Begeisterte Wiesn-Gäste im Jahr 2019 beim Münchner Oktoberfest. Am Samstag soll wieder alles so ablaufen wie vor Corona, spezielle Schutzmaßnahmen gibt es nicht.

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Am Anfang richten sich die Blicke stets auf das Fass, und so soll es auch am Samstag sein. Pünktlich um zwölf Uhr mittags, live vom Bayerischen Rundfunk übertragen, wird von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Schottenhamel-Zelt "ozapft" und das Bier zum Fließen gebracht.

"Auf eine friedliche Wiesn" – so lautete sein Wunsch bisher. Diesmal wäre eventuell zu ergänzen: "Auf eine friedliche, Corona-freie und musikalisch unverdächtige Wiesn". Bewahrheiten werden sich Punkt zwei und drei vermutlich nicht.

Es ist das erste Oktoberfest seit dem Ausbruch von Corona. 2020 und 2021 mussten Millionen Fans aus aller Welt auf Schunkeln, Bier, Hendlhaxn, Karussellfahren und andere Lustbarkeiten verzichten. Doch jetzt soll wieder alles so sein wie früher. Es gibt keine speziellen Corona-Schutzmaßnahmen in den rund 40 Zelten mit insgesamt 120.000 Sitzplätzen. Die Maske braucht man nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Festwiese.

"Stabile" Corona-Lage

"Ich komme ohne Maske", hat Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bereits in der Bild-Zeitung erklärt. Die Corona-Lage sei "derzeit stabil", es gebe "keine wachsende Belastung in den Krankenhäusern".

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) pflichtet Söder bei und sagt: "Auf der Wiesn macht die Maske tatsächlich wenig Sinn." Er selbst werde "unter der Woche vielleicht mal mittags" zum Oktoberfest gehen. Zudem rät er, nach dem Wiesn-Besuch lieber erst einmal zwei bis drei Tage ins Homeoffice zu gehen. Auch vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus Berlin kommt ein Tipp: Man möge sich vor dem Besuch testen.

Wie die Lage nach der großen Party genau aussehen wird, bleibt abzuwarten. Bayerische Medien befragten viele Experten und Expertinnen, die Antworten sind unterschiedlich. "Wenn man sich für die Wiesn entscheidet, muss man ein gewisses Infektionsrisiko in Kauf nehmen. Eines Tages muss man zum normalen Leben zurückkehren, und das geht mittlerweile auch, wenn man vernünftig ist", erklärte Ulrike Protzer, Leiterin der Virologie in der TU und am Helmholtz-Zentrum München, in der Süddeutschen Zeitung.

Fachleute uneinig

Vor zu großer Sorglosigkeit warnt Oliver Keppler, Virologe an der Universität München: "Auf einer Skala von eins bis zehn liegt die Wahrscheinlichkeit einer Sars-CoV-2-Exposition nach mehreren Stunden im Zelt nach meiner Einschätzung bei neun bis zehn."

Eine Absage des Oktoberfests hätte viele finanziell hart getroffen. Laut dem Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München, das das Oktoberfest veranstaltet, betrug der Wirtschaftswert der Wiesn 2019 rund 1,25 Milliarden Euro. Es profitieren Wirte, Brauer, Hotels, Taxifahrerinnen, Trachtenshops und viele mehr.

"Die Wiesn ist ein Angebot, die Wiesn ist etwas Schönes, die Wiesn ist etwas, das München in der Welt berühmt macht", sagt der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgertner, der zum zweiten Mal als Wiesn-Chef dem Oktoberfest vorsteht. Ihn stört, dass in manchen Medien der Eindruck entstehe, man werde sich beim Oktoberfest auf jeden Fall mit Corona anstecken, und auch, dass der Gas- und der Energieverbrauch beim Hendlgrillen auf der Theresienwiese diskutiert würden.

Preise gestiegen

Baumgertner: "Die, die hingehen, freuen sich darauf. Und die reden nicht die ganze Zeit über Covid-Ansteckungen und Gasverbräuche." Apropos Preise: Die Maß auf dem Oktoberfest 2022 wird zwischen 12,69 und 13,80 Euro kosten. Das sind im Schnitt 15,7 Prozent mehr als bei der Wiesn 2019. Die Preise legt übrigens nicht die Stadt München fest, sondern die Gastronomen.

Erfahrungsgemäß fließt das Bier ja am schnellsten, wenn dazu flotte Musik gespielt wird. Und da bereitete ein bestimmter Song den Wiesn-Wirten vor dem Start der großen Party Kopfzerbrechen. Sie wollen nicht, dass der umstrittene Partysong Layla von DJ Robin & Schürze in der Originalversion gespielt wird. "Ich hab ’n Puff – und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler", heißt es darin.

Peter Inselkammer, der Sprecher der Wirte, erklärt, wie der Kapellmeister in seinem Zelt damit umgehen wird: "Er bereitet einen anderen Text vor, der nicht sexistisch ist." Allerdings schwant den Wirten, dass das Publikum lieber auf den ursprünglichen Text zurückgreift. Und auch Layla-Sänger Schürze sagt: "Ich denke, dass 99 Prozent des Publikums Layla in der Originalversion mitsingen werden, deswegen rege ich mich nicht auf." (Birgit Baumann aus Berlin, 16.9.2022)