Schlemmer: "Der physische Schritt, hier schwimmen zu gehen, ist klein, aber mental ist er riesig. Wir haben es ausprobiert und gesehen, dass es funktioniert. Dann haben wir überlegt, was es braucht, die Menschen den ersten Schritt machen zu lassen. Wenn man einmal drin war, versteht man nicht mehr, warum man es vorher nicht gemacht hat", sagt die frühere Social-Design-Studentin, die sich als Mitglied der IG Architektur passenderweise mit sozialen Aspekten urbaner Räume beschäftigt. Für ihr Bademoden- und Unterwäsche-Label ist der Kanal zudem ein "optimaler Laufsteg".

Appell an Eigenverantwortung

Vor dem Einstieg in den Kanal betonen beide die Wichtigkeit der Eigenverantwortung. Man solle selbst abschätzen, ob man das kann oder nicht, sich vorher mit dem Thema beschäftigt haben, anschauen, wann Schiffe kommen und wo man halbwegs gut rein- und rauskommt. Reinspringen ist nicht empfehlenswert und allein baden gehen auch nicht unbedingt. Eindringlich warnen Schlemmer und Fandl aber vor der von Schiffen ausgehenden Gefahr. Sie wünschen sich elektronische Anzeigetafeln, die vor nahenden Kähnen warnen. Es gibt zwar Apps, diese zeigen aber nur größere Wasserfahrzeuge an.

Baden im Donaukanal ist nur bei den Anlegestellen (100 Meter Abstand halten!) und bei der Nussdorfer Schleuse verboten. Das Ein- und Aussteigen ist an vielen Stellen möglich, erfordert allerdings ein gewisses Maß an Sportlichkeit. Das grünlich-trübe Nass riecht nicht übel, es unterscheidet sich nicht vom Wasser im beliebten Strombad in Kritzendorf. Die Güteklasse bewegt sich zwischen II (grünlich, mäßig verunreinigt, unbedenklich) und III (gelblich braun, stark verunreinigt). Nach starkem Regen oder bei Hochwasser ist daher vom Bad im Kanal dringend abzuraten. Denn dann können auch Abwässer aus der Kanalisation in den Donaukanal gelangen.

Die Mitglieder des Schwimmvereins würden sich regelmäßigere Wasserproben wünschen, aktuell werde die Qualität eher nur sporadisch überprüft. Bisher seien aber ohnehin keine Erkrankungen als Folge des Kanalschwimmens aufgetreten, auch wenn ein Schluck vom Wasser unvermeidbar war oder auf die Dusche hernach verzichtet wurde.

"Der physische Schritt, hier schwimmen zu gehen, ist klein, aber mental ist er riesig", sagt Gründungsmitglied Amelie Schlemmer.
Christian Fischer

Die Idee des Schwimmens im Kanal ist nicht neu, 1827 gab es bei der Rotundenbrücke bereits eine Schiffbadeanstalt, später kamen weitere hinzu. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg gab es auch den Schwimmbewerb "Quer durch Wien", der 1919 an die 250.000 Schaulustige angezogen haben soll.

Tabu und Bruch

Für die Verantwortlichen der Stadt sind Badeplätze am Kanal aber schon länger tabu. Am Ufer sonnen und Füße reinhängen: ja! Zum Schwimmen möge man aber bitte etwa an die Alte und Neue Donau ausweichen. In München, Zürich und Basel hat das innerstädtische Flussschwimmen hingegen lange Tradition. Fandl: "Der soziale Code ist in Wien sehr stark, man ordnet sich dem sehr unter. Eine Stadt wie Wien, die vielleicht auch lebenswerteste Stadt der Welt bleiben möchte, sollte einen anderen Anspruch haben, dynamisch sein und Chancen erkennen. Die Entwicklung endet nie, die Stadt ist ein Organismus, in dem Veränderung passiert." Ein nur von Booten genützter Kanal sei eine Verschwendung öffentlichen Raums. Er wäre zur Abkühlung an heißen Tagen ein Geschenk an die Wienerinnen und Wiener.

Auch im Bereich der gemauerten Uferbefestigung ist das Ein- und Aussteigen möglich, erfordert aber je nach Pegelstand (in etwa zwei bis vier Meter) mehr oder weniger Geschicklichkeit.
Christian Fischer

Der Architekt wünscht sich eine zweite Donaukanalpartitur (Konzept zur Nutzung der Uferflächen). In der ersten Umgestaltungsphase sei viel passiert, aber es gebe noch viel Potenzial. "Ziel wäre, dass es uns als Verein gar nicht mehr in einer so sichtbaren Rolle braucht und Kanalschwimmen Stadtkultur wird. Aber solange es Konflikte mit den Schiffen, nicht optimale Ein- und Ausstiegsstellen und keine regelmäßigen Überprüfungen der Wasserqualität gibt, wird es den Verein brauchen", sagt Fandl. (Thomas Hirner, 6.9.2022)