Wenn in diesen Tagen die Luft kühler wird, steigt auch der Respekt vor kommenden Energierechnungen. Dass die Energiekrise eine ist, die uns noch lange begleiten und die durch den Klimawandel noch verschärft wird, da sind sich auch die Antragsteller und Antragstellerinnen des fiktiven Umweltgerichts sicher, das während der Ars Electronica in Linz abgehalten wurde.

Der Klimawandel ist längst bittere Realität, wie Studierende aus Pakistan an der Festival University in Linz berichteten.
Foto: Reuters / Akhtar Soomro

Bei insgesamt drei simulierten Gerichtsprozessen wurden die Themen Energie, Wasser und Migration vor einem Richterstand verhandelt. Als Antragssteller fungiert eine fiktive Organisation mit dem Namen Solare, die von den Studierenden der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) im Rahmen der Festival University ins Leben gerufen wurde. Fiktiver Antragsgegner ist die Europäische Union, die von wechselnden Richtern und Richterinnen vertreten wird.

Im Fall Energie wird von den Studierenden vor allem der Standpunkt kritisiert, dass Kernkraftwerke oder Gas als erneuerbar oder grün gelten, wie es in der Taxonomieverordnung der Europäischen Union nun definiert ist. "Es ist gerade beim Thema Energie sehr einfach zu sagen, dass man keine Atomkraftwerke will", erklärt Karin Gabriel, die Programmleiterin des Sommerfestivals. Auf der anderen Seite sei die Sicherstellung von Elektrizität und Energie gar nicht so einfach. Einen Kompromiss beim Thema Energie zu finden sei schwierig.

Strittige Kernkraft

"Aus österreichischer Sicht ist es vergleichsweise einfach zu sagen, dass man erneuerbare Energien will, schließlich haben wir auch die Voraussetzungen und die Infrastruktur", sagt Gabriel. Diese Gegebenheiten seien aber nicht überall selbstverständlich. Gerade beim Thema Energie schwinge der Hintergrund der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl mit und damit auch die aktuelle Gefahrenlage im umkämpften ukrainischen Saporischschja, wo sich das größte Atomkraftwerk Europas befindet.

Johannes Kepler Universität Linz

Hier müsse man sich die Frage stellen, an welchem Horizont man sich orientiere. "Sind Kernkraftwerke trotz der Gefahren eine gute Überbrückungsstrategie, bis wir die Ressourcen haben, unsere Energie komplett nachhaltig zu beziehen", fasst Gabriel die Bedenken zusammen.

Die Organisatorinnen und Organisatoren der Gerichtssimulation hätten bewusst Themen gewählt, die global eine Rolle spielen und von jedem in ihrer Wichtigkeit nachvollzogen werden könnten, sagt Gabriel. Gemeinsam mit dem Rektor der JKU, Meinhard Lukas, Universitätsprofessor Markus Fister und Gerfried Stocker, dem Leiter und Geschäftsführer der Ars Electronica, wurden die fiktiven Umweltgerichte entwickelt. Unterstützt wird die Veranstaltung vom Wissenschaftsministerium.

Vorbild Niederlande

Vorbild der Veranstaltungsreihe ist ein Projekt aus den Niederlanden, wo Studierende vor einem ähnlich aufgebauten Umweltgericht die Positionen von Pflanzen und Tieren eingenommen haben, die durch den Klimawandel Gefahr laufen, auszusterben. Wie in einem realen Gericht haben die Antragsteller und Antragstellerinnen nun auch die Möglichkeit, ihre Eröffnungsstatements vorzutragen, Beweise und Fakten vorzulegen, Zeugen und Zeuginnen einzuladen.

Im Vorfeld konnten sich die Studierenden für eines der drei Themen entscheiden, jedoch nicht für den inhaltlichen Standpunkt, den sie vertreten sollen. So hätten die Studierenden auch die Möglichkeit, in eine Rolle zu schlüpfen, deren Blickwinkel eventuell konträr zu dem eigenen ist. So wolle man die Komplexität aufzeigen, diese erlebbar machen und vor Augen führen, dass es vielleicht gar nicht so einfach zu sagen sei, welcher Weg der richtige sei, erklärt Gabriel.

Ein besonderes Augenmerk der Prozesse liegt auf der Rolle von Kunst. So hat jede Gruppe eine Art der Kommunikation eingebracht, die einen künstlerischen Ansatz hat. "Das Vortragen eines Gedichts, eines Lieds oder eines Tanzes helfen dabei, die Emotionen zu wecken", sagt Gabriel.

Die Studierenden, die als Antragssteller und Antragsstellerinnen auftreten, wie auch die Gegenseite präsentieren in einer Abschlusserklärung ihre Ergebnisse. Anhand einer von Fister entwickelten Charta von Gesetzen werden die Fälle anschließend bewertet. Bei den simulierten Gerichtsverhandlungen wird darauf Wert gelegt, dass neben Universitätsprofessor Fister auch Expertinnen und Experten aus den Bereichen Klimaschutz, Asylrecht sowie internationale Studierende den Richterstand besetzen. Das zeige, wie wichtig die transdisziplinäre Zusammenarbeit sei.

Der Klimawandel ist real

Während der Verhandlungen wird auch bewusst, welche akuten Auswirkungen der Klimawandel bereits hat. Studierende aus Pakistan berichten von Überflutungen, bei denen tausende Menschen gestorben seien. Teilnehmende Studierende aus Peru und Mexiko erzählen von akuten Wasserproblemen in ihren Ländern.

"Die Gerichtssimulation hat aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass Klimafragen nicht nur in einem kleinen Rahmen von Experten und Expertinnen diskutiert werden", sagt Gabriel. Diese müssen generationenübergreifend, länderübergreifend und disziplinenübergreifend diskutiert werden, denn "Klimawandel hört nicht an den europäischen Grenzen auf". (Lea Weinberg, 7.10.2022)